Man sollte meinen, dass Englands erfolgreichster Komiker professionell genug ist, um vor der Kamera nicht die Beherrschung zu verlieren. Doch wiederholt bricht Ricky Gervais inmitten von Szenen in Gelächter aus, nachdem ihn sein Co-Star mal wieder mit Kostproben jahrzehntelang trainierter Improvisationskomik aus dem Konzept bringt. „Es ist unmöglich, nicht zu lachen, wenn du dich mit einem verdammten Frosch unterhältst“, erklärt Gervais später glückselig. „Selbst in Mittagspausen suche ich immer seine Nähe und könnte tausend Mal der Versuchung erliegen, ihm kurz meinen Finger in den Mund zu stupsen – denn garantiert sagt niemand auf der Welt so lustig ,Bäh!‘ wie Kermit, der Frosch.“
Kermit der Frosch und Miss Piggy nach wie vor: im Rampenlicht
Gervais ist beim Setbesuch nicht der einzige berühmte Zweibeiner, der in den Ateliers der Londoner Pinewood-Studios restlos der Macht der Muppets erliegt. Auch die amerikanische Comedy-Ikone Tina Fey wartet zusammen mit Serienstar Ty Burrell („Modern Family“) auf den Einsatz für „Muppets Most Wanted“, um kurze Szenen mit Kermit zu drehen, „dem Daniel Day-Lewis der Froschwelt“. Es geht um einen kriminellen Doppelgänger Kermits im neuen Film. Um eine Europatournee des Puppen-Ensembles, und natürlich um die ewigen Heiratsabsichten einer gewissen Miss Piggy, die hier ein weißes Kleid von Vivienne Westwood in der Garderobe hängen hat.
Vor allem aber geht es bei „Muppets Most Wanted“ (deutscher Filmstart: 5.Mai) um die Frage, wie weit der überraschende Siegeszug von Figuren noch reichen mag, deren handgenähter Charme im digitalen Zeitalter so anachronistisch anmutet, dass es wieder progressiv wirkt.
Denn tatsächlich sind Blue Screens und anderer Effekte-Schnickschnack bis heute die Ausnahme bei „Muppets“-Gigs. In der Regel wird jede Figur vielmehr von zwei Puppenspielern bewegt, die neben Podesten oder in Bühnengräben auf Fußhöhe der Realschauspieler stehen, um die Welten von Mensch und Muppet perspektivisch zu vereinen. „Man kommt gar nicht auf die Idee“, sagt Gervais, „Blickkontakt aufzunehmen, weil dich die Puppen komplett in den Bann ziehen. So richtig realisiert man erst später, wie kreativ dieses Team ist. Sie sind Puppenspieler, Komiker, Schauspieler. Sogar Miss Piggy wird von einem Mann gesprochen, und es dauert keine fünf Minuten, bis du mit ihr flirtest.“
Einer aus dem Team der Muppets-Macher ist Steve Whitmore, ein sanfter Mann Anfang fünfzig mit Topfschnittfrisur, der seit mehr als zehn Jahren für Kermit verantwortlich ist und in dieser Rolle derzeit auch für Interviews um die Welt reist und unsichtbar in Talkshows sitzt. Hintergrundgespräche mit Whitmore und dem harten Kern von sechs Puppenexperten, die es zusammen beherrschen, zwei Dutzend Charaktere zum Leben zu erwecken, sind jedoch nicht vorgesehen am Set von „Muppets Most Wanted“. Auch als die SZ gebeten wird, nichts über Puppen in leblosem Zustand zu schreiben, wird das Bemühen um den Schutz der Markenmagie mehr als deutlich.
Allerdings könnte man Betriebsgeheimnisse noch nicht mal verraten, nachdem man tief ins Herz der Muppetmaschine geblickt hat. Sprichwörtlich laufen alle Fäden in der Kostümabteilung zusammen, wo neben Hunderten Outfits eben auch die Muppets herumhängen, die gerade drehfrei haben. Instinktiv sucht jeder Besucher nach persönlichen Favoriten im Gewusel von Puppen, Stoffköpfen und Ersatzteilen. Miss Piggy, sagt eine Schneiderin, sei nicht die Strapazierfähigste, rund dreißig identische Köpfe würden verschlissen pro Kinofilm. Dann, endlich, findet man auch die großartigen Grantler Waldorf & Stattler! Oder nur zwei Kleiderstangen entfernt: das Mondgesicht von Dr. Bunsenbrenner, Assistent Beaker, Sam the Eagle ...
