Es ist ein Treffen unter Freunden, keine Frage. Angela Merkel und Donald Tusk kennen und schätzen einander seit Langem, jedenfalls erwecken sie nach außen diesen Eindruck. Man kann es auch jetzt wieder an der Art merken, wie der polnische Premier an diesem Mittwoch die deutsche Bundeskanzlerin in Warschau begrüßte. Er duzte sie und zeigte sich erfreut, dass Merkel die polnische Hauptstadt bereits im Januar als erstes Ziel in ihrer neuen Amtszeit hatte besuchen wollen – eine Reise, die sie wegen ihres Skiunfalls aber verschieben musste. Er unterstrich, wie wichtig die Einigkeit beider Länder, aber auch aller Staaten der EU sei. In vielerlei Hinsicht befinden sich die beiden Regierungschefs im Gleichklang: Beide gehören in der EU dem konservativ-liberalen Lager an, beide sind nüchterne, kühl kalkulierende Machtpolitiker, die nicht gerne allzu viele Worte machen. Zudem sind die deutsch-polnischen Beziehungen schon seit geraumer Zeit so gut, wie sie in der Geschichte vielleicht noch nie waren. Im Verhältnis zu Russland und in der Energiepolitik aber nehmen beide Länder in bestimmten Punkten unterschiedliche Positionen ein. Die Krim-Krise bringt diese Unterschiede unübersehbar an den Tag.
Angela Merkel und Donald Tusk, die beiden mögen sich, aber mit Russland verfolgen sie andere Interessen
Im Kern sind die Interessen und die daraus resultierenden Befürchtungen verschieden, weil die deutsche und die polnische Wirtschaft unterschiedlich stark mit der russischen verflochten sind. Aus Deutschland fließen mehr Investitionen nach Russland, der deutsche Handelsaustausch ist umfangreicher als der polnische. Aus diesem Grund agiert die Bundesregierung erkennbar vorsichtiger, sie setzt auf Dialog und trat in der Frage einer Verhängung von EU-Sanktionen gegenüber Russland zunächst zögerlich auf. Die Polen hingegen dringen schon seit Wochen gemeinsam mit den Briten darauf, dass die EU viel energischer auf die russischen Völkerrechtsverletzungen auf der Halbinsel Krim reagieren muss.
Donald Tusk rückte den Kontrast am Montag mit unverbrämter Deutlichkeit ins Licht, als er beim Besuch eines polnischen Marinestützpunkts in Pommern sagte: „Die Abhängigkeit von russischem Erdgas darf Europa nicht in einem Moment lähmen, in dem schnelles Handeln und ein eindeutiger Standpunkt gefragt sind. Das betrifft nicht nur Deutschland, aber die Deutschen sind ein Paradebeispiel dieser Abhängigkeit in den vergangenen Jahren.“ Diese Tatsache könne „effektiv die europäische Souveränität bedrohen“. Das waren starke Worte, die einmal mehr den Dissens auch in der Energiepolitik hervorkehren. Die deutsche Energiewende wird in Polen nicht aus Prinzip, sondern vor allem deshalb kritisch gesehen, weil die Abschaltung der Atomkraftwerke einhergeht mit der Erhöhung russischer Gaszufuhren. Zudem baut Deutschland jetzt seine Kohlekraftwerke stärker aus als Polen, obwohl die Deutschen den Nachbarn immer wieder angekreidet haben, dass diese überwiegend auf das „schwarze Gold“ als eigenen Rohstoff setzen. Das Ziel der Unabhängigkeit in der Energieversorgung vor Augen, stellt die polnische Regierung derzeit auch in Œwinoujœcie (Swinemünde) ein Flüssiggas-Terminal fertig und trifft Vorbereitungen für den Bau eines ersten Atomkraftwerkes an der Küste Pommerns. Bisher deckt Polen seinen Bedarf an Gas noch zu 70 Prozent und an Erdöl zu 90 Prozent in Russland.
