Die Zukunft, da ist sich der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) sicher, wird interdisziplinärer. Und emotionaler. Das menschliche Wohlergehen werde mehr ins Zentrum der Forschungsarbeiten rücken. Davon ist Dennis Snower überzeugt. Im Institut laufen die Vorbereitungen zum Jubiläum, an diesem Donnerstag ist der 100. Geburtstag. Der Amerikaner im Präsidentenamt an der Förde sitzt tiefenentspannt auf dem schwarzen Ledersofa seines Büros und absolviert nur wenige Tage vor den Feierlichkeiten einen wahren Interviewmarathon.
Was forschen die denn? Am Institut für Weltwirtschaft beschäftigen sich 170 Mitarbeiter, davon 100 Wissenschaftler, unter anderem mit den Themen Globalisierung und Ressourcen.
„Die Ökonomie sollte sich damit befassen, was Wohlergehen erzeugt“, sagt Snower. Mit ruhiger Stimme philosophiert er über die Zukunft seiner Zunft. Snowers Credo: „Der Mensch muss im Zentrum des Geschehens der Wirtschaftswissenschaften stehen.“ Er nennt das „Menschenbetroffenheit“. Diese Erkenntnis habe der Ökonom Snower vom Poeten Snower gewonnen, gibt der Wissenschaftler zu. In seiner Freizeit schreibt er Gedichte über das Wasser und das Meer.
Er sei immer der Ansicht gewesen, dass das menschliche Schicksal – Wohlergehen, Leid und so weiter – das zentrale Anliegen der Ökonomie sein sollte. „Ist es im Mainstream aber nicht.“ Mit Kritik spart der Wissenschaftler nicht. Viel zu lange seien Emotionen in der Ökonomie nicht berücksichtigt worden. Das will Snower, der in Oxford und Princeton, New Jersey, studiert hat, ändern.
Sein Weg zum Ziel: die Verknüpfung der einzelnen Wissenschaften. Er selbst sieht sich und sein Forschungsinstitut als „Brückenbauer“ zwischen den Wirtschaftswissenschaften, der Geografie, der Klimaforschung, der Psychologie, der Soziologie und der Neurowissenschaft. Das sei nicht weniger als eine Riesenherausforderung. Snower: „Jede Disziplin hat eine eigene Konzeptstruktur und ein eigenes Vokabular, darum versteht man sich interdisziplinär nicht, doch wir müssen es, um weiterzukommen. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung.“
Tiefstapeln ist seine Sache nicht, er denkt im XXL-Format. „Wenn wir ein Institut für Weltwirtschaft sind und die Weltwirtschaft aus einer globalen Sicht betrachten und nicht aus einer nationalen Sicht, dann müssen wir auf einen ganz anderen Stand kommen. Wir müssen quer durch die Kulturen denken, die nationalen Grenzen dürfen nichts bedeuten, uns ist das globale Bürgertum wichtig. Daher haben wir eine ganz besondere Aufgabe: Die weite Sicht.“
Darum greift das Kieler Modell noch weiter. Der Brückenlogik folgt das Drehscheibenmodell. Sein Institut verstehe sich als Drehscheibe der Forschung über weltwirtschaftliche Probleme aus der globalen Perspektive, formuliert Snower. Die Kieler sind mit vielen Forschern in anderen Ländern im Austausch. Immer wieder kehrt der 63 Jahre alte Wissenschaftler im Laufe des Gesprächs zu diesem einen Punkt zurück: dem ressortübergreifenden, vernetzten Denken zwischen den verschiedenen Disziplinen. Es ist ihm ein so wichtiges Anliegen, dass er es nicht oft genug betonen kann.
Seit nunmehr zehn Jahren führt der Amerikaner das Institut im Norden der Republik, das nicht nur bundesweit, sondern international zu den angesehensten Forschungseinrichtungen zählt. Im Think-Tank-Ranking der University of Pennsylvania landete das IfW zuletzt auf einem beachtlichen sechsten Platz – als bestplatzierte deutsche Einrichtung. Gleichwohl musste das Institut auch eine Schlappe einstecken. An der Erstellung der Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung dürfen sich die Kieler Forscher zumindest übergangsweise nicht mehr beteiligen – nach mehr als sechs Jahrzehnten Mitwirkung.