Wem diese Namen nichts sagen, der hat entweder 2011 die Wiedergeburt des Phänomens verpasst, als „The Muppets“ weltweit 165 Millionen Dollar einspielte und der Song „Man or Muppet“ den Oscar gewann. Oder gar gleich eine tragische Kindheit erlebt, in der 120 Folgen von Jim Hensons „Muppet Show“ (1976 – 1981) keine gewichtige Rolle spielten. „Die Muppets waren meine Einstiegsdroge für Comedy“, erinnert sich etwa Nicholas Stoller, Regisseur und Autor des neuen Films. Oder Schauspieler Ty Burrell: „Die Muppets haben mein Verständnis von Witz so sehr geprägt, dass ich die Rolle auch für eine Packung Taschentücher gespielt hätte.“
Ohne die nostalgische Liebe der Babyboomer-Generation wäre ein Comeback von Figuren nicht möglich gewesen, die wechselnde Lizenzinhaber zwischenzeitlich wie ausgepresste Zitronen handelten. Für 680 Millionen Dollar gingen die Muppets noch 2000 an das deutsche Medienunternehmen EM.TV – und waren einen Crash später bloß 84 Millionen wert. Für einen ungenannten Preis erwarb schließlich Disney die Rechte an Kermit und Co. – wo man die gute Idee hatte, den Stoff nachgewachsenen Fans anzuvertrauen.
Namentlich Schauspieler Jason Segal („How I Met Your Mother“) und Kult-Songwriter Jermaine Clement („Flight of the Conchords“) führten die Muppets als Herzensangelegenheit zurück in die Moderne, als sie 2011 den ersten Film des zweiten Muppets-Frühlings konzipierten. „Es ist immer schwierig“, findet Ricky Gervais, „zugleich beide Ebenen zu treffen, auf denen sich sowohl Kinder als auch erwachsene Zuschauer unterhalten fühlen. Und hier stimmt die Mischung, weil die Figuren unangetastet bleiben, während das Drehbuch meine hohen Comedy-Ansprüche erfüllt.“ An ihrem ersten US-Wochenende spielten „Die Muppets 2“ nun 16,5 Millionen Dollar ein. Platz zwei hinter dem futuristischen Jugenddrama „Divergent“
(56 Millionen Dollar) – die Puppen müssen als Kino-Konkurrenz also ernst, aber auch nicht zu ernst genommen werden. Der Marketing-Blitz durch Disney jedenfalls ist
beträchtlich, auch die Werbung hat Kermit und Piggy in allerlei Kampagnen wiederentdeckt, ein Hauch von Overkill ist bei aller Liebe nicht zu leugnen.
Das soll, wenn es nach Disney und der Henson-Familie geht, nur der Anfang sein. Unabhängig von weiteren Filmen wird laut über ein Muppets-Musical am Broadway nachgedacht. Auch eine TV-Neuauflage scheint bloß noch eine Frage der Zeit zu sein. Nicht als „Muppet Show“ mit prominenten Gästen, sondern voraussichtlich als „Reality“-Show, in der die Kamera dem Privatleben der Muppets folgen wird. Doch so groß, vielleicht zu groß, die Muppets auf globalem Level auch noch werden könnten – immerhin ist von den Titelstars nie zu befürchten, dass sie abseits des Jobs mit Skandalen langweilen. Nach Feierabend geht es auch für Kermit zurück an die Stange. Eingepackt in Plastikfolie und keinen Tag gealtert in 59 Jahren seit seiner Geburt.
Kermit der Frosch und Miss Piggy nach wie vor: im Rampenlicht
Gervais ist beim Setbesuch nicht der einzige berühmte Zweibeiner, der in den Ateliers der Londoner Pinewood-Studios restlos der Macht der Muppets erliegt. Auch die amerikanische Comedy-Ikone Tina Fey wartet zusammen mit Serienstar Ty Burrell („Modern Family“) auf den Einsatz für „Muppets Most Wanted“, um kurze Szenen mit Kermit zu drehen, „dem Daniel Day-Lewis der Froschwelt“. Es geht um einen kriminellen Doppelgänger Kermits im neuen Film. Um eine Europatournee des Puppen-Ensembles, und natürlich um die ewigen Heiratsabsichten einer gewissen Miss Piggy, die hier ein weißes Kleid von Vivienne Westwood in der Garderobe hängen hat.
Vor allem aber geht es bei „Muppets Most Wanted“ (deutscher Filmstart: 5.Mai) um die Frage, wie weit der überraschende Siegeszug von Figuren noch reichen mag, deren handgenähter Charme im digitalen Zeitalter so anachronistisch anmutet, dass es wieder progressiv wirkt.
Denn tatsächlich sind Blue Screens und anderer Effekte-Schnickschnack bis heute die Ausnahme bei „Muppets“-Gigs. In der Regel wird jede Figur vielmehr von zwei Puppenspielern bewegt, die neben Podesten oder in Bühnengräben auf Fußhöhe der Realschauspieler stehen, um die Welten von Mensch und Muppet perspektivisch zu vereinen. „Man kommt gar nicht auf die Idee“, sagt Gervais, „Blickkontakt aufzunehmen, weil dich die Puppen komplett in den Bann ziehen. So richtig realisiert man erst später, wie kreativ dieses Team ist. Sie sind Puppenspieler, Komiker, Schauspieler. Sogar Miss Piggy wird von einem Mann gesprochen, und es dauert keine fünf Minuten, bis du mit ihr flirtest.“
Einer aus dem Team der Muppets-Macher ist Steve Whitmore, ein sanfter Mann Anfang fünfzig mit Topfschnittfrisur, der seit mehr als zehn Jahren für Kermit verantwortlich ist und in dieser Rolle derzeit auch für Interviews um die Welt reist und unsichtbar in Talkshows sitzt. Hintergrundgespräche mit Whitmore und dem harten Kern von sechs Puppenexperten, die es zusammen beherrschen, zwei Dutzend Charaktere zum Leben zu erwecken, sind jedoch nicht vorgesehen am Set von „Muppets Most Wanted“. Auch als die SZ gebeten wird, nichts über Puppen in leblosem Zustand zu schreiben, wird das Bemühen um den Schutz der Markenmagie mehr als deutlich.
