Am Ende des großen Vorhabens stand nur eine dürre Erklärung: Ein „zufriedenstellender Abschluss“ sei nicht mehr möglich gewesen, deshalb habe man den Plan fallen lassen. Der Börsengang von Constantia Flexibles wurde am 25. November abgesagt, eine Stunde vor Ende der Zeichnungsfrist. Es gab nicht genug Interessenten für die Aktien des österreichischen Verpackungsherstellers, der in Frankfurt an die Börse gehen wollte.
Trotz des guten Aktiensjahres trauten sich 2013 nur wenige deutsche Unternehmen an die Börse.
Mindestens 450 Millionen Euro wollte der Eigentümer einnehmen, der Finanzinvestor One Equity Partners. Es sollte der zweitgrößte deutsche Börsengang in diesem Jahr werden, doch es wurde der größte Reinfall. Das passt zum missglückten Jahr 2013. Lediglich sechs Unternehmen wagten den Schritt aufs Parkett, so wenige wie seit dem Krisenjahr 2009 nicht. Und das, obwohl die Börse boomte und der Deutsche Aktienindex (Dax) um fast 20 Prozent zulegte.
In der Vergangenheit existierte stets ein eindeutiger Zusammenhang: War die Stimmung an der Börse gut, dann rief das auch Unternehmen auf den Plan, die ihre Aktien unters Volk bringen wollten. So war das auf dem Höhepunkt des Internet-Booms Ende des vergangenen Jahrtausends: Im Jahr 1999 gab es 146 Börsengänge, so viele wie niemals zuvor und auch nachher nicht wieder. Auch in den guten Börsen-Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise – 2006 und 2007 – wagten sich immerhin noch 47 und 43 Firmen aufs Parkett.
Doch nun gibt es diesen Zusammenhang zumindest in Deutschland nicht mehr. Die Enttäuschung bei den Profis ist groß. „Die sechs Börsengänge liegen sicher unter dem, was man sich erwartet hatte“, sagt Jens Voss, der bei der Commerzbank das Aktiengeschäft leitet. Besonders in der zweiten Jahreshälfte sei die Entwicklung in Deutschland und in anderen Ländern Europas stark auseinander gelaufen. Nach Juni gab es hierzulande keinen einzigen größeren Börsengang mehr, während rundherum das Geschäft brummte: In England wagten mit großem Erfolg die Royal Mail und der Unterhaltungskonzern Merlin den Schritt auf das Parkett, in Frankreich der Kabelnetzbetreiber Numericable.
24 Milliarden Euro sammelten europäische Unternehmen in diesem Jahr an der Börse ein, fast dreimal so viel wie im Vorjahr. Aber nur ein Zehntel davon stammt aus der mit Abstand größten Volkswirtschaft, aus Deutschland. Auch weltweit legte die Zahl der Börsengänge 2013 deutlich zu, von 837 im Vorjahr auf 864 – und das, obwohl es in China in der ersten Jahreshälfte eine Zwangspause gegeben hatte, weil der Markt vorher überhitzt war und die Börsenaufsicht erst neue Regeln aufstellen musste.
Woran liegt es, dass deutsche Unternehmen nicht mehr an die Börse gehen? Ist es möglicherweise ein Krisensymptom? Schließlich gilt es gemeinhin als Zeichen einer intakten Wirtschaftskultur, wenn Eigentümer ihre Firmen an die Börse bringen und damit auf Interesse von professionellen und privaten Investoren stoßen. Experten sehen in der Börsen-Unlust deutscher Firmen nicht unbedingt ein Alarmzeichen. „Der Druck, an die Börse zu gehen, ist in Deutschland nicht so groß wie in anderen Ländern“, sagt Ralf Darpe, Vizechef für Deutschland bei der französischen Großbank Société Générale. Die traditionelle Form der Unternehmensfinanzierung über Kredite und Anleihen funktioniere noch sehr gut. Deshalb seien die wenigen Börsengänge 2013 nicht von Finanzierungsnot getrieben worden, sondern von Finanzinvestoren: Beim Gabelstaplerhersteller Kion, beim Chemiekonzern Evonik, bei den Immobilienkonzernen LEG und Deutsche Annington waren jeweils Firmenjäger im Spiel, die sich über die Börse von ihrer Beteiligung trennen wollten. Hinzu kamen zwei kleinere Börsengänge des 3D-Druckerunternehmens Voxeljet und des Buchverlags Bastei Lübbe.
Der Bedarf, sich über die Börse Geld zu beschaffen, ist in Deutschland gering. „Die meisten Unternehmen sind über Jahre solide durchfinanziert“, sagt Commerzbanker Voss. Sie hätten es derzeit sehr leicht, im großen Stil und zu günstigen Konditionen an Geld heranzukommen. Und das Geld wird in Europa auch auf absehbare Zeit billig bleiben.
