Das wohl größte Zerwürfnis zwischen Deutschland und den USA seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs begann am 22. Mai 2002 in einem Restaurant am Brandenburger Tor bei Apfelstrudel und Currywurst. Seine Folgen sind bis heute zu spüren, wenn nun etwa bekannt wird, dass auch die Regierungskommunikation von Bundeskanzler Gerhard Schröder von amerikanischen Diensten überwacht wurde – und zwar mindestens vom Jahr 2002 an.
Es war dieser Gerhard Schröder, der am Brandenburger Tor mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush beisammen saß. Neben jeder Menge Jovialitäten soll es auch um die Gretchenfrage dieser Zeit gegangen sein: Wo steht Deutschland, wenn die USA gegen den Irak in den Krieg ziehen? Und: Kann es einen Deal geben? Etwa: Kein Kriegsgetöse der USA vor der Bundestagswahl im September, dafür aber deutsche Unterstützung der Pläne in der Zeit danach.
Die Deutung des Gesprächs-Ergebnisses geht bis heute auseinander. Bush jedenfalls fühlte sich später von Schröder hintergangen und sprach von einem Vertrauensbruch. Schröder sieht das naturgemäß anders. Jedenfalls entschied er Ende Juli, das Thema Irak-Krieg in den Wahlkampf zu ziehen und warnte vor „Abenteuern“. Die Bundestagswahl am 22. September gewann er dann auf den letzten Metern – der Widerstand gegen den Irak-Feldzug war damit aber nicht zu Ende.
Gerhard Schröder telefoniert mit seinem Handy in Berlin. Die NSA soll ihn schon seit 2002 überwacht haben.
In der rot-grünen Regierung entwickelte sich eine ungewollte Arbeitsteilung. Während Außenminister Joschka Fischer die Kanäle nach Washington offenhielt, immer wieder zu Gesprächen mit seinem Kollegen Colin Powell reiste und Ende Januar 2003 im Sicherheitsrat eine verzweifelte Abwehroffensive startete, ließ sich der Draht zwischen Bush und Schröder nicht mehr reparieren. Nebenscharmützel bestärkten die Abneigung, etwa als Justizministerin Herta Däubler-Gmelin Bush mit Hitler verglich oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geradezu brüsk seinen deutschen Kollegen Peter Struck schnitt. Schröder ließ dann Anfang Januar im Niedersachsen-Wahlkampf wissen, Deutschland sage Nein, selbst wenn die UN ein Mandat beschlössen.
Die lange Eskalation erreichte ihren Höhepunkt in den ersten Februartagen, als der aufziehende Krieg die Europäer zum Schwur trieb. Am 30. Januar 2003 erklärten die Regierungschefs von Spanien, Italien, Großbritannien und anderen Nationen ihre Solidarität mit Bush. Am Tag darauf wurde eine Unterstützungsadresse von zehn mitteleuropäischen Regierungen an die USA veröffentlicht. Am 9. Februar verbündete sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Schröder und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac – Schröder hatte die Idee, die Russen mit einzubeziehen.
Selbst für naive Beobachter war damit klar: Europa war gespalten, seine Bündnisse standen unter enormer Spannung. Bush, der auf Unterstützung der Verbündeten auch in der Nato für den Irak-Krieg gehofft hatte, musste am Ende selbst auf die politische Zustimmung des Sicherheitsrats verzichten und zog mit einer halbgaren Resolution in den Krieg. Aus einer persönlichen Animosität zwischen Kanzler und Präsident hatte sich ein veritabler Allianzkonflikt mit gravierenden sicherheitspolitischen Folgen entwickelt.
Von strategischer Bedeutung war vor allem, dass sich in Europa eine historische Neuorientierung der Staaten abzeichnete. Nahezu zeitgleich waren die Pläne zwischen Moskau und Berlin für die Nord-Stream-Pipeline finalisiert worden – die Röhre würde Gas von Russland nach Deutschland unter bewusster Umgehung von Polen liefern. In Washington schäumte gerade das neokonservative Establishment, das anderthalb Jahre nach 9/11 die Deutungshoheit für alle Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik übernommen hatte. Der Politologe Francis Fukuyama sprach vom „Ende des Westens“. Die Financial Times resümierte: „Die Kluft wird hässlich – der Plan, der das alte und das neue Europa auseinander trieb.“ Altes und neues Europa – die Terminologie war Verteidigungsminister Rumsfeld zu verdanken.
Keine Ereigniskette der Nachkriegszeit hat das transatlantische Verhältnis derart unter Druck gesetzt wie die Vorbereitung des Irak-Krieges. Der Widerstand Deutschlands unter Schröders Führung wurde von den USA nicht nur als unfreundlicher Akt gesehen. Aus amerikanischer Perspektive war die europäische Ordnung bedroht. Von dieser Schlussfolgerung war es dann wohl nur ein kleiner Schritt hin zur Entscheidung, die deutsche Regierungskommunikation mit dem Kanzler an der Spitze abzuhören. Was in Deutschland gedacht wurde, war von höchster Bedeutung. Das grassierende Misstrauen zwischen beiden Seiten ließ vermuten, dass in einem direktes Gespräch nicht die eigentlichen Absichten preisgegeben worden wären.