Allerdings könnte man Betriebsgeheimnisse noch nicht mal verraten, nachdem man tief ins Herz der Muppetmaschine geblickt hat. Sprichwörtlich laufen alle Fäden in der Kostümabteilung zusammen, wo neben Hunderten Outfits eben auch die Muppets herumhängen, die gerade drehfrei haben. Instinktiv sucht jeder Besucher nach persönlichen Favoriten im Gewusel von Puppen, Stoffköpfen und Ersatzteilen. Miss Piggy, sagt eine Schneiderin, sei nicht die Strapazierfähigste, rund dreißig identische Köpfe würden verschlissen pro Kinofilm. Dann, endlich, findet man auch die großartigen Grantler Waldorf & Stattler! Oder nur zwei Kleiderstangen entfernt: das Mondgesicht von Dr. Bunsenbrenner, Assistent Beaker, Sam the Eagle ...
Wem diese Namen nichts sagen, der hat entweder 2011 die Wiedergeburt des Phänomens verpasst, als „The Muppets“ weltweit 165 Millionen Dollar einspielte und der Song „Man or Muppet“ den Oscar gewann. Oder gar gleich eine tragische Kindheit erlebt, in der 120 Folgen von Jim Hensons „Muppet Show“ (1976 – 1981) keine gewichtige Rolle spielten. „Die Muppets waren meine Einstiegsdroge für Comedy“, erinnert sich etwa Nicholas Stoller, Regisseur und Autor des neuen Films. Oder Schauspieler Ty Burrell: „Die Muppets haben mein Verständnis von Witz so sehr geprägt, dass ich die Rolle auch für eine Packung Taschentücher gespielt hätte.“
Ohne die nostalgische Liebe der Babyboomer-Generation wäre ein Comeback von Figuren nicht möglich gewesen, die wechselnde Lizenzinhaber zwischenzeitlich wie ausgepresste Zitronen handelten. Für 680 Millionen Dollar gingen die Muppets noch 2000 an das deutsche Medienunternehmen EM.TV – und waren einen Crash später bloß 84 Millionen wert. Für einen ungenannten Preis erwarb schließlich Disney die Rechte an Kermit und Co. – wo man die gute Idee hatte, den Stoff nachgewachsenen Fans anzuvertrauen.
Namentlich Schauspieler Jason Segal („How I Met Your Mother“) und Kult-Songwriter Jermaine Clement („Flight of the Conchords“) führten die Muppets als Herzensangelegenheit zurück in die Moderne, als sie 2011 den ersten Film des zweiten Muppets-Frühlings konzipierten. „Es ist immer schwierig“, findet Ricky Gervais, „zugleich beide Ebenen zu treffen, auf denen sich sowohl Kinder als auch erwachsene Zuschauer unterhalten fühlen. Und hier stimmt die Mischung, weil die Figuren unangetastet bleiben, während das Drehbuch meine hohen Comedy-Ansprüche erfüllt.“ An ihrem ersten US-Wochenende spielten „Die Muppets 2“ nun 16,5 Millionen Dollar ein. Platz zwei hinter dem futuristischen Jugenddrama „Divergent“
(56 Millionen Dollar) – die Puppen müssen als Kino-Konkurrenz also ernst, aber auch nicht zu ernst genommen werden. Der Marketing-Blitz durch Disney jedenfalls ist
beträchtlich, auch die Werbung hat Kermit und Piggy in allerlei Kampagnen wiederentdeckt, ein Hauch von Overkill ist bei aller Liebe nicht zu leugnen.
Das soll, wenn es nach Disney und der Henson-Familie geht, nur der Anfang sein. Unabhängig von weiteren Filmen wird laut über ein Muppets-Musical am Broadway nachgedacht. Auch eine TV-Neuauflage scheint bloß noch eine Frage der Zeit zu sein. Nicht als „Muppet Show“ mit prominenten Gästen, sondern voraussichtlich als „Reality“-Show, in der die Kamera dem Privatleben der Muppets folgen wird. Doch so groß, vielleicht zu groß, die Muppets auf globalem Level auch noch werden könnten – immerhin ist von den Titelstars nie zu befürchten, dass sie abseits des Jobs mit Skandalen langweilen. Nach Feierabend geht es auch für Kermit zurück an die Stange. Eingepackt in Plastikfolie und keinen Tag gealtert in 59 Jahren seit seiner Geburt.