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Tochterrolle

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Sie ist ganz in Schwarz gekleidet, selbst die Fingernägel sind schwarz lackiert. Es ist eine Frau in Trauer, die einem an diesem Wintertag im Berliner Hotel Waldorf Astoria entgegentritt. Ihr Vater ist im Dezember gestorben, Zindzi Mandela, die Tochter Nelson Mandelas, nennt ihn „Dad“. Sie scrollt durch ihr Handy, um Familienfotos zu zeigen. Man sieht Vater und Tochter, einmal stehen sie gemeinsam vor dem Brandenburger Tor. Bei einem Staatsbesuch war das, erzählt Zindzi Mandela, sieben Jahre nach dem Fall der Mauer, und ihr Dad, der Freiheitskämpfer, habe gesagt: „Das ist symbolisch, dass wir da jetzt durchgehen.“

Zindzi Mandela spricht Englisch, man meint dasselbe rollende „R“ zu erkennen, für das ihr Vater berühmt wurde. Sie ist die jüngere von zwei Töchtern, die Mandela mit seiner Ehefrau Winnie hatte. 1960 geboren, war sie vier, als ihr Vater für 26 Jahre ins Gefängnis kam. Sie sagt, ihre einschneidendste Kindheitserinnerung sei, „wie die Leute reagierten, wenn sie meinen Namen hörten“. Ob sie Bewunderung äußerten oder voller Hass waren – der Name habe jedenfalls immer etwas ausgelöst.



Zindzi Mandela, Tochter des verstorbenen ehemaligen Präsidenten von Südafrika, bei der Deutschlandpremiere des Kinofilms über ihren Vater in Berlin.

Dienstagnachmittag, in einem Konferenzzimmer im zweiten Stock des Waldorf Astoria. Zindzi Mandela sucht sich einen Sessel in der Ecke, als fürchte sie, den viel zu großen Raum nicht ausfüllen zu können. Sie blickt aus dem Fenster ins Berliner Schneetreiben. Gegenüber liegt das Kino „Zoopalast“, wo gerade die Absperrungen rund um den roten Teppich aufgebaut werden. Die letzten Vorbereitungen für die Premiere des Films „Mandela – Der lange Weg zur Freiheit“, der auf Nelson Mandelas gleichnamiger Autobiografie beruht.Die Tochter ist zum Filmstart aus Johannesburg angereist.

Wie ist es, eine Ikone als Vater zu haben? Nelson Mandela sei ein Mensch gewesen, „kein messianischer Charakter“, sagt Zindzi Mandela. Sie ist ohne ihn aufgewachsen, die erste Erinnerung an ihn ist, dass sie mit ihrer Schwester im Auto warten musste, während ihm die Mutter Essen auf die Polizeistation brachte. Nicht einmal in der Pubertät habe sie Gelegenheit gehabt, den abwesenden Vater zu idealisieren. Wenn von Nelson Mandela die Rede war, hieß es: dieser Terrorist, sie sollten ihn hängen. „Ich hatte nie die Möglichkeit, mich im Kunstunterricht dem Tagtraum hinzugeben, dass er eines Tages als Held wiederkommt und mich rettet“. Denn Zindzi Mandelas Jugend – das war Apartheid, das waren Repression und Gewalt, das war die Polizei, die immer dann die Mutter verhaftete, wenn die Töchter aus dem Internat wiederkamen.

Zindzi Mandela wurde mit Verwandten und ANC-Kameraden des Vaters groß. In einem Alter, in dem andere Mädchen ihren ersten Freund hatten, lernte sie, wie man eine Kalaschnikow bedient, und ließ sich auf dem Land heimlich zur Kämpferin ausbilden. Mit 15 hat sie den Vater endlich wiedergesehen – bei einem Gefängnisbesuch. Sie habe geweint vor Aufregung, und er habe gesagt, sie solle sich einfach vorstellen, sie sitze mit ihm zu Hause am Kamin.