Donald Tusks Bemerkungen rufen auch die Auseinandersetzungen in Erinnerung, die es 2005 gegeben hatte. Damals hatte Merkels Vorgänger Gerhard Schröder mit seinem russischen Männerfreund Wladimir Putin vereinbart, an den mitteleuropäischen Nachbarstaaten vorbei eine neue Gas-Pipeline direkt von Russland durch die Ostsee nach Ostdeutschland zu bauen. Was der sozialdemokratische Altkanzler nun in den vergangenen Tagen zum Krim-Konflikt sagte, stieß in Polen ebenfalls auf scharfe Kritik. Indem er die russische Krim-Politik mit der Nato-Intervention des Jahres 1999 im ehemaligen Jugoslawien verglich, habe er „die bisherigen Rekorde an Heuchelei geschlagen“, schrieb die Zeitung Gazeta Wyborcza. Doch gebe es in Deutschland noch mehr „Russland-Versteher“, und die „nützlichen Idioten“ des Kreml in Westeuropa sprächen im Übrigen nicht ausschließlich deutsch, sondern beispielsweise auch englisch.
Nicht nur die russische Energiemacht ruft an der Weichsel Besorgnis hervor. Zunehmend rücken auch militärische Aspekte in den Blick. „Wer schützt Polen?“, fragt am Mittwoch die Zeitschrift Polityka und kommt zu dem Schluss, das Land habe sich seit der Wende von 1989 so sehr auf den Frieden eingestellt, dass es jetzt auf ein anderes Szenario nicht vorbereitet sei. Und die Zeitschrift Wprost spöttelte, im Falle einer militärischen Konfrontation mit Russland bliebe den Polen „nach ein paar Tagen nur ein Partisanenkrieg im Wald“.
Dergleichen wird natürlich derzeit nicht ernsthaft erwogen, völlig fern ist militärisches Agieren aber auch nicht mehr. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Łask bei Łódź wurden am Mittwoch zwölf Kampfjets des Typs F-16 aus den USA erwartet, bis Donnerstag sollen 300 Soldaten folgen, es findet eine Übung statt. Sechs weitere F-16 sind bereits im benachbarten Litauen eingetroffen, außerdem entsendet die Nato Awacs-Aufklärungsflugzeuge nach Polen und Rumänien.
Am Mittwoch waren in Łask schon mal der Staatspräsident Bronisław Komorowski und Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak zu Besuch. Der Anlass fiel mit dem Besuch der Bundeskanzlerin zusammen: An genau diesem Tag ist es 15 Jahre her, dass Polen der Nato beigetreten ist.
Angela Merkel und Donald Tusk, die beiden mögen sich, aber mit Russland verfolgen sie andere Interessen
Im Kern sind die Interessen und die daraus resultierenden Befürchtungen verschieden, weil die deutsche und die polnische Wirtschaft unterschiedlich stark mit der russischen verflochten sind. Aus Deutschland fließen mehr Investitionen nach Russland, der deutsche Handelsaustausch ist umfangreicher als der polnische. Aus diesem Grund agiert die Bundesregierung erkennbar vorsichtiger, sie setzt auf Dialog und trat in der Frage einer Verhängung von EU-Sanktionen gegenüber Russland zunächst zögerlich auf. Die Polen hingegen dringen schon seit Wochen gemeinsam mit den Briten darauf, dass die EU viel energischer auf die russischen Völkerrechtsverletzungen auf der Halbinsel Krim reagieren muss.
