Ein Abend in Schöneberg, der Wind pfeift ungemütlich über den Nollendorfplatz, aber innen im Foyer des ehemaligen Metropol-Theaters hat sich jemand richtig Mühe gegeben. Weiße Streublüten sind über den Holztresen verteilt, auf goldenen Luftballons steht „Ever lasting love since 2004“, und an der Treppe warten die ersten Gäste darauf, hineingelassen zu werden. Ein mitteljunges Paar in Schwarz, er trägt feines Tuch und neonblaue Laufschuhe, sie die Schnürsenkel ihrer Boots offen, betrachtet das Geburtstagsarrangement und schweigt erstmal. Dann sagt er: „Ich find’s gerade nicht so wow.“ Dann geben sie ihre Mäntel ab und gehen nach oben zur Show von Kaviar Gauche. Welche natürlich, das kann im Jubiläumsjahr des erfolgreichen Labels nicht anders sein, gefeiert wird.
Es ist wieder Fashionweek in Berlin, die Stadt ist satt, überfüllt und jeder in Eile. Vom belagerten Hauptquartier am Brandenburger Tor schwärmt die Schar der Modemacher, Stylisten, Berichterstatter stoßweise aus zu den „Offsite“-Schauen. Renommierte Marken wie ehrgeizige Talente zeigen die Entwürfe für Herbst 2014 nicht einfach im Zelt an der Straße des 17.Juni, sondern an speziellen Plätzen. Diesmal kamen zu Ehren: eine Eisenwarenhandlung und ein Stummfilmkino, der Glaskuppel-Salon des Hotel de Rome gehört zum Repertoire, neu waren Theatersäle verschiedener Epochen. Mehr als 50 Schauen bei der Mercedes Benz Fashion Week: Wer den ehrgeizigen Plan nur annähernder Vollständigkeit ins Auge fasst, schaltet unweigerlich auf Grobscan-Modus. Hinkommen, Location checken, Mode sehen, weiter.
Das schafft einen seltsamen Mix aus Sättigung und Euphorie. Irgendwann kommt es jedem im Publikum so vor, als hätte er die abgefahrenste Fabrikhalle, die schönste Art Deco-Bühne schon ermüdend oft gesehen. Das ist insofern bemerkenswert, als Berlin ja stolz ist auf Authentizität in der Party- und Eventszene, die wohl immer schon ein Trugbild war. Nicht so protzig aufgeföhnt wie Düsseldorf, nicht so routiniert wie München – Berliner Luft eben, aber bei der Fashionweek regiert der schnelle Konsum. Sensationell und „nicht so wow“ liegen nahe beieinander.
Bei allem Aufwand um Orte und neuerdings begehrte Livebands – das Zentrum der Schauen bleiben die Kollektionen. Und da gab es einen Wettkampf zu sehen, der angeblich keiner war. Nicht nur Kaviar Gauche, die Marke von Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl, feierte Zehnjähriges, auch Lala Berlin wurde 2004 gegründet. Konkurrenz? Davon will keiner etwas wissen. „Ist doch toll, beide stehen für Berlin“, sagt strahlend Schauspielerin Bettina Zimmermann, und Heike Makatsch ist ganz diplomatisch Gast beider Präsentationen im jeweils angepassten Outfit.
Kaviar Gauche ließ sich für elegant fließende Schwarz-Weiß-Modelle mit Einsprengseln in Koralle bejubeln. In freizügige Blusen verwandelte Smoking-Elemente, Hüte, Federkleider: eine Edel-Hippie-Kollektion, passend inszeniert unter Murano-Lüstern zu schwermütiger Rockmusik. Auch Lala Berlin macht sich immer feiner, und vielleicht war der Applaus im lichten Palazzo Italia noch etwas stürmischer – schließlich hatte Leyla Piedayesh mal mit Schals angefangen. Sie zeigte bodenlange Wollmäntel, schmale Kleider mit Blockstreifen aus Spitze, Strick und Seide in Dunkelblau oder Orange mit gewohnt sicherem Blick für effektvolle Muster. Zwei starke Auftritte, und solange diese Aushängemarken Gäste und Einkäufer begeistern, muss den Machern der Modemesse wohl nicht bang sein. Dass Esther Perbandt mit ihrem androgynen Minimalismus eine dritte, ganz andere Zehn-Jahre-Schau aufzog, dürfte wiederum denen gefallen haben, die in den arrivierten Geburtstagskindern kaum noch die jungen Wilden erkennen.
