Es gab eine Zeit, sie ist schon eine gute Weile her, da war es vollkommen selbstverständlich, die britische Band The Who in einem Atemzug mit den Beatles und den Rolling Stones zu nennen. In seiner 1970 erschienenen und bis heute Maßstäbe setzenden Popgeschichte „AWopBopaLooBopALopBamBoom“ etwa schrieb der britische Popjournalist Nik Cohn: „Zehn Jahre hatte England im Pop nichts zu melden gehabt, war nur Mist produziert worden, und jetzt, aus dem Nichts, die drei Giganten: die Beatles, die Rolling Stones, die Who.“
Keith Moon, Pete Townshend, Roger Daltrey und John Entwistle (l-r) von der Rock-Gruppe The Who, aufgenommen 1978.
So um die erste Hälfte der Sechzigerjahre war das. Die Who waren nur einen kleinen Moment später dran als Beatles und Stones, dafür waren sie härter, lauter, wilder, aggressiver, sie hatten den verrückten Brachial-Virtuosen Keith Moon am Schlagzeug, den begnadeten Mod-Hymnen-Komponisten, gewieften Image-Ingenieur und wüsten Equipment-Zertrümmerer Pete Townshend und eben den Sänger Roger Daltrey, den Mann, der genau der zornige jugendliche Mod-Held war, für den sich der Intellektuelle Townshend die Songs und den ganzen perfekt-dekadenten Randale-Auftritt der Band ausdachte, ein Archetyp seiner Generation. Und mit dem Anfang des größten Who-Hits „My Generation“ stotterte er sich 1965 in die Musikgeschichte: „People try to put us ddddd-down / Just be-cccc-cause we get around / Things they do look awful ccccc-cold, / Hope I die before I get old“. Bis heute klingt es nie ganz richtig, wenn jemand anderes diese Zeilen singt. Schon gar nicht, wenn es der ergraute Daltrey selbst es tut.
PeMit seinen langen blonden Locken, knallengen Jeans und offenem Fransenhemd über dem drahtigen nackten Oberkörper war Daltrey das Urbild eines Kerls, der bald „Rockgott“ genannt wurde, der Frontmann und Sexgott, der schon auf den ersten Blick all die Versprechen leibhaftig einlöste, die die Musik geradeaus in die Hirnlappen der befreiten Jugend blies. Der Archetyp, an dem sich dann nicht nur in den verbleibenden Sechzigern, sondern auch noch in den Siebziger- und Achtzigerjahren fast die gesamte Popmusik abarbeitete, mal konstruktiv (Rock, Hard-Rock, Metal etc.), mal dekonstruktiv (Punk, Post-Punk, Indie etc.), mal konstruktiv-dekonstruktiv (Glam-Rock, Avantgarde-Pop etc.). Bevor allerdings Hollywood den Rockgott endgültig als Symbol der Befreiung suspendierte und zum ultimativen Rocktrottel zerlegte („This Is Spinal Tap“, „Waynes World“, 6. Staffel der Serie „Californication“) besorgte das Daltrey noch selbst. 1975 ritt er als Franz Liszt in Ken Russells wüstem Musicalfilm „Lisztomania“ auf seinem zu grotesker Größe erigierten Geschlechtsteil zur Penis-Guillotine.
Dass Daltrey übrigens dann doch nicht gestorben ist, bevor er alt wurde (das übernahm bei The Who 1978 traurigerweise Keith Moon), war natürlich kein Zufall. Er hielt – anders als der Rest der Band – nie viel von Alkohol und Drogen. 1965 warf ihn die Band sogar einmal kurzfristig raus, nachdem er Keith Moon verprügelt hatte – weil der Townsend und Bassist John Entwistle mit Drogen versorgt hatte. In den frühen Siebzigern gab es Spannungen, weil Daltrey aufgefallen war, dass die beiden Band-Manager, die Townsend hoch schätzte, geschlampt hatten.
Nach der großen Zeit der Who, die dann doch nicht so groß blieben wie Beatles und Stones, arbeitete er auch als Schauspieler, verwaltete seinen Ruhm mit Gastauftritten redlich, veröffentlichte unbedeutende Solo-Alben, nahm diverse Lebenswerk-Preise an, besuchte sympathisch-tiefenentspannt Fernsehshows und ließ sich von der Queen zum Commander of the British Empire schlagen – was man als ehemaliger Rockgott in der zweiten Reihe so tut, wenn man seine beste Zeit hinter sich hat, aber noch nicht faul, fertig oder selbstgerecht genug ist, um irgendwo still und leise auf den Tod zu warten.