Donald Tusk rückte den Kontrast am Montag mit unverbrämter Deutlichkeit ins Licht, als er beim Besuch eines polnischen Marinestützpunkts in Pommern sagte: „Die Abhängigkeit von russischem Erdgas darf Europa nicht in einem Moment lähmen, in dem schnelles Handeln und ein eindeutiger Standpunkt gefragt sind. Das betrifft nicht nur Deutschland, aber die Deutschen sind ein Paradebeispiel dieser Abhängigkeit in den vergangenen Jahren.“ Diese Tatsache könne „effektiv die europäische Souveränität bedrohen“. Das waren starke Worte, die einmal mehr den Dissens auch in der Energiepolitik hervorkehren. Die deutsche Energiewende wird in Polen nicht aus Prinzip, sondern vor allem deshalb kritisch gesehen, weil die Abschaltung der Atomkraftwerke einhergeht mit der Erhöhung russischer Gaszufuhren. Zudem baut Deutschland jetzt seine Kohlekraftwerke stärker aus als Polen, obwohl die Deutschen den Nachbarn immer wieder angekreidet haben, dass diese überwiegend auf das „schwarze Gold“ als eigenen Rohstoff setzen. Das Ziel der Unabhängigkeit in der Energieversorgung vor Augen, stellt die polnische Regierung derzeit auch in Œwinoujœcie (Swinemünde) ein Flüssiggas-Terminal fertig und trifft Vorbereitungen für den Bau eines ersten Atomkraftwerkes an der Küste Pommerns. Bisher deckt Polen seinen Bedarf an Gas noch zu 70 Prozent und an Erdöl zu 90 Prozent in Russland.
Donald Tusks Bemerkungen rufen auch die Auseinandersetzungen in Erinnerung, die es 2005 gegeben hatte. Damals hatte Merkels Vorgänger Gerhard Schröder mit seinem russischen Männerfreund Wladimir Putin vereinbart, an den mitteleuropäischen Nachbarstaaten vorbei eine neue Gas-Pipeline direkt von Russland durch die Ostsee nach Ostdeutschland zu bauen. Was der sozialdemokratische Altkanzler nun in den vergangenen Tagen zum Krim-Konflikt sagte, stieß in Polen ebenfalls auf scharfe Kritik. Indem er die russische Krim-Politik mit der Nato-Intervention des Jahres 1999 im ehemaligen Jugoslawien verglich, habe er „die bisherigen Rekorde an Heuchelei geschlagen“, schrieb die Zeitung Gazeta Wyborcza. Doch gebe es in Deutschland noch mehr „Russland-Versteher“, und die „nützlichen Idioten“ des Kreml in Westeuropa sprächen im Übrigen nicht ausschließlich deutsch, sondern beispielsweise auch englisch.
Nicht nur die russische Energiemacht ruft an der Weichsel Besorgnis hervor. Zunehmend rücken auch militärische Aspekte in den Blick. „Wer schützt Polen?“, fragt am Mittwoch die Zeitschrift Polityka und kommt zu dem Schluss, das Land habe sich seit der Wende von 1989 so sehr auf den Frieden eingestellt, dass es jetzt auf ein anderes Szenario nicht vorbereitet sei. Und die Zeitschrift Wprost spöttelte, im Falle einer militärischen Konfrontation mit Russland bliebe den Polen „nach ein paar Tagen nur ein Partisanenkrieg im Wald“.
Dergleichen wird natürlich derzeit nicht ernsthaft erwogen, völlig fern ist militärisches Agieren aber auch nicht mehr. Auf dem Luftwaffenstützpunkt Łask bei Łódź wurden am Mittwoch zwölf Kampfjets des Typs F-16 aus den USA erwartet, bis Donnerstag sollen 300 Soldaten folgen, es findet eine Übung statt. Sechs weitere F-16 sind bereits im benachbarten Litauen eingetroffen, außerdem entsendet die Nato Awacs-Aufklärungsflugzeuge nach Polen und Rumänien.
Am Mittwoch waren in Łask schon mal der Staatspräsident Bronisław Komorowski und Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak zu Besuch. Der Anlass fiel mit dem Besuch der Bundeskanzlerin zusammen: An genau diesem Tag ist es 15 Jahre her, dass Polen der Nato beigetreten ist.