Da war er auf einmal, der Mann, den die Welt suchte. Joaquín Guzmán Loera, alias „El Chapo“, der Kurze. Der Spitzname passt, wie plötzlich jeder sehen konnte. Der bis zuletzt mächtigste Rauschgifthändler der Welt ist tatsächlich kaum 1,60 Meter groß. Vermummte Soldaten der mexikanischen Marine drückten seinen Kopf mit dem gepflegten Schnauzbart nach unten, als sie ihn zum Armeehubschrauber führten. Der Griff in den Nacken ließ den 57-jährigen Paten noch kleiner wirken. Zwei weitere Helikopter des Militärs begleiteten dann den Flug nach Mexiko-Stadt, wo Guzmán in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht wurde. Er soll kein zweites Mal entwischen. Denn dies ist das Finale einer langen Jagd.
Der 1,60 Meter große Drogenboss bei seiner Festnahme in Mexiko
Der Häftling trug ein blütenweißes Hemd, zuvor hatten ihn seine Verfolger am Samstagmorgen halb nackt aus dem Bett geholt. Um 6.40 Uhr griff die Spezialeinheit zu, es fiel offenbar kein einziger Schuss. Die Festnahme ereignete sich im Hotel Miramar von Mazatlán im Bundesstaat Sinaloa am Pazifik, der Heimat des Patrons. Nach monatelanger Überwachung von Guzmáns Umgebung wagte das Einsatzkommando den Vorstoß in dem Seebad, unterstützt von der US-Antidrogenbehörde DEA. „Meine Anerkennung für die Sicherheitskräfte des mexikanischen Staates“, schrieb Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto auf Twitter; ein Eigenlob. Dies ist sein Triumph – und auch der von Washington. Aber warum gelang der Coup jetzt, zwei Tage nach dem Besuch von Barack Obama?
Joaquín Guzmán galt als stiller CEO des Sinaloa-Kartells, auch Pazifik-Kartell genannt, einer der bedeutendsten Verbrecherorganisationen der Erde. Das Syndikat aus dem mexikanischen Nordwesten schmuggelt fast die Hälfte des in den USA konsumierten Kokains. Es verdient außerdem mit Marihuana, Heroin und Amphetaminen, bis nach Asien und Europa. Guzmán wurde von Forbes als Milliardär geführt. Sein Einfluss übertraf möglicherweise den des 1993 erschossenen Kolumbianers Pablo Escobar, nur trat er wesentlich dezenter auf. Seit dem Tod von Osama bin Laden stand der Mexikaner auf der internationalen Fahndungsliste ganz oben. In Chicago ist Guzmán sogar „öffentlicher Feind Nummer eins“, das hatte seit Al Capone niemand mehr geschafft. Die USA boten fünf Millionen Dollar für ihn.
Sein Aufstieg zur Legende im Schattenreich der organisierten Kriminalität ist Stoff für Bücher und Telenovelas. Guzmán wurde 1957 als Sohn ärmlicher Landwirte in Badiraguato geboren, einem berüchtigten Dorf im Hinterland von Culiacán in der Region Sinaloa. Sein Clan gehört zu den Pionieren der Narcos, der Drogenschmuggler – viele Capos der Szene sind verwandt. In den Bergen der Gegend wachsen Klatschmohn und Cannabis, das Kokain kommt aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Guzmán wurde vom Orangenverkäufer zum Kumpan des Schwergewichts Miguel Ángel Felix Gallardo. Nach dessen Verhaftung 1989 entstand die Sinaloa-Gang.
1994 erwischten ihn seine Jäger, in Guatemala, doch 2001 brach der Gefangene aus der theoretisch streng bewachten Haftanstalt Puente Grande von Jalisco aus. Die Flucht gelang in einem Wäschetransport, mit offensichtlicher Unterstützung von Regierungsfunktionären. Das machte seinen Fall zum Mythos. Und zum Politikum. In jener Zeit war in Mexiko erstmals seit dem Bürgerkrieg die Revolutionspartei PRI abgewählt worden. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, dass die rechtsliberale Unternehmerpartei PAN die Sinaloa-Bande mit allerlei Ermittlungspannen schonte. 2006 schickte der damalige Staatschef Felipe Calderón von der PAN die Streitkräfte ins Gefecht, daraufhin wurde der Kampf um Routen und Märkte zum Gemetzel.
