Statt zentrale Server zu nutzen, bilden sich in immer mehr Städten lokale Netzwerke.
Der Abgesang kommt von bemerkenswert unterschiedlichen Stellen. Menschen, deren Zukunftsoptimismus unerschütterlich schien, schütteln verbittert die Fäuste. In Berlin tagte am Wochenende ein Teil der Netz-Elite und diagnostizierte einen „Einbruch der Dunkelheit“. Auf der Suche nach Möglichkeiten der Emanzipation der Nutzer kam man wieder einmal auf das Tor-Netzwerk zu sprechen. Das wird aber oft zum Drogen-Verticken benutzt und ist ebenfalls kein Instrument herrschaftsfreier Kommunikation. Amerikanische und russische Geheimdienste sitzen auch hier auf den Knotenpunkten und protokollieren die Verbindungen.
Derweil gründete sich während des Weltwirtschaftsforums eine von höchsten Stellen abgesegnete Arbeitsgruppe zur Rettung des Internets. Und nachdem ein amerikanisches Gericht in einem Grundsatzurteil Mitte Januar die Netzneutralität faktisch gekippt hat, reden auch vermehrt Unternehmen mit, die traditionsgemäß nicht zu den größten Verteidigern eines unkontrollierten Internet gehören. Etwa die Video-Dienste Youtube und Netflix, die um ihr Geschäft fürchten, wenn Internet-Service-Provider den Transport großer Datenmengen sanktionieren können. Schon bald werden die Datenströme wohl nicht nur überwacht, sondern auch kontrolliert und eingeschränkt.
Hoffnung macht da eine Nachricht aus dem amerikanischen Städtchen Burlington. Hier schafft man sich mal eben ein eigenes Internet. Die sogenannte Civic Cloud wird im Ort selbst betrieben, die komplette Infrastruktur von den Servern bis zu den Kabeln gehört den knapp 40 000 Einwohnern. Als kleiner Bonus ist das Burlington-Netz dank seiner Glasfasern etwa hundert mal schneller als das Internet im nationalen Durchschnitt. Beispiele für solche lokale, verteilte, sogenannte Mesh-Netzwerke gibt es viele. Das RedHook-Wifi in Brooklyn etwa, und auch die deutsche Freifunk-Initiative, die in jeder größeren Stadt ein freies Netz betreibt. Selbst im afghanischen Dschalalabad existiert ein Mesh-Netzwerk, ihre Sender-Stationen basteln die Betreiber aus Schrottteilen. Die Vorteile sind immens. Anders, als im Web, dessen Daten über große Verteilerstationen wie den Frankfurter DE-CIX geleitet und dort abgehört werden, müsste man, um Kontrolle über ein Mesh-Netzwerk zu erlangen, jeden einzelnen Knoten kontrollieren. Das Netz kann sich leicht an unterschiedliche Datenaufkommen anpassen. Und umsonst ist es auch.
Ein anderes Internet ist also möglich. Die zu überwindende Hürde ist das Verlassen der eigenen Komfortzone – es ist eben etwas anstrengend, die Couch zu verlassen und einen eigenen Knoten auf dem Balkon oder dem Dachfirst zu installieren. Dafür winkt aber eine immense Belohnung. Der Nutzer wird vom bloßen Empfänger zum Sender.