In diesem Umfeld sehen viele nicht die Notwendigkeit, sich den Aktienmarkt zu erschließen. Zumal ein Börsengang aufwendig ist. „Die Vorbereitungen für die Rechnungslegung und die Pflege der Investoren nehmen schnell ein Jahr in Anspruch“, sagt Voss. Warum sollten langjährige Eigentümer also einen Teil der Kontrolle über das Unternehmen aufgeben, wenn sie es nicht zwingend müssen?
Pech war in diesem Jahr auch dabei. Kion und Deutsche Annington kamen im Juni an die Börse, dem einzigen Monat, in dem die Stimmung kritisch war, weil die US-Notenbank Fed das Ende der Geldschwemme in Aussicht gestellt hatte. Entsprechen gering war Nachfrage der Investoren: Kion startete schwach, Annington musste den Börsengang sogar abbrechen und den Preis herabsetzen. Zuvor war schon bei der Siemens-Tochter Osram ein klassischer Börsengang gescheitert, auch bei Evonik hakte es.
„In Einzelsituationen gab es Probleme, und zwar nicht, weil Investoren kein grundsätzliches Interesse gehabt hätten, sondern weil unterschiedliche Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Investoren bestanden“, sagt Voss von der Commerzbank. Manchmal wäre bei Volumen und Preis weniger mehr gewesen, gerade in dem unsicheren gesamtwirtschaftlichen Umfeld der letzten Jahre.
Da es bei den wenigen deutsche Börsengängen holperte, war es kein Wunder, dass sich mögliche weitere Kandidaten abschrecken ließen und im zweiten Halbjahr trotz der guten Börsenstimmung nichts mehr passierte. Die Pleite von Constantia Ende November gab nun offensichtlich den letzten Interessenten in Deutschland den Rest. Bis Ende des Jahres ist kein Börsengang mehr zu erwarten.
Und wie sieht es im nächsten Jahr aus? „Wir erwarten für Deutschland keine grundsätzlich Trendwende“, sagt Alexander Doll, Co-Chef von Barclays Deutschland – obwohl einige Unternehmen und Finanzinvestoren über Börsengänge oder Abspaltungen von Töchtern nachdächten. Société-Générale-Experte Darbe rechnet in Deutschland mit fünf bis sechs größeren Börsengängen und einigen kleineren. Für ganz Europa erwartet er eine Verdoppelung des Volumens auf bis zu 45 Milliarden Euro. In Deutschland dagegen wird es wohl auch 2014 wieder heißen: Same procedure as every year.
Trotz des guten Aktiensjahres trauten sich 2013 nur wenige deutsche Unternehmen an die Börse.
Mindestens 450 Millionen Euro wollte der Eigentümer einnehmen, der Finanzinvestor One Equity Partners. Es sollte der zweitgrößte deutsche Börsengang in diesem Jahr werden, doch es wurde der größte Reinfall. Das passt zum missglückten Jahr 2013. Lediglich sechs Unternehmen wagten den Schritt aufs Parkett, so wenige wie seit dem Krisenjahr 2009 nicht. Und das, obwohl die Börse boomte und der Deutsche Aktienindex (Dax) um fast 20 Prozent zulegte.
In der Vergangenheit existierte stets ein eindeutiger Zusammenhang: War die Stimmung an der Börse gut, dann rief das auch Unternehmen auf den Plan, die ihre Aktien unters Volk bringen wollten. So war das auf dem Höhepunkt des Internet-Booms Ende des vergangenen Jahrtausends: Im Jahr 1999 gab es 146 Börsengänge, so viele wie niemals zuvor und auch nachher nicht wieder. Auch in den guten Börsen-Jahren vor Ausbruch der Finanzkrise – 2006 und 2007 – wagten sich immerhin noch 47 und 43 Firmen aufs Parkett.
Doch nun gibt es diesen Zusammenhang zumindest in Deutschland nicht mehr. Die Enttäuschung bei den Profis ist groß. „Die sechs Börsengänge liegen sicher unter dem, was man sich erwartet hatte“, sagt Jens Voss, der bei der Commerzbank das Aktiengeschäft leitet. Besonders in der zweiten Jahreshälfte sei die Entwicklung in Deutschland und in anderen Ländern Europas stark auseinander gelaufen. Nach Juni gab es hierzulande keinen einzigen größeren Börsengang mehr, während rundherum das Geschäft brummte: In England wagten mit großem Erfolg die Royal Mail und der Unterhaltungskonzern Merlin den Schritt auf das Parkett, in Frankreich der Kabelnetzbetreiber Numericable.
