Wenn Reinhard Dennerlein die Ziffernfolge 1507 hört, weiß er, was kommt. Die Ziffern stehen für eine gentechnisch veränderte Sorte Mais. Die Europäische Kommission will sie zum Anbau zulassen, nachdem sich die EU-Mitgliedsländer am Dienstag im Allgemeinen Rat weder mehrheitlich dafür noch dagegen ausgesprochen haben. Und Dennerlein, ein ehemaliger Landwirt aus Kitzingen, kennt die Aufregung um diese Entscheidung: Kritiker halten die grüne Gentechnik für Teufelszeug. Dabei hat Dennerlein seine Erfahrungen mit gentechnisch veränderten Pflanzen gemacht – und zwar durchweg gute.
Gen-Mais der Sorte MON 810 mit Raupenbefall
Der Franke ist einer von sehr wenigen Landwirten, die in Deutschland vor ein paar Jahren Gentech-Mais der Sorte Mon810 angebaut haben – bis die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU den Anbau im April 2009 verbot. „Das war eine rein politische Entscheidung“, schimpft Dennerlein. „Mon 810 hatte riesige Vorteile im Vergleich zu konventionellem Mais.“ Vor allem habe er keine Insektizide mehr benötigt, um den Maiszünsler, einen lästigen Schädling, zu bekämpfen. Dennerlein pflanzte testweise zunächst einen halben Hektar Gentech-Mais. Als er merkte, dass es auf dieser Fläche nur so „kreuchte und fleuchte von Marienkäfern und Schmetterlingen“, während seine konventionellen Felder wegen der Insektizide „einem Friedhof glichen“, baute er im Jahr darauf fünf Hektar an. Und für 2009 hatte er sogar 45 Hektar geplant. Doch dann kam Aigners Verbot. Dem ehemaligen Landwirt fehlt dafür jedes Verständnis: „Ich sage nicht, dass die grüne Gentechnik die Heilsbringerin ist, aber sie ist ein Baustein – und auf den sollten wir nicht einfach so verzichten.“
Die Bausteine, die den Mais 1507 zu etwas Besonderem machen, sind zwei zusätzliche Gene. Beide stammen aus Bakterien, die im Boden leben. Ähnlich wie in der Sorte Mon 810 produziert eines davon ein Eiweiß, das giftig ist für Schmetterlinge und Motten. Das macht die Pflanzen resistent gegenüber dem Maiszünsler. Die Raupen dieses Schmetterlings vernichten nach Schätzungen der Welternährungsorganisation weltweit vier Prozent der Maisernte. Bekämpfen lassen sie sich mithilfe eines Giftes, das die Mikrobe Bacillus thuringiensis (Bt) produziert. Das Toxin kommt nicht nur in Gentech-Pflanzen zum Einsatz: Bauern spritzen es auch auf Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais, und sogar im Biolandbau wird es verwendet.
Das zweite Mikroben-Gen dient lediglich als technisches Hilfsmittel. Es zeigt an, ob eine 1507-Maispflanze die Erbanlage für das Bt-Gift auch tatsächlich eingebaut hat. Die andere Eigenschaft dieses Hilfs-Gens, nämlich das Getreide resistent gegen das Unkrautmittel Glufosinat zu machen, spielt keine Rolle.
Streit verursacht der Gen-Mais vor allem wegen der Frage, ob das Getreide auch Insekten schaden kann, die gar nicht bekämpft werden sollen. Tatsächlich wirkt das Gift nicht nur auf den Maiszünsler, sondern auch auf andere Schmetterlinge. Dies hat die zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in ihrer jüngsten Beurteilung berücksichtigt – und kommt dennoch zu dem Schluss: Die Umweltrisiken durch den Mais 1507 seien selbst bei großflächigem Anbau vernachlässigenswert, sofern ein paar Regeln eingehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel Flächen mit nicht gentechnisch verändertem Mais, die zwischen Äckern mit den 1507-Pflanzen liegen. Diese sogenannten Refugien sollen unter anderem verhindern, dass schützenswerte Schmetterlingsarten sozusagen aus Versehen auf die Felder mit Gentechnik-Pflanzen gelangen. „Die meisten Schmetterlinge und Motten sind nicht gefährdet, da sie sich nicht von Maispollen ernähren“, sagt Christoph Tebbe vom Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig, der auch die Efsa berät. Selbst für seltene Arten in der Nähe von Maisfeldern „zeigen Modellrechnungen, dass das Risiko stark lokal begrenzt ist“.
