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Die magische Sieben

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Die niedersächsische FDP geht mit Philipp Rösler an der Spitze in den Landtagswahlkampf. Ob er Bundesvorsitzender der Liberalen bleiben kann, wird vom Abschneiden bei dieser Wahl abhängen

Es gibt auch noch schöne Momente im politischen Leben des Philipp Rösler. Am Samstag wurde der Vizekanzler und FDP-Bundesvorsitzende in Osnabrück von seinem Landesverband auf Platz 1 der Kandidatenliste für die Bundestagswahl 2013 gesetzt. 258 Delegierte oder 88,36 Prozent der Stimmberechtigten sprechen ihm das Vertrauen aus, 32 votieren mit Nein. Rösler strahlt.

Sein Landesvorsitzender Stefan Birkner, Umweltminister in Niedersachsen und Spitzenkandidat für die Landtagswahl am 20. Januar, ist erleichtert. 'Ein ordentliches, aber auch ein authentisches Ergebnis', lautet sein Urteil. Natürlich seien die Mitglieder ob der schlechten Umfragewerte verunsichert. Aber sie hätten doch das Signal der Geschlossenheit gegeben, das die Partei jetzt so dringend brauche.

Jeder im Saal, auch Rösler selbst, weiß, dass der Ausgang der Niedersachsen-Wahl über das Schicksal des Vorsitzenden entscheidet. Auf mindestens sieben Prozent legen manche die Messlatte, von der an Rösler an der Spitze der Bundespartei bleiben könne. Wenn diese Marke verfehlt werde, müsse sich die Bundespartei für den Bundestagswahlkampf neu aufstellen.





Aber Rösler hat den Kampf noch lange nicht aufgegeben. 'Ich weiß, wie viele von Ihnen sich hier fühlen', spricht er die Seelenlage der Delegierten in Osnabrück offen an. Er hätte als Parteivorsitzender in den vergangenen anderthalb Jahren manches besser machen können, räumt er ein. Er habe Fehler gemacht, zum Beispiel eigene Erfolge 'verjubelt' - und man erinnert sich an sein übertriebenes Triumphgehabe nach der Nominierung von Joachim Gauck zum Bundespräsidenten-Kandidaten. 'Aber eines kann ich sagen: Wenn meine Partei mich gebraucht hat, war ich da - auch am letzten Sonntag', nimmt Rösler für sich in Anspruch. Er spielt damit auf den Koalitionsausschuss an, dessen Ergebnisse Rösler sehr wohl als Erfolg für die FDP gewertet wissen will. 'Und ich werde auch in den nächsten Wochen da sein', verspricht er. 'Ihr seid entschlossen, Euch nicht unterkriegen zu lassen', ruft Rösler den Delegierten zu. 'Eure Entschlossenheit ist mein Auftrag. Darauf könnt Ihr Euch verlassen.'

In der anschließenden Kandidatenbefragung geht keiner der 32, die später ihre Nein-Stimme abgeben, ans Mikrofon. Ein Delegierter will von Rösler eine Erklärung für die Diskrepanz zwischen seinem negativen Bild in den Medien und den lobenden Worten vieler, die Rösler im persönlichen Gespräch erleben. Was soll der Befragte darauf sagen? Etwas in dem Sinne, dass diese Menschen ihre Botschaft möglichst weitersagen sollen. Viele auch und gerade in der eigenen Partei verbreiten eine andere Botschaft. Sie glauben nicht mehr daran, dass es diesem Vorsitzenden gelingen wird, die Stimmung bei den Wählern zu drehen. Sie setzen auf die Neuaufstellung. Sie setzen auf ein Tandem aus dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion, Rainer Brüderle, und dem nordrhein-westfälischen Landes-und Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner. Doch auf die Frage, wie dies bewerkstelligt werden soll, zucken auch sie mit den Schultern.

Brüderle hat bisher alle Ambitionen auf die Spitzenkandidatur und den Parteivorsitz bestritten, und die meisten, die ihn kennen, sagen, dass es ihm damit ernst sei - trotz seiner häufigen Sticheleien gegen Rösler. Lindner wehrt alle Versuche ab, ihn schon nach so kurzer Zeit in Düsseldorf wieder auf die Bundesbühne hieven zu wollen. Kaum einer mag sich vorstellen, dass diese beiden zu einem Bündnis bereit wären, das zunächst eine Arbeitsteilung und später die alleinige Spitzenposition Lindners zum Inhalt hätte. In dieser Lage betreiben einige in der FDP eine Strategie der Zermürbung des Vorsitzenden mit dem Ziel, ihn zum Amtsverzicht zu drängen.

Ziemlich unverhohlen tut dies der Vorsitzende der schleswig-holsteinischen FDP-Landtagsfraktion, Wolfgang Kubicki. Just am Vorabend der Listenaufstellung in Osnabrück räkelt sich Kubicki in der ZDF-Heute-Show, bestätigt grinsend, dass die FDP die Menschen nicht mehr erreiche, dass es aber keinen Putsch gegen Rösler geben werde, und dass er ihn beim Parteitag Anfang Mai nächsten Jahres in Nürnberg wiederwählen werde, wenn denn kein anderer kandidiere.

Zum neuen, kämpferischen Rösler gehört, dass er sich offenbar nicht mehr jede Gemeinheit gefallen lassen will. In Osnabrück, wo er sich unter Freunden weiß, keilt er zurück: 'Wenn man weiter schaut in Richtung Schleswig-Holstein, weiß man den Unterschied zu schätzen zwischen Freund und Parteifreund.' Im Landtagswahlkampf ist ein gemeinsamer Auftritt von Rösler und Kubicki vorgesehen. Die politische Konkurrenz freut sich schon.

Gesundheitsminister Daniel Bahr glaubt nicht an den Erfolg der Nadelstich-Strategie. 'Wer es wie Rösler aushält, jahrelang in einer kleinen Ministeriumskammer zu schlafen, den macht man nicht so schnell mürbe,' sagt Bahr. Da müssen es schon weniger als sieben Prozent am 20. Januar in Niedersachsen sein.

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