Snower weiß um die Bedeutung seines Instituts, und auch um seine. Darum kann er es sich erlauben, mit der Wissenschaft anteilig hart ins Gericht zu gehen – obwohl er doch ein Teil von ihr ist. Er kritisiert das Publizieren als „ asymmetrische Aktivität: Jeder Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift weiß, wenn man Mist publiziert, leidet der Ruf. Darum ist man eher konservativ ausgerichtet. Und es ist auch viel einfacher zu publizieren, wenn man eine herkömmliche Weisheit etwas dreht und schaut, was dann noch herauskommt. Die Herausgeber gehen wenig Risiko ein. Das bremst Impulse für die Wirtschaftswissenschaften“ – spricht's, und lächelt selbst dabei noch durch seine randlose Brille.
An einen festen Institutssitz hier in Kiel hält der Ökonom fest – allen technischen Möglichkeiten zum Trotz. „Menschen brauchen persönliche Beziehungen, darum ist eine geografische Verbundenheit wichtig. Wir sehen uns zum Teil als Drehscheibe und zum Teil als Standort.“ Es gehe um eine optimale Kombination. In der wissenschaftlichen Praxis sieht das dann so aus: „Diejenigen, die mit uns forschen, werden zum Teil hier sein müssen, aber nicht Vollzeit. Wir haben genügend Wissenschaftler, die für zwei Wochen oder einen Monat im Jahr kommen, und zwar immer wieder“, berichtet der IfW-Präsident. Das sei ein nützliches Konzept.
Snower, der die Politik des Wohlfahrtsstaats und die Beschäftigungspolitik zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt, ist ein Mann der vielen und mitunter langen Sätze. Nur wenn es um die eigene Zukunft geht, wird er wortkarg.
In gut anderthalb Jahren erreicht er die Rentengrenze, und dann? „Ruhestand in der Forschung steht nicht am Horizont. Ich habe Unterstützung vom Land Schleswig-Holstein, noch länger bleiben zu können, das muss ich mir überlegen“, sagt er. In seiner Stimme liegt ein Mix aus Diplomatie, Kampfgeist und Sentimentalität. Er hege keine Absicht, sich in den Rollstuhl zu setzen: „Mir ist das Institut ans Herz gewachsen, ich fühle mich hier unverschämt gut.“ Aber es gilt auch: „In Großbritannien und in den USA – zu beiden Ländern habe ich einen Bezug – gibt es kein Ruhestandsalter. Deshalb kann ich relativ gelassen bleiben.“
Auch ganz schön emotional. Irgendwie.
Was forschen die denn? Am Institut für Weltwirtschaft beschäftigen sich 170 Mitarbeiter, davon 100 Wissenschaftler, unter anderem mit den Themen Globalisierung und Ressourcen.
„Die Ökonomie sollte sich damit befassen, was Wohlergehen erzeugt“, sagt Snower. Mit ruhiger Stimme philosophiert er über die Zukunft seiner Zunft. Snowers Credo: „Der Mensch muss im Zentrum des Geschehens der Wirtschaftswissenschaften stehen.“ Er nennt das „Menschenbetroffenheit“. Diese Erkenntnis habe der Ökonom Snower vom Poeten Snower gewonnen, gibt der Wissenschaftler zu. In seiner Freizeit schreibt er Gedichte über das Wasser und das Meer.
Er sei immer der Ansicht gewesen, dass das menschliche Schicksal – Wohlergehen, Leid und so weiter – das zentrale Anliegen der Ökonomie sein sollte. „Ist es im Mainstream aber nicht.“ Mit Kritik spart der Wissenschaftler nicht. Viel zu lange seien Emotionen in der Ökonomie nicht berücksichtigt worden. Das will Snower, der in Oxford und Princeton, New Jersey, studiert hat, ändern.