Es war dieser Gerhard Schröder, der am Brandenburger Tor mit dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush beisammen saß. Neben jeder Menge Jovialitäten soll es auch um die Gretchenfrage dieser Zeit gegangen sein: Wo steht Deutschland, wenn die USA gegen den Irak in den Krieg ziehen? Und: Kann es einen Deal geben? Etwa: Kein Kriegsgetöse der USA vor der Bundestagswahl im September, dafür aber deutsche Unterstützung der Pläne in der Zeit danach.
Die Deutung des Gesprächs-Ergebnisses geht bis heute auseinander. Bush jedenfalls fühlte sich später von Schröder hintergangen und sprach von einem Vertrauensbruch. Schröder sieht das naturgemäß anders. Jedenfalls entschied er Ende Juli, das Thema Irak-Krieg in den Wahlkampf zu ziehen und warnte vor „Abenteuern“. Die Bundestagswahl am 22. September gewann er dann auf den letzten Metern – der Widerstand gegen den Irak-Feldzug war damit aber nicht zu Ende.
Gerhard Schröder telefoniert mit seinem Handy in Berlin. Die NSA soll ihn schon seit 2002 überwacht haben.
In der rot-grünen Regierung entwickelte sich eine ungewollte Arbeitsteilung. Während Außenminister Joschka Fischer die Kanäle nach Washington offenhielt, immer wieder zu Gesprächen mit seinem Kollegen Colin Powell reiste und Ende Januar 2003 im Sicherheitsrat eine verzweifelte Abwehroffensive startete, ließ sich der Draht zwischen Bush und Schröder nicht mehr reparieren. Nebenscharmützel bestärkten die Abneigung, etwa als Justizministerin Herta Däubler-Gmelin Bush mit Hitler verglich oder Verteidigungsminister Donald Rumsfeld geradezu brüsk seinen deutschen Kollegen Peter Struck schnitt. Schröder ließ dann Anfang Januar im Niedersachsen-Wahlkampf wissen, Deutschland sage Nein, selbst wenn die UN ein Mandat beschlössen.
Die lange Eskalation erreichte ihren Höhepunkt in den ersten Februartagen, als der aufziehende Krieg die Europäer zum Schwur trieb. Am 30. Januar 2003 erklärten die Regierungschefs von Spanien, Italien, Großbritannien und anderen Nationen ihre Solidarität mit Bush. Am Tag darauf wurde eine Unterstützungsadresse von zehn mitteleuropäischen Regierungen an die USA veröffentlicht. Am 9. Februar verbündete sich der russische Präsident Wladimir Putin mit Schröder und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac – Schröder hatte die Idee, die Russen mit einzubeziehen.
Selbst für naive Beobachter war damit klar: Europa war gespalten, seine Bündnisse standen unter enormer Spannung. Bush, der auf Unterstützung der Verbündeten auch in der Nato für den Irak-Krieg gehofft hatte, musste am Ende selbst auf die politische Zustimmung des Sicherheitsrats verzichten und zog mit einer halbgaren Resolution in den Krieg. Aus einer persönlichen Animosität zwischen Kanzler und Präsident hatte sich ein veritabler Allianzkonflikt mit gravierenden sicherheitspolitischen Folgen entwickelt.
Von strategischer Bedeutung war vor allem, dass sich in Europa eine historische Neuorientierung der Staaten abzeichnete. Nahezu zeitgleich waren die Pläne zwischen Moskau und Berlin für die Nord-Stream-Pipeline finalisiert worden – die Röhre würde Gas von Russland nach Deutschland unter bewusster Umgehung von Polen liefern. In Washington schäumte gerade das neokonservative Establishment, das anderthalb Jahre nach 9/11 die Deutungshoheit für alle Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik übernommen hatte. Der Politologe Francis Fukuyama sprach vom „Ende des Westens“. Die Financial Times resümierte: „Die Kluft wird hässlich – der Plan, der das alte und das neue Europa auseinander trieb.“ Altes und neues Europa – die Terminologie war Verteidigungsminister Rumsfeld zu verdanken.
Keine Ereigniskette der Nachkriegszeit hat das transatlantische Verhältnis derart unter Druck gesetzt wie die Vorbereitung des Irak-Krieges. Der Widerstand Deutschlands unter Schröders Führung wurde von den USA nicht nur als unfreundlicher Akt gesehen. Aus amerikanischer Perspektive war die europäische Ordnung bedroht. Von dieser Schlussfolgerung war es dann wohl nur ein kleiner Schritt hin zur Entscheidung, die deutsche Regierungskommunikation mit dem Kanzler an der Spitze abzuhören. Was in Deutschland gedacht wurde, war von höchster Bedeutung. Das grassierende Misstrauen zwischen beiden Seiten ließ vermuten, dass in einem direktes Gespräch nicht die eigentlichen Absichten preisgegeben worden wären.