Mehr als 70000 Menschen wurden seither ermordet. Zudem werden 26000 Verschleppte vermisst. Zum Todfeind des Sinaloa-Kartells erwuchsen Los Zetas, gegründet von vormaligen Elitesoldaten. Grob gesagt, kontrollieren die Zetas den mexikanischen Osten und die Rivalen aus Sinaloa den mexikanischen Westen, dazwischen mischen andere Truppen von Dealern, Entführern und Killern mit. Die Zetas erschossen in dem Duell auch einen von Guzmáns Söhnen. Sein Unternehmen gilt als etwas weniger sadistisch als die Mordmaschine mit dem Zeichen Z, die Geköpfte und Zerhackte zu ihrem Markenzeichen machte. „Er ist ein Genie der Geschäfte“, sagte Mexikos früherer Geheimdienstchef Guillermo Valdés der spanischen Zeitung El País. Die Sinaloa-Vereinigung verwandelte sich in einen Multi, das schmutzige Vermögen wird weltweit in Immobilien und Firmen gewaschen.
Gleichzeitig wurde der Kokainkönig zum Phantom. Vor diesem Wochenende waren die letzten Fotos 13 bis 20 Jahre alt, Guzmán verbarg sich wohl meistens in den zerklüfteten Bergen seines Reviers. Zuweilen soll er mit seinem Heer von Leibwächtern jedoch ein Restaurant in Culiacán besucht haben. Helfer sammelten die Handys der übrigen Gäste ein und verkündeten, die Rechnung sei für alle bezahlt. Nach dem Essen gaben sie die Mobiltelefone zurück und verschwanden. Ein andermal wurde er auf einer Hochzeit gesichtet. Oder man vermutete ihn in Los Angeles, wo eine der Mütter seiner neun Kinder niederkam. Oder in Argentinien. Die Experten Mexikos und der USA blamierten sich ein ums andere Mal. Nun, 15 Monate nach der Rückkehr der PRI an die Macht und kurz nach Peña Nietos Treffen mit Obama am Donnerstag, wurde Guzmán überrascht. Angeblich verriet ihn ein Anruf.
Die Fahnder entdeckten unter Guzmáns Herberge ein Tunnelsystem. Beschlagnahmt wurden 47 gepanzerte Autos,
17 Häuser, drei Farmen und allerhand Waffen, ein Bruchteil des Arsenals. Fachleute vermuten, das Sinaloa-Kartell werde ohnehin schon längst von Guzmáns Partnern Ismael „El Mayo“ Zambada und Juan José Esparragoza, alias „El Azul“ (Der Blaue), gemanagt. Stärken könnte Guzmáns Sturz die Zetas.
Der 1,60 Meter große Drogenboss bei seiner Festnahme in Mexiko
Der Häftling trug ein blütenweißes Hemd, zuvor hatten ihn seine Verfolger am Samstagmorgen halb nackt aus dem Bett geholt. Um 6.40 Uhr griff die Spezialeinheit zu, es fiel offenbar kein einziger Schuss. Die Festnahme ereignete sich im Hotel Miramar von Mazatlán im Bundesstaat Sinaloa am Pazifik, der Heimat des Patrons. Nach monatelanger Überwachung von Guzmáns Umgebung wagte das Einsatzkommando den Vorstoß in dem Seebad, unterstützt von der US-Antidrogenbehörde DEA. „Meine Anerkennung für die Sicherheitskräfte des mexikanischen Staates“, schrieb Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto auf Twitter; ein Eigenlob. Dies ist sein Triumph – und auch der von Washington. Aber warum gelang der Coup jetzt, zwei Tage nach dem Besuch von Barack Obama?
Joaquín Guzmán galt als stiller CEO des Sinaloa-Kartells, auch Pazifik-Kartell genannt, einer der bedeutendsten Verbrecherorganisationen der Erde. Das Syndikat aus dem mexikanischen Nordwesten schmuggelt fast die Hälfte des in den USA konsumierten Kokains. Es verdient außerdem mit Marihuana, Heroin und Amphetaminen, bis nach Asien und Europa. Guzmán wurde von Forbes als Milliardär geführt. Sein Einfluss übertraf möglicherweise den des 1993 erschossenen Kolumbianers Pablo Escobar, nur trat er wesentlich dezenter auf. Seit dem Tod von Osama bin Laden stand der Mexikaner auf der internationalen Fahndungsliste ganz oben. In Chicago ist Guzmán sogar „öffentlicher Feind Nummer eins“, das hatte seit Al Capone niemand mehr geschafft. Die USA boten fünf Millionen Dollar für ihn.