Zindzi Mandelas Stimme wird weich, als sie das erzählt. Überhaupt gehe es ihr darum, die Erinnerung an die „Selbstlosigkeit und Bescheidenheit“ des Vaters wachzuhalten. Dass er sich als „Teil eines Kollektivs“ verstanden habe, immer an andere gedacht habe. Als er einmal auf Besuch in den USA war zum Beispiel, und eine Frau vor Aufregung kollabierte. Er sei den ganzen Abend still gewesen, und irgendwann habe er gesagt: „Ich denke an die Frau, was wohl mit ihr los war.“

Zindzi Mandela spricht schnell und gestikuliert viel. Oft wird sie energisch, sagt, sie wolle etwas richtigstellen. Über ihre Mutter Winnie etwa, von der Nelson Mandela sich 1992 trennte. Winnie Mandela sei mehr gewesen als die verrufene Kämpferin, als die sie dargestellt werde, nämlich „Sozialarbeiterin, Mutter, Ernährerin“. „Sie war es, die den Namen meines Vaters vor dem Vergessen bewahrt hat.“

Überhaupt der Platz in der Geschichte.864 Seiten hat Mandelas Autobiografie, Tochter Zindzi kommt an zwei, drei Stellen ausführlicher vor. Einmal verlas sie als junge Frau in einem Stadion in Soweto einen Brief ihres Vaters. Darin lehnte er es ab, zu den Bedingungen des Apartheid-Regimes aus dem Gefängnis entlassen zu werden. Zindzi Mandela erinnert sich an einen „bittersüßen Moment“. „Einerseits war ich stolz auf ihn. Dass er seine Integrität wahrte. Andererseits war mein Herz gebrochen. Ich wollte ja, dass er nach Hause kommt.“

In den Büchern oder Filmen über ihren Vater sei immer die Rede davon, was er aushalten musste, um sich zum verzeihenden Staatsmann zu entwickeln, der mit dem Friedensnobelpreis geehrt wurde, sagt Zindzi Mandela. „Aber das ganze Bild hat man nur, wenn man auch von den Entbehrungen seines Umfelds erzählt.“ Deswegen sei sie hier, und deswegen habe sie die Produzenten des Films über ihren Vater beraten. Sie hat sich mit dem Regisseur und den Schauspielern getroffen, hat von sich und ihrer Jugend erzählt. Um die Leerstellen in der Geschichte Mandelas zu füllen. „Er darf nicht nur eine Ikone sein, ein einzelner Stamm ohne Blätter. Er ist ein Baum mit Ästen und Verzweigungen, er hatte Familie, Kinder, eine Gemeinschaft“, sagt Zindzi Mandela.

Sie hat selbst vier Kinder, drei von ihnen studieren in den USA. Wie nimmt sie Südafrikas Jugend wahr, von der oft als „Generation Mandela“ die Rede ist? Es sei eine unpolitische Generation, mit einer eigenen Identität, wie in so vielen Ländern, in denen eine Revolution stattgefunden habe, sagt Zindzi Mandela. Das sei nichts Schlechtes, aber „man muss die Erinnerung lebendig erhalten“. Oft passiere es Freundinnen, dass die Kinder aus der Schule kommen und fragen: „Ma, ich habe gehört, du warst eingesperrt, wie kam es eigentlich dazu?“

Und wie sieht sie die Zukunft ihres Landes? Zindzi Mandela sagt, sie sei hoffnungsvoll. „Sicher, wir haben Probleme, vor allem die Regierung. Aber das, was wir jetzt haben, ist immer noch besser als alles, was früher war. “

Zindzi Mandela guckt aus dem Fenster, hinüber zum Kino. In wenigen Stunden wird sie in einem schwarzen Kleid über den roten Teppich laufen, Hände schütteln, sich fotografieren lassen. So wie sie es bei der Filmpremiere in London getan hat, am 5. Dezember. Während der Abspann lief, kam die Nachricht vom Tod Nelson Mandelas. Sie sei traurig und habe große Schuldgefühle deswegen, sagt Zindzi Mandela. Dass sie sich nicht von ihrem Vater verabschieden konnte. Andererseits sei es in seinem Sinne, dass sie sein Erbe vertrete, seine Werte aufrechterhalte. Und ihre ganz persönliche Sicht darauf – dass große Staatsmänner nämlich auch Mütter, Ehefrauen und Töchter haben.

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