Trotz dieser doppelten Selbstversicherung, als Experimentierfeld und Modestandort: Natürlich bleibt es beim großen Branchentreff ein Thema, dass die Fashionweek international klangvolle Namen wie Boss und Escada verloren hat. Dass Nachwuchsmarken wie Mongrels in Common von verschwanden und weitere Designer wie das italienische Label Dimitri abwandern. Der Designer Dimitrios Panagiotopoulos brachte als Publikumsliebling tragbare Luxusmode mit globalem Anspruch nach Berlin – ein Feld, das nun das Mannheimer Label Schumacher als Spezialist für Klasse und Stil fast alleine bespielt, wenn man von den deutlich gediegeneren Entwürfen der Häuser Laurèl, Marc Cain oder Blacky Dress absieht.
Dorothee Schumacher, europaweit auf Expansionskurs, erlaubte sich auch in der Kollektion für Herbst/Winter 2014 keinen Ausrutscher. Ihre Show ist ein Magnet für die Prominenz – und der nette Herr am Laufstegrand im Großeinsatz: Als eine Art Runway-Zerberus , allerdings der sanften Sorte, muss der Mann im dunklen Anzug bei zu großer Verspätung den Teppich freiräumen und schnatternde Schauspielerinnen auf ihre Plätze treiben. „Gut jetzt!“ ruft er dann und klatscht in die Hände. Schumacher nutzte die Bühne für ungewohnt rau Kantiges wie Oversize-Jacken in Blau und olivfarbenem Craquelé-Lack oder die Gegensätze von weichem Strick und mehrlagigem Tüll. Manche Mannequins trugen sogar flache Schuhe, eine Rarität bei Schumacher als Tribut an veredelten Grunge.
Berlin ist die erste Station im Modemarathon zum Jahresauftakt und wird gern als Trendbarometer gesehen. Solche Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen, aber bei den Farben können sich Frauen im kommenden Herbst demnach auf eine gedeckte Palette einstellen. Gedämpfte Grüntöne, Burgunder und Schwarz samt jeder Schattierung von Grau, die Dawid Tomaszewksi in einer als Herbstblätter-Landschaft inszenierten Schau virtuos zeigte, mit strengen Military-Mänteln oder einem Twinset aus Tüll, Wolle und Kristallsteinen.
Die Modeblogger schicken nach den Präsentationen hastig Prognosen um die Welt, in der Lobby des Zelts, wo jeder Reporter mit Stift auffällt unter den Nutzern papierflacher Geräte („Interessant, Sie schreiben mit der Hand, für wen arbeiten Sie?“). Als eine Haupttendenz für die Saison 2014/15 wurde Leder ausgemacht: Kaum ein Designer, der in Berlin nicht mindestens ein Stück aus dem Naturmaterial zeigte. Ob als weich fallender Rock wie in der schönen Auftaktshow von Hien Le, oder sperriger verarbeitet bei Achtland und Kilian Kerner. Das Duo Augustin Teboul mixte die Haut mit Netz-Geweben, Malaika Raiss, neuer Liebling der Berliner Szene, setzte auf Färbungen in Pastell und Metallic.
Ein echter Hype, da mag Stella McCartney noch so für biologisch abbaubare Imitate plädieren. Wie passend, dass das Leder auch einige der geförderten Jungdesigner in Christiane Arps „Vogue Salon“ beschäftigt. Und dass ein schwarzes Ledertop prompt auf dem Titel der neuen Harper’s Bazaar prangt. Den Berliner Ableger des US-Magazins feierte der Burda-Verlag mit einer sehr langen Partynacht im Grill Royal. Chefredakteurin Margit J. Mayer durchschritt mit Grandezza das Gedränge und ließ wissen, wie sehr sie Diana Vreeland bewundere. Die legendär exzentrische Bazaar-Modechefin der 50er Jahre sei „ völlig verrückt, aber super, super smart“ gewesen. Und, ergänzt Mayer, „ein Medium“. Schwingungen zu erspüren, Stimmungen, die in der Luft liegen, ist wichtig für die Mode. In ganz seltenen Berliner Momenten geschieht genau das.