Für Gegner des transgenen Getreides zählt die wissenschaftliche Expertise der Efsa indes nicht. Sie bemängeln, dass viele Untersuchungen nicht mit exakt jenem giftigen Eiweiß vorgenommen worden seien, das der Mais 1507 bildet. Stattdessen habe man sich auf Versuche mit der Sorte Mon810 beschränkt. Dessen Toxin unterscheidet sich geringfügig von dem in 1507. Diese Differenzen aber seien bedeutsam. Dem widerspricht der Biodiversitäts-Forscher Tebbe: „Da sich die beiden Proteine sehr stark ähneln, spricht nichts dagegen, für die Beantwortung bestimmter Fragen auch Ergebnisse zu nutzen, die aus Untersuchungen mit dem Protein aus Mon 810 bekannt sind.“
Derart ins Detail reichende Diskussionen sind notwendig für ein fundiertes Urteil. Doch die meisten Menschen lassen sich mit solchen Argumenten nur schwer erreichen. Wirkungsvoller sind da Bilder. Das wissen nicht zuletzt die Gentechnik-Gegner. So waren nicht zufällig in den vergangenen Tagen Maiskolben mit aufgemalten Fratzen zu sehen oder Menschen mit Mundschutz und weißen Schutzanzügen, wie man sie eher in einem Atomkraftwerk vermuten würde – und nicht auf einem Feld mit Maispflanzen.
Manche derjenigen, die vom EU-Entscheid direkt betroffen sind wie der Deutsche Bauernverband, sehen jedoch noch einen anderen Grund zur Skepsis. „Egal, was der neue Mais angeblich alles kann oder nicht: Schon allein aus Haftungsgründen können wir keinem Landwirt raten, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen“, sagt ein Sprecher des Verbands. „Sollte nämlich ein benachbarter Landwirt, der konventionellen Mais anbaut, auch nur den Hauch einer Vermischung mit gentechnisch veränderten Pflanzen feststellen, kann er Schadenersatz verlangen. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – und kann daher existenzbedrohend sein.“
Dennerlein, der Gen-Mais-Freund aus Franken, ist da offener. Er hat seinen Hof an die Tochter übergeben und würde ihr raten, es zu machen wie er selbst damals: „Erst ein kleines Testfeld nehmen. Stimmen die Ergebnisse, kann sie den Anbau ausbauen.“ Und die Kritiker? „Wenn die Ergebnisse wirklich überzeugen, werden sie nach ein paar Jahren schon Ruhe geben.“
Gen-Mais der Sorte MON 810 mit Raupenbefall
Der Franke ist einer von sehr wenigen Landwirten, die in Deutschland vor ein paar Jahren Gentech-Mais der Sorte Mon810 angebaut haben – bis die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner von der CSU den Anbau im April 2009 verbot. „Das war eine rein politische Entscheidung“, schimpft Dennerlein. „Mon 810 hatte riesige Vorteile im Vergleich zu konventionellem Mais.“ Vor allem habe er keine Insektizide mehr benötigt, um den Maiszünsler, einen lästigen Schädling, zu bekämpfen. Dennerlein pflanzte testweise zunächst einen halben Hektar Gentech-Mais. Als er merkte, dass es auf dieser Fläche nur so „kreuchte und fleuchte von Marienkäfern und Schmetterlingen“, während seine konventionellen Felder wegen der Insektizide „einem Friedhof glichen“, baute er im Jahr darauf fünf Hektar an. Und für 2009 hatte er sogar 45 Hektar geplant. Doch dann kam Aigners Verbot. Dem ehemaligen Landwirt fehlt dafür jedes Verständnis: „Ich sage nicht, dass die grüne Gentechnik die Heilsbringerin ist, aber sie ist ein Baustein – und auf den sollten wir nicht einfach so verzichten.“
Die Bausteine, die den Mais 1507 zu etwas Besonderem machen, sind zwei zusätzliche Gene. Beide stammen aus Bakterien, die im Boden leben. Ähnlich wie in der Sorte Mon 810 produziert eines davon ein Eiweiß, das giftig ist für Schmetterlinge und Motten. Das macht die Pflanzen resistent gegenüber dem Maiszünsler. Die Raupen dieses Schmetterlings vernichten nach Schätzungen der Welternährungsorganisation weltweit vier Prozent der Maisernte. Bekämpfen lassen sie sich mithilfe eines Giftes, das die Mikrobe Bacillus thuringiensis (Bt) produziert. Das Toxin kommt nicht nur in Gentech-Pflanzen zum Einsatz: Bauern spritzen es auch auf Feldern mit konventionell gezüchtetem Mais, und sogar im Biolandbau wird es verwendet.
