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Die Scheinheiligen

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Sozial Benachteiligten helfen, dafür aber Gewinne einstreichen. Ist das moralisch verwerflich?

Das Leben genießen und gleichzeitig die Welt verbessern, wäre das nicht großartig? Bier trinken und die Umwelt schützen zum Beispiel. Was spricht denn schon dagegen, sich einen Kasten Bier von einer Brauerei zu kaufen, die einen Teil des Erlöses zum Schutz des Regenwaldes weiterreicht? Ein Feierabendbier für den guten Zweck, da ist doch allen geholfen, dem Biertrinker, der Brauerei, dem Regenwald. Und was ist verwerflich daran, bei einer riesigen Bekleidungskette ein paar schöne und günstige Stücke zu erwerben, wenn die Firma die Hälfte des erzielten Gewinnens für soziale Zwecke investiert? Auch von diesem Arrangement profitieren alle Beteiligten.

Doch so einfach ist die Sache nicht, denn unter gewissen Umständen provozieren derartige Angebote heftige Ablehnung. Dann ist die Rede von moralischem Ablasshandel, von Augenwischerei oder von perfiden Versuchen der Firmen, sich zum Schein von Verfehlungen reinzuwaschen.

Menschen urteilen gnadenlos. Wer eine gute Tat vollbringt und gleichzeitig selbst davon profitiert, steht manchmal ziemlich schlecht da. Schlechter zum Beispiel als jemand, der nur aus Eigennutz handelt und niemandem etwas Gutes tut. An Helfer stellen Menschen die höchsten Ansprüche, sie haben Heilige ohne Fehl und Tadel zu sein. Spielt aber Eigennutz eine Rolle, entwertet das die sonst unbestreitbar positiven Konsequenzen einer Handlung. „Besudelter Altruismus“ taufen George Newman und Daylian Cain von der Yale University diesen Umstand, den sie im Fachblatt Psychological Science (online) beschreiben.

Die Wissenschaftler beobachteten den Effekt in mehreren Versuchen, in denen sie ihre Probanden jeweils verschiedene Szenarien bewerten ließen. Zum Beispiel dieses: Ein Mann hat sich in eine Frau verliebt. Um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, leistet er einige Stunden freiwillige Hilfe an ihrer Arbeitsstätte. In einer Version arbeitet die Angebetete in einem Café, in der anderen in einem Obdachlosenheim. Die Psychologen betonten in beiden Fällen, dass der Mann aus eigennützigen Motiven handelte, er wollte die Aufmerksamkeit der Frau gewinnen. Die Probanden in der Studie von Newman und Cain urteilten unerbittlich: In einem Obdachlosenheim zu helfen, um sich an eine Frau ranzuwanzen, sei verwerflich und auf jeden Fall moralisch fragwürdiger, als in gleicher Absicht ohne Lohn in einem Café zu arbeiten. Dass in einem Fall Obdachlose vom Werben des verliebten Mannes profitieren und in dem anderen nicht? Geschenkt, das ignorierten die Probanden.

Sind das womöglich nur abstrakte Studien, die fern dem Leben an irgendwelchen Universitäten virtuelle Welten erkunden? Der Einwand liegt auf der Hand, greift in diesem Fall aber nicht: Die Forscher ließen auch reale Szenarien bewerten. In den USA geriet zum Beispiel vor einigen Jahren ein Mann namens Daniel Pallotta ins Fadenkreuz der öffentlichen Empörung. Pallotta organisierte Wohltätigkeitsveranstaltungen. Bei diesen Ereignissen wurde zum Beispiel Geld für die Erforschung von Aids und anderen Krankheiten sowie für die Entwicklung neuer Brustkrebstherapien gesammelt. Auch andere soziale Initiativen wurden unterstützt. Binnen neun Jahren beschaffte Daniel Pallotta auf diese Weise 305 Millionen Dollar für gute Zwecke. Als sich jedoch die Aufmerksamkeit darauf richtete, dass Pallottas Firma profitorientiert arbeitete und er selbst ein Jahresgehalt von 400000 Dollar bezog, entlud sich ein Sturm der Entrüstung. Die Firma ging pleite, und viele der wohltätigen Organisationen, für die Pallotta gearbeitet hatte, mussten in der Folge ihre Budgets erheblich kürzen.

Von wegen Win-win-Situation: „Menschen verurteilen schon den Versuch, von wohltätigen Aktionen zu profitieren“, schreiben Newman und Cain. Logisch betrachtet ist das absurd. Doch als die Probanden der Psychologen Szenarien bewerteten, die dem Handeln von Daniel Pallotta nachempfunden waren, äußerte die Mehrheit moralische Entrüstung. Vor die Wahl gestellt, befürworteten viele lieber eine kleinere Spendensumme, wenn nur die Belohnung einer Figur wie dem Charity-Organisator Pallotta geringer ausfiel.

Aber warum? Mehr Geld für einen guten Zweck ermöglicht doch mehr Hilfe, egal wer sonst profitiert? Der Effekt ergebe sich aus den Vorstellungen, die bei Menschen aktiviert werden, argumentieren die Psychologen. Wer ein rein eigennütziges Ziel verfolgt, lenkt die Aufmerksamkeit gar nicht erst darauf, dass er auch Gutes tun könnte. Wer aber aus Eigennutz Hilfe leistet, aktiviere bei Beobachtern die Frage, ob er auch ohne persönliche Motive geholfen hätte, so die Psychologen. Und die meisten Menschen haben daran ernste Zweifel. Wenn also eine Firma 100 Prozent ihres Gewinnes einstreicht, findet niemand etwas daran. Spendet sie aber die Hälfte des Profits, dann könnte das die Frage provozieren, warum sie die anderen 50 Prozent behält. Ist die Firma gierig? Will sie sich reinwaschen? Menschen urteilen ungnädig, und Hilfe aus falschen Motiven ist unerwünscht.

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