Es ist wieder Fashionweek in Berlin, die Stadt ist satt, überfüllt und jeder in Eile. Vom belagerten Hauptquartier am Brandenburger Tor schwärmt die Schar der Modemacher, Stylisten, Berichterstatter stoßweise aus zu den „Offsite“-Schauen. Renommierte Marken wie ehrgeizige Talente zeigen die Entwürfe für Herbst 2014 nicht einfach im Zelt an der Straße des 17.Juni, sondern an speziellen Plätzen. Diesmal kamen zu Ehren: eine Eisenwarenhandlung und ein Stummfilmkino, der Glaskuppel-Salon des Hotel de Rome gehört zum Repertoire, neu waren Theatersäle verschiedener Epochen. Mehr als 50 Schauen bei der Mercedes Benz Fashion Week: Wer den ehrgeizigen Plan nur annähernder Vollständigkeit ins Auge fasst, schaltet unweigerlich auf Grobscan-Modus. Hinkommen, Location checken, Mode sehen, weiter.
Das schafft einen seltsamen Mix aus Sättigung und Euphorie. Irgendwann kommt es jedem im Publikum so vor, als hätte er die abgefahrenste Fabrikhalle, die schönste Art Deco-Bühne schon ermüdend oft gesehen. Das ist insofern bemerkenswert, als Berlin ja stolz ist auf Authentizität in der Party- und Eventszene, die wohl immer schon ein Trugbild war. Nicht so protzig aufgeföhnt wie Düsseldorf, nicht so routiniert wie München – Berliner Luft eben, aber bei der Fashionweek regiert der schnelle Konsum. Sensationell und „nicht so wow“ liegen nahe beieinander.
Bei allem Aufwand um Orte und neuerdings begehrte Livebands – das Zentrum der Schauen bleiben die Kollektionen. Und da gab es einen Wettkampf zu sehen, der angeblich keiner war. Nicht nur Kaviar Gauche, die Marke von Alexandra Fischer-Roehler und Johanna Kühl, feierte Zehnjähriges, auch Lala Berlin wurde 2004 gegründet. Konkurrenz? Davon will keiner etwas wissen. „Ist doch toll, beide stehen für Berlin“, sagt strahlend Schauspielerin Bettina Zimmermann, und Heike Makatsch ist ganz diplomatisch Gast beider Präsentationen im jeweils angepassten Outfit.
Kaviar Gauche ließ sich für elegant fließende Schwarz-Weiß-Modelle mit Einsprengseln in Koralle bejubeln. In freizügige Blusen verwandelte Smoking-Elemente, Hüte, Federkleider: eine Edel-Hippie-Kollektion, passend inszeniert unter Murano-Lüstern zu schwermütiger Rockmusik. Auch Lala Berlin macht sich immer feiner, und vielleicht war der Applaus im lichten Palazzo Italia noch etwas stürmischer – schließlich hatte Leyla Piedayesh mal mit Schals angefangen. Sie zeigte bodenlange Wollmäntel, schmale Kleider mit Blockstreifen aus Spitze, Strick und Seide in Dunkelblau oder Orange mit gewohnt sicherem Blick für effektvolle Muster. Zwei starke Auftritte, und solange diese Aushängemarken Gäste und Einkäufer begeistern, muss den Machern der Modemesse wohl nicht bang sein. Dass Esther Perbandt mit ihrem androgynen Minimalismus eine dritte, ganz andere Zehn-Jahre-Schau aufzog, dürfte wiederum denen gefallen haben, die in den arrivierten Geburtstagskindern kaum noch die jungen Wilden erkennen.
