Die Europäer suchen die Nähe zum wiedergewählten Präsidenten. Kanzlerin Merkel freut sich auf die Zusammenarbeit und hat ihn bereits nach Berlin eingeladen. Alle hoffen, dass Amerika dem alten Kontinent wieder mehr Aufmerksamkeit schen
Berlin - Zwei Stunden vor Mitternacht nimmt die Feuerwehr die Sache in die Hand. 'Zur Zeit kein Einlass', informiert ein Bildschirm am Eingang. Man bitte um Verständnis. Wegen Überfüllung könne vorläufig niemand hereingelassen werden, beschwichtigt ein Mann vom Brandschutz. Vor der Telekom-Niederlassung in der Französischen Straße hat sich da schon eine lange Schlange gebildet. Die US-Botschaft hat zur Wahlparty geladen. Es ist eine von dreien in Berlin - und bei allen herrscht Andrang. Bei Mini-Hamburgern und Doughnuts sucht der harte Kern des Hauptstadtvolks die Nacht hindurch Nähe zu der Wahl, die die Geschicke der Welt bestimmen soll. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird gesichtet, die Kanzlerin nicht.
Gutes Team: Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama
Am Morgen wirkt Angela Merkel nicht mehr oder weniger ausgeschlafen als sonst. Sie habe sich nicht die Nacht um die Ohren geschlagen, ist zu hören, sondern sich am frühen Morgen informiert. Nach der Kabinettssitzung nimmt Merkel im Kanzleramt dann erst einmal das 'Jahresgutachten 2012/2013 zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch den Sachverständigenrat' entgegen. Sie verspricht ein Foto 'mit dem schönen Gutachten' und macht ein paar Ausführungen zu wirtschaftspolitischer Steuerung und intergouvernementalen Absprachen. Routine. Erst auf Nachfrage sagt sie strahlend: 'Ich möchte dem wiedergewählten Präsidenten Barack Obama ganz herzlich gratulieren. Wir kennen uns gut. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.'
Merkel will sich treu bleiben und nicht aus dem Häuschen geraten, wenn es um Obama geht. Sie will aber auch keinen Hehl machen aus ihrer Erleichterung. 'Es wäre mir eine Freude, Sie bald wieder als meinen Gast in Deutschland begrüßen zu können', lässt die CDU-Vorsitzende Obama in einem Glückwunschschreiben wissen. Wieder? Obama weilte als Präsident tatsächlich einmal in Deutschland. 2009 war das. Er kam nach Dresden und besuchte das frühere Konzentrationslager Buchenwald. Berlin aber hat Obama gemieden seit seinem Wahlkampfauftritt 2008, der auf Geheiß der Kanzlerin nicht am Brandenburger Tor stattfinden durfte.
Die Geschichte ist vermutlich nie so bedeutungslos gewesen wie vom Kanzleramt dargestellt, aber spätestens seit Juni 2011 darf sie als verjährt gelten. Obama verlieh Merkel die Freiheitsmedaille, ehrte sie im Rosengarten des Weißen Hauses mit einem Bankett und nannte sie eine 'Inspiration' und eine 'Freundin'. Nur eben: Berlin hat er nicht mehr besucht. 'Er hatte ein außergewöhnliches Erlebnis hier als Senator, und ich weiß, er will zurückkehren', stellt Botschafter Philip Murphy nach Merkels Einladung in Aussicht. Es wäre doch schön, ist in Berlin zu hören, wenn Obama im nächsten Sommer käme. Das wäre kurz vor der Bundestagswahl und irgendwie lustig. Bei den Bedenken Merkels gegen einen Berliner Auftritt Obamas im Wahlkampf ging es ja nicht um den eigenen.
Zu verführerisch ist die ungebrochen enorme Beliebtheit des US-Präsidenten in Deutschland. 90 Prozent der Bundesbürger hätten Obama gewählt, was auch in der großen Koalition der Gratulanten seinen Ausdruck findet. Sie reicht vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer, der 'eine glückliche Hand, Gottes Segen und viel Erfolg' wünscht, bis zum Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, der dem amerikanischen Volk bescheinigt, es habe eine 'kluge Entscheidung getroffen'.
Interessanter als die Glückwünsche freilich sind die Wünsche, die mit ihnen einher gehen. Gysi wünscht sich 'außenpolitisch einen Weg des Friedens - auch gegenüber Iran und Syrien'. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wünscht sich mehr Haushaltsdisziplin. 'Schuldenfinanzierte Politik ist an ihr Ende gekommen, das weiß man auch in den USA', sagt er in einem der zahlreichen Fernsehinterviews von New York aus, wohin ihn - glückliche Fügung - pünktlich zur US-Wahl eine Dienstreise geführt hat. 'Reale Gefahren wie Klimawandel und Ressourcenknappheit' erforderten Aufmerksamkeit, bemerken Renate Künast und Jürgen Trittin, die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag.