24 Milliarden Euro sammelten europäische Unternehmen in diesem Jahr an der Börse ein, fast dreimal so viel wie im Vorjahr. Aber nur ein Zehntel davon stammt aus der mit Abstand größten Volkswirtschaft, aus Deutschland. Auch weltweit legte die Zahl der Börsengänge 2013 deutlich zu, von 837 im Vorjahr auf 864 – und das, obwohl es in China in der ersten Jahreshälfte eine Zwangspause gegeben hatte, weil der Markt vorher überhitzt war und die Börsenaufsicht erst neue Regeln aufstellen musste.
Woran liegt es, dass deutsche Unternehmen nicht mehr an die Börse gehen? Ist es möglicherweise ein Krisensymptom? Schließlich gilt es gemeinhin als Zeichen einer intakten Wirtschaftskultur, wenn Eigentümer ihre Firmen an die Börse bringen und damit auf Interesse von professionellen und privaten Investoren stoßen. Experten sehen in der Börsen-Unlust deutscher Firmen nicht unbedingt ein Alarmzeichen. „Der Druck, an die Börse zu gehen, ist in Deutschland nicht so groß wie in anderen Ländern“, sagt Ralf Darpe, Vizechef für Deutschland bei der französischen Großbank Société Générale. Die traditionelle Form der Unternehmensfinanzierung über Kredite und Anleihen funktioniere noch sehr gut. Deshalb seien die wenigen Börsengänge 2013 nicht von Finanzierungsnot getrieben worden, sondern von Finanzinvestoren: Beim Gabelstaplerhersteller Kion, beim Chemiekonzern Evonik, bei den Immobilienkonzernen LEG und Deutsche Annington waren jeweils Firmenjäger im Spiel, die sich über die Börse von ihrer Beteiligung trennen wollten. Hinzu kamen zwei kleinere Börsengänge des 3D-Druckerunternehmens Voxeljet und des Buchverlags Bastei Lübbe.
Der Bedarf, sich über die Börse Geld zu beschaffen, ist in Deutschland gering. „Die meisten Unternehmen sind über Jahre solide durchfinanziert“, sagt Commerzbanker Voss. Sie hätten es derzeit sehr leicht, im großen Stil und zu günstigen Konditionen an Geld heranzukommen. Und das Geld wird in Europa auch auf absehbare Zeit billig bleiben.
In diesem Umfeld sehen viele nicht die Notwendigkeit, sich den Aktienmarkt zu erschließen. Zumal ein Börsengang aufwendig ist. „Die Vorbereitungen für die Rechnungslegung und die Pflege der Investoren nehmen schnell ein Jahr in Anspruch“, sagt Voss. Warum sollten langjährige Eigentümer also einen Teil der Kontrolle über das Unternehmen aufgeben, wenn sie es nicht zwingend müssen?
Pech war in diesem Jahr auch dabei. Kion und Deutsche Annington kamen im Juni an die Börse, dem einzigen Monat, in dem die Stimmung kritisch war, weil die US-Notenbank Fed das Ende der Geldschwemme in Aussicht gestellt hatte. Entsprechen gering war Nachfrage der Investoren: Kion startete schwach, Annington musste den Börsengang sogar abbrechen und den Preis herabsetzen. Zuvor war schon bei der Siemens-Tochter Osram ein klassischer Börsengang gescheitert, auch bei Evonik hakte es.
„In Einzelsituationen gab es Probleme, und zwar nicht, weil Investoren kein grundsätzliches Interesse gehabt hätten, sondern weil unterschiedliche Preisvorstellungen zwischen Verkäufern und Investoren bestanden“, sagt Voss von der Commerzbank. Manchmal wäre bei Volumen und Preis weniger mehr gewesen, gerade in dem unsicheren gesamtwirtschaftlichen Umfeld der letzten Jahre.
Da es bei den wenigen deutsche Börsengängen holperte, war es kein Wunder, dass sich mögliche weitere Kandidaten abschrecken ließen und im zweiten Halbjahr trotz der guten Börsenstimmung nichts mehr passierte. Die Pleite von Constantia Ende November gab nun offensichtlich den letzten Interessenten in Deutschland den Rest. Bis Ende des Jahres ist kein Börsengang mehr zu erwarten.
Und wie sieht es im nächsten Jahr aus? „Wir erwarten für Deutschland keine grundsätzlich Trendwende“, sagt Alexander Doll, Co-Chef von Barclays Deutschland – obwohl einige Unternehmen und Finanzinvestoren über Börsengänge oder Abspaltungen von Töchtern nachdächten. Société-Générale-Experte Darbe rechnet in Deutschland mit fünf bis sechs größeren Börsengängen und einigen kleineren. Für ganz Europa erwartet er eine Verdoppelung des Volumens auf bis zu 45 Milliarden Euro. In Deutschland dagegen wird es wohl auch 2014 wieder heißen: Same procedure as every year.