Trotz dieser doppelten Selbstversicherung, als Experimentierfeld und Modestandort: Natürlich bleibt es beim großen Branchentreff ein Thema, dass die Fashionweek international klangvolle Namen wie Boss und Escada verloren hat. Dass Nachwuchsmarken wie Mongrels in Common von verschwanden und weitere Designer wie das italienische Label Dimitri abwandern. Der Designer Dimitrios Panagiotopoulos brachte als Publikumsliebling tragbare Luxusmode mit globalem Anspruch nach Berlin – ein Feld, das nun das Mannheimer Label Schumacher als Spezialist für Klasse und Stil fast alleine bespielt, wenn man von den deutlich gediegeneren Entwürfen der Häuser Laurèl, Marc Cain oder Blacky Dress absieht.
Dorothee Schumacher, europaweit auf Expansionskurs, erlaubte sich auch in der Kollektion für Herbst/Winter 2014 keinen Ausrutscher. Ihre Show ist ein Magnet für die Prominenz – und der nette Herr am Laufstegrand im Großeinsatz: Als eine Art Runway-Zerberus , allerdings der sanften Sorte, muss der Mann im dunklen Anzug bei zu großer Verspätung den Teppich freiräumen und schnatternde Schauspielerinnen auf ihre Plätze treiben. „Gut jetzt!“ ruft er dann und klatscht in die Hände. Schumacher nutzte die Bühne für ungewohnt rau Kantiges wie Oversize-Jacken in Blau und olivfarbenem Craquelé-Lack oder die Gegensätze von weichem Strick und mehrlagigem Tüll. Manche Mannequins trugen sogar flache Schuhe, eine Rarität bei Schumacher als Tribut an veredelten Grunge.
Berlin ist die erste Station im Modemarathon zum Jahresauftakt und wird gern als Trendbarometer gesehen. Solche Vorhersagen sind mit Vorsicht zu genießen, aber bei den Farben können sich Frauen im kommenden Herbst demnach auf eine gedeckte Palette einstellen. Gedämpfte Grüntöne, Burgunder und Schwarz samt jeder Schattierung von Grau, die Dawid Tomaszewksi in einer als Herbstblätter-Landschaft inszenierten Schau virtuos zeigte, mit strengen Military-Mänteln oder einem Twinset aus Tüll, Wolle und Kristallsteinen.
Die Modeblogger schicken nach den Präsentationen hastig Prognosen um die Welt, in der Lobby des Zelts, wo jeder Reporter mit Stift auffällt unter den Nutzern papierflacher Geräte („Interessant, Sie schreiben mit der Hand, für wen arbeiten Sie?“). Als eine Haupttendenz für die Saison 2014/15 wurde Leder ausgemacht: Kaum ein Designer, der in Berlin nicht mindestens ein Stück aus dem Naturmaterial zeigte. Ob als weich fallender Rock wie in der schönen Auftaktshow von Hien Le, oder sperriger verarbeitet bei Achtland und Kilian Kerner. Das Duo Augustin Teboul mixte die Haut mit Netz-Geweben, Malaika Raiss, neuer Liebling der Berliner Szene, setzte auf Färbungen in Pastell und Metallic.
Ein echter Hype, da mag Stella McCartney noch so für biologisch abbaubare Imitate plädieren. Wie passend, dass das Leder auch einige der geförderten Jungdesigner in Christiane Arps „Vogue Salon“ beschäftigt. Und dass ein schwarzes Ledertop prompt auf dem Titel der neuen Harper’s Bazaar prangt. Den Berliner Ableger des US-Magazins feierte der Burda-Verlag mit einer sehr langen Partynacht im Grill Royal. Chefredakteurin Margit J. Mayer durchschritt mit Grandezza das Gedränge und ließ wissen, wie sehr sie Diana Vreeland bewundere. Die legendär exzentrische Bazaar-Modechefin der 50er Jahre sei „ völlig verrückt, aber super, super smart“ gewesen. Und, ergänzt Mayer, „ein Medium“. Schwingungen zu erspüren, Stimmungen, die in der Luft liegen, ist wichtig für die Mode. In ganz seltenen Berliner Momenten geschieht genau das.