Sein Weg zum Ziel: die Verknüpfung der einzelnen Wissenschaften. Er selbst sieht sich und sein Forschungsinstitut als „Brückenbauer“ zwischen den Wirtschaftswissenschaften, der Geografie, der Klimaforschung, der Psychologie, der Soziologie und der Neurowissenschaft. Das sei nicht weniger als eine Riesenherausforderung. Snower: „Jede Disziplin hat eine eigene Konzeptstruktur und ein eigenes Vokabular, darum versteht man sich interdisziplinär nicht, doch wir müssen es, um weiterzukommen. Das ist wahrscheinlich die größte Herausforderung.“
Tiefstapeln ist seine Sache nicht, er denkt im XXL-Format. „Wenn wir ein Institut für Weltwirtschaft sind und die Weltwirtschaft aus einer globalen Sicht betrachten und nicht aus einer nationalen Sicht, dann müssen wir auf einen ganz anderen Stand kommen. Wir müssen quer durch die Kulturen denken, die nationalen Grenzen dürfen nichts bedeuten, uns ist das globale Bürgertum wichtig. Daher haben wir eine ganz besondere Aufgabe: Die weite Sicht.“
Darum greift das Kieler Modell noch weiter. Der Brückenlogik folgt das Drehscheibenmodell. Sein Institut verstehe sich als Drehscheibe der Forschung über weltwirtschaftliche Probleme aus der globalen Perspektive, formuliert Snower. Die Kieler sind mit vielen Forschern in anderen Ländern im Austausch. Immer wieder kehrt der 63 Jahre alte Wissenschaftler im Laufe des Gesprächs zu diesem einen Punkt zurück: dem ressortübergreifenden, vernetzten Denken zwischen den verschiedenen Disziplinen. Es ist ihm ein so wichtiges Anliegen, dass er es nicht oft genug betonen kann.
Seit nunmehr zehn Jahren führt der Amerikaner das Institut im Norden der Republik, das nicht nur bundesweit, sondern international zu den angesehensten Forschungseinrichtungen zählt. Im Think-Tank-Ranking der University of Pennsylvania landete das IfW zuletzt auf einem beachtlichen sechsten Platz – als bestplatzierte deutsche Einrichtung. Gleichwohl musste das Institut auch eine Schlappe einstecken. An der Erstellung der Gemeinschaftsdiagnose für die Bundesregierung dürfen sich die Kieler Forscher zumindest übergangsweise nicht mehr beteiligen – nach mehr als sechs Jahrzehnten Mitwirkung.
Snower weiß um die Bedeutung seines Instituts, und auch um seine. Darum kann er es sich erlauben, mit der Wissenschaft anteilig hart ins Gericht zu gehen – obwohl er doch ein Teil von ihr ist. Er kritisiert das Publizieren als „ asymmetrische Aktivität: Jeder Herausgeber einer wissenschaftlichen Zeitschrift weiß, wenn man Mist publiziert, leidet der Ruf. Darum ist man eher konservativ ausgerichtet. Und es ist auch viel einfacher zu publizieren, wenn man eine herkömmliche Weisheit etwas dreht und schaut, was dann noch herauskommt. Die Herausgeber gehen wenig Risiko ein. Das bremst Impulse für die Wirtschaftswissenschaften“ – spricht's, und lächelt selbst dabei noch durch seine randlose Brille.
An einen festen Institutssitz hier in Kiel hält der Ökonom fest – allen technischen Möglichkeiten zum Trotz. „Menschen brauchen persönliche Beziehungen, darum ist eine geografische Verbundenheit wichtig. Wir sehen uns zum Teil als Drehscheibe und zum Teil als Standort.“ Es gehe um eine optimale Kombination. In der wissenschaftlichen Praxis sieht das dann so aus: „Diejenigen, die mit uns forschen, werden zum Teil hier sein müssen, aber nicht Vollzeit. Wir haben genügend Wissenschaftler, die für zwei Wochen oder einen Monat im Jahr kommen, und zwar immer wieder“, berichtet der IfW-Präsident. Das sei ein nützliches Konzept.
Snower, der die Politik des Wohlfahrtsstaats und die Beschäftigungspolitik zu seinen Forschungsschwerpunkten zählt, ist ein Mann der vielen und mitunter langen Sätze. Nur wenn es um die eigene Zukunft geht, wird er wortkarg.
In gut anderthalb Jahren erreicht er die Rentengrenze, und dann? „Ruhestand in der Forschung steht nicht am Horizont. Ich habe Unterstützung vom Land Schleswig-Holstein, noch länger bleiben zu können, das muss ich mir überlegen“, sagt er. In seiner Stimme liegt ein Mix aus Diplomatie, Kampfgeist und Sentimentalität. Er hege keine Absicht, sich in den Rollstuhl zu setzen: „Mir ist das Institut ans Herz gewachsen, ich fühle mich hier unverschämt gut.“ Aber es gilt auch: „In Großbritannien und in den USA – zu beiden Ländern habe ich einen Bezug – gibt es kein Ruhestandsalter. Deshalb kann ich relativ gelassen bleiben.“
Auch ganz schön emotional. Irgendwie.