Das zweite Mikroben-Gen dient lediglich als technisches Hilfsmittel. Es zeigt an, ob eine 1507-Maispflanze die Erbanlage für das Bt-Gift auch tatsächlich eingebaut hat. Die andere Eigenschaft dieses Hilfs-Gens, nämlich das Getreide resistent gegen das Unkrautmittel Glufosinat zu machen, spielt keine Rolle.
Streit verursacht der Gen-Mais vor allem wegen der Frage, ob das Getreide auch Insekten schaden kann, die gar nicht bekämpft werden sollen. Tatsächlich wirkt das Gift nicht nur auf den Maiszünsler, sondern auch auf andere Schmetterlinge. Dies hat die zuständige Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) in ihrer jüngsten Beurteilung berücksichtigt – und kommt dennoch zu dem Schluss: Die Umweltrisiken durch den Mais 1507 seien selbst bei großflächigem Anbau vernachlässigenswert, sofern ein paar Regeln eingehalten werden. Dazu gehören zum Beispiel Flächen mit nicht gentechnisch verändertem Mais, die zwischen Äckern mit den 1507-Pflanzen liegen. Diese sogenannten Refugien sollen unter anderem verhindern, dass schützenswerte Schmetterlingsarten sozusagen aus Versehen auf die Felder mit Gentechnik-Pflanzen gelangen. „Die meisten Schmetterlinge und Motten sind nicht gefährdet, da sie sich nicht von Maispollen ernähren“, sagt Christoph Tebbe vom Thünen-Institut für Biodiversität in Braunschweig, der auch die Efsa berät. Selbst für seltene Arten in der Nähe von Maisfeldern „zeigen Modellrechnungen, dass das Risiko stark lokal begrenzt ist“.
Für Gegner des transgenen Getreides zählt die wissenschaftliche Expertise der Efsa indes nicht. Sie bemängeln, dass viele Untersuchungen nicht mit exakt jenem giftigen Eiweiß vorgenommen worden seien, das der Mais 1507 bildet. Stattdessen habe man sich auf Versuche mit der Sorte Mon810 beschränkt. Dessen Toxin unterscheidet sich geringfügig von dem in 1507. Diese Differenzen aber seien bedeutsam. Dem widerspricht der Biodiversitäts-Forscher Tebbe: „Da sich die beiden Proteine sehr stark ähneln, spricht nichts dagegen, für die Beantwortung bestimmter Fragen auch Ergebnisse zu nutzen, die aus Untersuchungen mit dem Protein aus Mon 810 bekannt sind.“
Derart ins Detail reichende Diskussionen sind notwendig für ein fundiertes Urteil. Doch die meisten Menschen lassen sich mit solchen Argumenten nur schwer erreichen. Wirkungsvoller sind da Bilder. Das wissen nicht zuletzt die Gentechnik-Gegner. So waren nicht zufällig in den vergangenen Tagen Maiskolben mit aufgemalten Fratzen zu sehen oder Menschen mit Mundschutz und weißen Schutzanzügen, wie man sie eher in einem Atomkraftwerk vermuten würde – und nicht auf einem Feld mit Maispflanzen.
Manche derjenigen, die vom EU-Entscheid direkt betroffen sind wie der Deutsche Bauernverband, sehen jedoch noch einen anderen Grund zur Skepsis. „Egal, was der neue Mais angeblich alles kann oder nicht: Schon allein aus Haftungsgründen können wir keinem Landwirt raten, gentechnisch veränderte Pflanzen anzubauen“, sagt ein Sprecher des Verbands. „Sollte nämlich ein benachbarter Landwirt, der konventionellen Mais anbaut, auch nur den Hauch einer Vermischung mit gentechnisch veränderten Pflanzen feststellen, kann er Schadenersatz verlangen. Dieses Risiko ist völlig unkalkulierbar – und kann daher existenzbedrohend sein.“
Dennerlein, der Gen-Mais-Freund aus Franken, ist da offener. Er hat seinen Hof an die Tochter übergeben und würde ihr raten, es zu machen wie er selbst damals: „Erst ein kleines Testfeld nehmen. Stimmen die Ergebnisse, kann sie den Anbau ausbauen.“ Und die Kritiker? „Wenn die Ergebnisse wirklich überzeugen, werden sie nach ein paar Jahren schon Ruhe geben.“