Ach ja, mit den Who und Townshend stand er all die Jahre natürlich auch immer wieder auf der Bühne, zuletzt tourte die Band im vergangenen Jahr. Daltrey war da für sein Alter exzellent bei Stimme und wirkte mindestens zehn Jahre jünger. Kaum zu glauben, dass mit ihm am Sonntag wieder einer der großen alten Helden der Popmusik 70 Jahre alt wird.
Keith Moon, Pete Townshend, Roger Daltrey und John Entwistle (l-r) von der Rock-Gruppe The Who, aufgenommen 1978.
So um die erste Hälfte der Sechzigerjahre war das. Die Who waren nur einen kleinen Moment später dran als Beatles und Stones, dafür waren sie härter, lauter, wilder, aggressiver, sie hatten den verrückten Brachial-Virtuosen Keith Moon am Schlagzeug, den begnadeten Mod-Hymnen-Komponisten, gewieften Image-Ingenieur und wüsten Equipment-Zertrümmerer Pete Townshend und eben den Sänger Roger Daltrey, den Mann, der genau der zornige jugendliche Mod-Held war, für den sich der Intellektuelle Townshend die Songs und den ganzen perfekt-dekadenten Randale-Auftritt der Band ausdachte, ein Archetyp seiner Generation. Und mit dem Anfang des größten Who-Hits „My Generation“ stotterte er sich 1965 in die Musikgeschichte: „People try to put us ddddd-down / Just be-cccc-cause we get around / Things they do look awful ccccc-cold, / Hope I die before I get old“. Bis heute klingt es nie ganz richtig, wenn jemand anderes diese Zeilen singt. Schon gar nicht, wenn es der ergraute Daltrey selbst es tut.
PeMit seinen langen blonden Locken, knallengen Jeans und offenem Fransenhemd über dem drahtigen nackten Oberkörper war Daltrey das Urbild eines Kerls, der bald „Rockgott“ genannt wurde, der Frontmann und Sexgott, der schon auf den ersten Blick all die Versprechen leibhaftig einlöste, die die Musik geradeaus in die Hirnlappen der befreiten Jugend blies. Der Archetyp, an dem sich dann nicht nur in den verbleibenden Sechzigern, sondern auch noch in den Siebziger- und Achtzigerjahren fast die gesamte Popmusik abarbeitete, mal konstruktiv (Rock, Hard-Rock, Metal etc.), mal dekonstruktiv (Punk, Post-Punk, Indie etc.), mal konstruktiv-dekonstruktiv (Glam-Rock, Avantgarde-Pop etc.). Bevor allerdings Hollywood den Rockgott endgültig als Symbol der Befreiung suspendierte und zum ultimativen Rocktrottel zerlegte („This Is Spinal Tap“, „Waynes World“, 6. Staffel der Serie „Californication“) besorgte das Daltrey noch selbst. 1975 ritt er als Franz Liszt in Ken Russells wüstem Musicalfilm „Lisztomania“ auf seinem zu grotesker Größe erigierten Geschlechtsteil zur Penis-Guillotine.
Dass Daltrey übrigens dann doch nicht gestorben ist, bevor er alt wurde (das übernahm bei The Who 1978 traurigerweise Keith Moon), war natürlich kein Zufall. Er hielt – anders als der Rest der Band – nie viel von Alkohol und Drogen. 1965 warf ihn die Band sogar einmal kurzfristig raus, nachdem er Keith Moon verprügelt hatte – weil der Townsend und Bassist John Entwistle mit Drogen versorgt hatte. In den frühen Siebzigern gab es Spannungen, weil Daltrey aufgefallen war, dass die beiden Band-Manager, die Townsend hoch schätzte, geschlampt hatten.
Nach der großen Zeit der Who, die dann doch nicht so groß blieben wie Beatles und Stones, arbeitete er auch als Schauspieler, verwaltete seinen Ruhm mit Gastauftritten redlich, veröffentlichte unbedeutende Solo-Alben, nahm diverse Lebenswerk-Preise an, besuchte sympathisch-tiefenentspannt Fernsehshows und ließ sich von der Queen zum Commander of the British Empire schlagen – was man als ehemaliger Rockgott in der zweiten Reihe so tut, wenn man seine beste Zeit hinter sich hat, aber noch nicht faul, fertig oder selbstgerecht genug ist, um irgendwo still und leise auf den Tod zu warten.
Ach ja, mit den Who und Townshend stand er all die Jahre natürlich auch immer wieder auf der Bühne, zuletzt tourte die Band im vergangenen Jahr. Daltrey war da für sein Alter exzellent bei Stimme und wirkte mindestens zehn Jahre jünger. Kaum zu glauben, dass mit ihm am Sonntag wieder einer der großen alten Helden der Popmusik 70 Jahre alt wird.