Fast durchgängig bestimmt - anders als vor vier Jahren -nicht Euphorie den Ton, sondern Erleichterung, es nun nicht mit dem Republikaner Mitt Romney zu tun zu bekommen. Und ebenso durchgängig ist Sorge zu hören, weil das transatlantische Verhältnis seine Selbstverständlichkeit verloren hat. 'Auch wir in Europa sind aufgefordert, das transatlantische Verhältnis wieder mit Leben zu füllen', bekennen die Grünen. Es sei normal, dass sowohl Europa als auch die USA sich stärker Asien zuwendeten, sagt der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner. 'Wir sind aber überzeugt, dass wir dabei bessere Ergebnisse erreichen, wenn wir dabei koordiniert vorgehen.'
Das Werben um Obama ist Leitmotiv der Reaktionen in ganz Europa. 'In der zweiten Amtszeit haben US-Präsidenten die Tendenz, die europäische Identität insgesamt wieder zu entdecken', behauptet der luxemburgische Ministerpräsident und Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. 'Die EU und die USA sind die engsten Verbündeten der Welt', versichert der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. In einer gemeinsamen Erklärung verkünden die Präsidenten von Kommission und Rat der EU, José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy, EU und USA seinen 'strategische Schlüsselpartner'. Man freue sich darauf, gemeinsam globalen Herausforderungen zu begegnen, 'einschließlich der Felder Sicherheit und Wirtschaft'.
Selbst wenn Obama sich in seiner zweiten Amtszeit verstärkt der Außenpolitik zuwendet und selbst wenn er ein größeres Herz für Europa entdeckt, werden genau in diesen Feldern aber auch künftig Interessen aufeinanderprallen. Obama sehnt ein Ende der Eurokrise herbei und wird Merkels Mantra von der Haushaltsdisziplin nicht besser mögen als bisher. Wie wenig er vom europäischen Krisenmanagement hält, machte er im Wahlkampf klar. Und Obama dürfte nicht nachlassen darin, Europa einen stärkeren Beitrag zur Sicherheit in seinen Grenzregionen abzuverlangen. Er wolle mit Obama über die Krise in Syrien reden, sagt der britische Premierminister David Cameron. Außerdem gebe es 'viel, was wir tun müssen - die weltweite Wirtschaft ankurbeln, und ich möchte ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA sehen'.
Tatsächlich herrscht in der Europäischen Union eine gewisse Hoffnung, in Obamas zweiter Amtszeit in dieser Frage voran zu kommen. Die Vorarbeiten mit Obamas Regierung, so viel ist nun klar, waren zumindest nicht umsonst.
Berlin - Zwei Stunden vor Mitternacht nimmt die Feuerwehr die Sache in die Hand. 'Zur Zeit kein Einlass', informiert ein Bildschirm am Eingang. Man bitte um Verständnis. Wegen Überfüllung könne vorläufig niemand hereingelassen werden, beschwichtigt ein Mann vom Brandschutz. Vor der Telekom-Niederlassung in der Französischen Straße hat sich da schon eine lange Schlange gebildet. Die US-Botschaft hat zur Wahlparty geladen. Es ist eine von dreien in Berlin - und bei allen herrscht Andrang. Bei Mini-Hamburgern und Doughnuts sucht der harte Kern des Hauptstadtvolks die Nacht hindurch Nähe zu der Wahl, die die Geschicke der Welt bestimmen soll. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wird gesichtet, die Kanzlerin nicht.
Gutes Team: Bundeskanzlerin Merkel und US-Präsident Obama
Am Morgen wirkt Angela Merkel nicht mehr oder weniger ausgeschlafen als sonst. Sie habe sich nicht die Nacht um die Ohren geschlagen, ist zu hören, sondern sich am frühen Morgen informiert. Nach der Kabinettssitzung nimmt Merkel im Kanzleramt dann erst einmal das 'Jahresgutachten 2012/2013 zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung durch den Sachverständigenrat' entgegen. Sie verspricht ein Foto 'mit dem schönen Gutachten' und macht ein paar Ausführungen zu wirtschaftspolitischer Steuerung und intergouvernementalen Absprachen. Routine. Erst auf Nachfrage sagt sie strahlend: 'Ich möchte dem wiedergewählten Präsidenten Barack Obama ganz herzlich gratulieren. Wir kennen uns gut. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit.'
Merkel will sich treu bleiben und nicht aus dem Häuschen geraten, wenn es um Obama geht. Sie will aber auch keinen Hehl machen aus ihrer Erleichterung. 'Es wäre mir eine Freude, Sie bald wieder als meinen Gast in Deutschland begrüßen zu können', lässt die CDU-Vorsitzende Obama in einem Glückwunschschreiben wissen. Wieder? Obama weilte als Präsident tatsächlich einmal in Deutschland. 2009 war das. Er kam nach Dresden und besuchte das frühere Konzentrationslager Buchenwald. Berlin aber hat Obama gemieden seit seinem Wahlkampfauftritt 2008, der auf Geheiß der Kanzlerin nicht am Brandenburger Tor stattfinden durfte.