Sein Aufstieg zur Legende im Schattenreich der organisierten Kriminalität ist Stoff für Bücher und Telenovelas. Guzmán wurde 1957 als Sohn ärmlicher Landwirte in Badiraguato geboren, einem berüchtigten Dorf im Hinterland von Culiacán in der Region Sinaloa. Sein Clan gehört zu den Pionieren der Narcos, der Drogenschmuggler – viele Capos der Szene sind verwandt. In den Bergen der Gegend wachsen Klatschmohn und Cannabis, das Kokain kommt aus Kolumbien, Peru und Bolivien. Guzmán wurde vom Orangenverkäufer zum Kumpan des Schwergewichts Miguel Ángel Felix Gallardo. Nach dessen Verhaftung 1989 entstand die Sinaloa-Gang.
1994 erwischten ihn seine Jäger, in Guatemala, doch 2001 brach der Gefangene aus der theoretisch streng bewachten Haftanstalt Puente Grande von Jalisco aus. Die Flucht gelang in einem Wäschetransport, mit offensichtlicher Unterstützung von Regierungsfunktionären. Das machte seinen Fall zum Mythos. Und zum Politikum. In jener Zeit war in Mexiko erstmals seit dem Bürgerkrieg die Revolutionspartei PRI abgewählt worden. Hartnäckig hielt sich das Gerücht, dass die rechtsliberale Unternehmerpartei PAN die Sinaloa-Bande mit allerlei Ermittlungspannen schonte. 2006 schickte der damalige Staatschef Felipe Calderón von der PAN die Streitkräfte ins Gefecht, daraufhin wurde der Kampf um Routen und Märkte zum Gemetzel.
Mehr als 70000 Menschen wurden seither ermordet. Zudem werden 26000 Verschleppte vermisst. Zum Todfeind des Sinaloa-Kartells erwuchsen Los Zetas, gegründet von vormaligen Elitesoldaten. Grob gesagt, kontrollieren die Zetas den mexikanischen Osten und die Rivalen aus Sinaloa den mexikanischen Westen, dazwischen mischen andere Truppen von Dealern, Entführern und Killern mit. Die Zetas erschossen in dem Duell auch einen von Guzmáns Söhnen. Sein Unternehmen gilt als etwas weniger sadistisch als die Mordmaschine mit dem Zeichen Z, die Geköpfte und Zerhackte zu ihrem Markenzeichen machte. „Er ist ein Genie der Geschäfte“, sagte Mexikos früherer Geheimdienstchef Guillermo Valdés der spanischen Zeitung El País. Die Sinaloa-Vereinigung verwandelte sich in einen Multi, das schmutzige Vermögen wird weltweit in Immobilien und Firmen gewaschen.
Gleichzeitig wurde der Kokainkönig zum Phantom. Vor diesem Wochenende waren die letzten Fotos 13 bis 20 Jahre alt, Guzmán verbarg sich wohl meistens in den zerklüfteten Bergen seines Reviers. Zuweilen soll er mit seinem Heer von Leibwächtern jedoch ein Restaurant in Culiacán besucht haben. Helfer sammelten die Handys der übrigen Gäste ein und verkündeten, die Rechnung sei für alle bezahlt. Nach dem Essen gaben sie die Mobiltelefone zurück und verschwanden. Ein andermal wurde er auf einer Hochzeit gesichtet. Oder man vermutete ihn in Los Angeles, wo eine der Mütter seiner neun Kinder niederkam. Oder in Argentinien. Die Experten Mexikos und der USA blamierten sich ein ums andere Mal. Nun, 15 Monate nach der Rückkehr der PRI an die Macht und kurz nach Peña Nietos Treffen mit Obama am Donnerstag, wurde Guzmán überrascht. Angeblich verriet ihn ein Anruf.
Die Fahnder entdeckten unter Guzmáns Herberge ein Tunnelsystem. Beschlagnahmt wurden 47 gepanzerte Autos,
17 Häuser, drei Farmen und allerhand Waffen, ein Bruchteil des Arsenals. Fachleute vermuten, das Sinaloa-Kartell werde ohnehin schon längst von Guzmáns Partnern Ismael „El Mayo“ Zambada und Juan José Esparragoza, alias „El Azul“ (Der Blaue), gemanagt. Stärken könnte Guzmáns Sturz die Zetas.