Die Geschichte ist vermutlich nie so bedeutungslos gewesen wie vom Kanzleramt dargestellt, aber spätestens seit Juni 2011 darf sie als verjährt gelten. Obama verlieh Merkel die Freiheitsmedaille, ehrte sie im Rosengarten des Weißen Hauses mit einem Bankett und nannte sie eine 'Inspiration' und eine 'Freundin'. Nur eben: Berlin hat er nicht mehr besucht. 'Er hatte ein außergewöhnliches Erlebnis hier als Senator, und ich weiß, er will zurückkehren', stellt Botschafter Philip Murphy nach Merkels Einladung in Aussicht. Es wäre doch schön, ist in Berlin zu hören, wenn Obama im nächsten Sommer käme. Das wäre kurz vor der Bundestagswahl und irgendwie lustig. Bei den Bedenken Merkels gegen einen Berliner Auftritt Obamas im Wahlkampf ging es ja nicht um den eigenen.
Zu verführerisch ist die ungebrochen enorme Beliebtheit des US-Präsidenten in Deutschland. 90 Prozent der Bundesbürger hätten Obama gewählt, was auch in der großen Koalition der Gratulanten seinen Ausdruck findet. Sie reicht vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer, der 'eine glückliche Hand, Gottes Segen und viel Erfolg' wünscht, bis zum Fraktionsvorsitzenden der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, der dem amerikanischen Volk bescheinigt, es habe eine 'kluge Entscheidung getroffen'.
Interessanter als die Glückwünsche freilich sind die Wünsche, die mit ihnen einher gehen. Gysi wünscht sich 'außenpolitisch einen Weg des Friedens - auch gegenüber Iran und Syrien'. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wünscht sich mehr Haushaltsdisziplin. 'Schuldenfinanzierte Politik ist an ihr Ende gekommen, das weiß man auch in den USA', sagt er in einem der zahlreichen Fernsehinterviews von New York aus, wohin ihn - glückliche Fügung - pünktlich zur US-Wahl eine Dienstreise geführt hat. 'Reale Gefahren wie Klimawandel und Ressourcenknappheit' erforderten Aufmerksamkeit, bemerken Renate Künast und Jürgen Trittin, die Fraktionschefs der Grünen im Bundestag.
Fast durchgängig bestimmt - anders als vor vier Jahren -nicht Euphorie den Ton, sondern Erleichterung, es nun nicht mit dem Republikaner Mitt Romney zu tun zu bekommen. Und ebenso durchgängig ist Sorge zu hören, weil das transatlantische Verhältnis seine Selbstverständlichkeit verloren hat. 'Auch wir in Europa sind aufgefordert, das transatlantische Verhältnis wieder mit Leben zu füllen', bekennen die Grünen. Es sei normal, dass sowohl Europa als auch die USA sich stärker Asien zuwendeten, sagt der außenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Rainer Stinner. 'Wir sind aber überzeugt, dass wir dabei bessere Ergebnisse erreichen, wenn wir dabei koordiniert vorgehen.'
Das Werben um Obama ist Leitmotiv der Reaktionen in ganz Europa. 'In der zweiten Amtszeit haben US-Präsidenten die Tendenz, die europäische Identität insgesamt wieder zu entdecken', behauptet der luxemburgische Ministerpräsident und Chef der Eurogruppe, Jean-Claude Juncker. 'Die EU und die USA sind die engsten Verbündeten der Welt', versichert der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. In einer gemeinsamen Erklärung verkünden die Präsidenten von Kommission und Rat der EU, José Manuel Barroso und Herman Van Rompuy, EU und USA seinen 'strategische Schlüsselpartner'. Man freue sich darauf, gemeinsam globalen Herausforderungen zu begegnen, 'einschließlich der Felder Sicherheit und Wirtschaft'.
Selbst wenn Obama sich in seiner zweiten Amtszeit verstärkt der Außenpolitik zuwendet und selbst wenn er ein größeres Herz für Europa entdeckt, werden genau in diesen Feldern aber auch künftig Interessen aufeinanderprallen. Obama sehnt ein Ende der Eurokrise herbei und wird Merkels Mantra von der Haushaltsdisziplin nicht besser mögen als bisher. Wie wenig er vom europäischen Krisenmanagement hält, machte er im Wahlkampf klar. Und Obama dürfte nicht nachlassen darin, Europa einen stärkeren Beitrag zur Sicherheit in seinen Grenzregionen abzuverlangen. Er wolle mit Obama über die Krise in Syrien reden, sagt der britische Premierminister David Cameron. Außerdem gebe es 'viel, was wir tun müssen - die weltweite Wirtschaft ankurbeln, und ich möchte ein Handelsabkommen zwischen der EU und den USA sehen'.
Tatsächlich herrscht in der Europäischen Union eine gewisse Hoffnung, in Obamas zweiter Amtszeit in dieser Frage voran zu kommen. Die Vorarbeiten mit Obamas Regierung, so viel ist nun klar, waren zumindest nicht umsonst.