Vermutlich war das Leben auf Südsee-Inseln niemals so schön und sorgenfrei, wie gestresste Mitteleuropäer es sich eingeredet haben. Im Bemühen, seine Lebensgrundlage zu sichern oder sogar etwas Wohlstand zu erreichen, hat manches Volk Wälder gerodet und Arten ausgerottet. Die moderne Ära des Tourismus hat Dieselgeneratoren und elektrische Wasserpumpen, Autos und größere Häuser gebracht. Und jetzt noch der Klimawandel, der den Meeresspiegel steigen lässt und Wirbelstürme zerstörerischer macht: Das könnte für viele dieser Inseln, aber auch für andere Regionen der letzte Tropfen sein, der sie in den kommenden Jahrzehnten unbewohnbar macht.
Eine Frau und ein Kind, die in Pakistan auf Wasser warten. Vor kurzem sind dort mehr als hundert Kinder verhungert.
„Die Risiken häufen sich, wirken aufeinander ein und verstärken sich gegenseitig“, sagt Chris Field, einer der beiden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe 2 des Weltklimarats, die an diesem Montag in Yokohama ihren jüngsten Bericht vorlegt. Fields Team betrachtet die Folgen des Wandels für Menschen und Natur und ihre Anpassungsmöglichkeiten; die physikalischen Veränderungen des Klimas hatte Arbeitsgruppe1 vor sechs Monaten analysiert.
Veränderungen in den Gesellschaften, vom Bevölkerungswachstum bis zur Besiedlung von überflutungsgefährdeten Küsten- oder Bergregionen, machen die Menschen anfälliger gegenüber den Extremereignissen und klimatischen Veränderungen, welche die globale Erwärmung mit sich bringt. Und verletzlich, so Field, seien nicht nur „irgendwelche Käfer in einem weitentfernten Land“, nicht einmal allein die häufig genannten armen Küstenbewohner in Entwicklungsländern wie Bangladesch. Es gebe in Wirklichkeit überall auf der Welt „Bereiche der Verletzlichkeit“, auch in reichen Ländern; auch in Europa.
Der Bericht, den die Arbeitsgruppe2 vorgelegt hat, enthält das Risiko als zentrales Konzept. Darin unterscheidet er sich vom vorigen Bericht von 2007. „Wir haben nicht nur die wahrscheinlichste Veränderung analysiert, sondern uns auch gefragt, was unter extremen Umständen passieren könnte“, sagt Field. „Das sind nämlich die Situationen, wo wirklich etwas kaputtgeht und Menschen zu Schaden kommen.“
Acht zentrale Risiken nennen die Forscher. Dazu gehören größere Unsicherheiten bei der Nahrungsmittelversorgung, weil Getreide wie Weizen und Mais schon jetzt im globalen Maßstab unter der eingetretenen Erwärmung leiden. Auch das Trinkwasser wird wohl Probleme bereiten, weil die verfügbaren Mengen zurückgehen; das droht auch in Industrieländern etwa am Mittelmeer. Zudem könnte praktisch überall die Aufbereitung von Abwasser in Kläranlagen schwieriger werden. Hitzewellen werden zur Gesundheitsgefahr für die Bewohner großer Städte – und für alle, die draußen arbeiten müssen.
Weiter auf der Liste: Wetterextreme, die in vielen Ländern kritische Infrastrukturen wie das Strom- oder Trinkwassernetz beschädigen können. Und schließlich der Anstieg des Meeresspiegels, der auch größere Sturmfluten mit sich bringt. Sie bedrohen das Leben und die wirtschaftliche Existenz von Bewohnern vieler Küstenregionen. Manche Ökosysteme werden vermutlich in Zukunft nicht mehr existieren oder nur noch stark eingeschränkt funktionieren, heißt es im Bericht: Dazu gehören vor allem die tropischen Korallenriffe und die Arktis. Mit den Ökosystemen sind aber die Menschen bedroht, die in ihnen leben.
An der Natur lässt sich am besten erkennen, was der Klimawandel heute schon angerichtet hat. Das zeigt der Bericht verlässlicher als je zuvor: Zugvögel verschieben ihre Routen und Reisetermine, Arten verlegen ihre Lebensräume, wo es möglich ist, in kühlere Regionen – und werden seltener, wo das nicht so einfach geht. Zwar gibt es unter Tieren und Pflanzen auch einige Gewinner des Klimawandels. Wegen der dadurch ausgelösten Unsicherheiten wollten die Forscher keine Zahl der Arten mehr schätzen, die durch den Klimawandel wohl aussterben werden. Aber insgesamt rechnen die Wissenschaftler damit, dass viele Arten unwiederbringlich verloren gehen – wie schon bei früheren Klimaveränderungen in der Erdgeschichte, obwohl diese weit langsamer vonstatten gingen. Die Erderwärmung mag so langsam kommen, dass Menschen sich kaum zum Handeln aufraffen können, für das Leben auf der Welt geht es immer noch viel zu schnell.
Dabei gibt es auch für die Menschen schon massive Konsequenzen. „Wir können jetzt mit größerer Tiefe und Genauigkeit eine Wirkung feststellen“, sagt Wolfgang Cramer, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leitautor eines Kapitels im Bericht. In der Landwirtschaft etwa zeige sich schon heute, dass die Erträge langsamer steigen – immer mehr Technik müsse aufgewendet werden, um nur das Niveau zu halten. „Das ist ein Wettlauf, den man nicht gewinnen kann“, sagt Cramer.
Die IPCC-Berichte sind immer auch politisch, das ist ihre größte Stärke und Schwäche zugleich. Der Rat der Wissenschaftler wertet im Auftrag der Vereinten Nationen die relevante Forschung aus, die Ergebnisse werden in einem langwierigen Prozess mit allen Regierungen abgestimmt. Am härtesten umkämpft ist jeweils die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“, über sie wurde in den vergangenen Tagen in Yokohama lange verhandelt. Dieser Prozess wird oft kritisiert – wie können sich Wissenschaftler von Politikern die Ergebnisse diktieren lassen? Andererseits aber verleiht genau das den IPCC-Berichten ihre Bedeutung: Keine Regierung kann sie mehr anzweifeln.
Und tatsächlich scheinen die Verhandlungen dieses Mal zwar hart, aber doch einigermaßen sachlich abgelaufen zu sein. „Das klingt schönfärberisch, ist aber wahr: Die Atmosphäre war konstruktiv“, sagt Cramer. Kritisch bleibe aber der Nord-Süd-Konflikt, das Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern. Entwicklungsländern ist traditionell daran gelegen, dass Schäden in ihren Regionen klar dem Klimawandel zugeordnet werden, um später auf Entschädigungen pochen zu können; Industriestaaten wiederum wollen nicht zu sehr als Schuldige dastehen. Vergleicht man aber die Endversion der Zusammenfassung mit Entwürfen, scheint sich diesmal nahezu die Stimme der Vernunft durchgesetzt zu haben. Vieles ist klarer formuliert, manches differenzierter ausgedrückt. Eingeschränkt wurden etwa die Aussagen zur Gesundheit: Ursprünglich hieß es, der Klimawandel habe wahrscheinlich zu Gesundheitsproblemen beigetragen; jetzt wird nur noch darauf verwiesen, dass diese Belastung im Vergleich zu anderen Faktoren klein und schlecht quantifizierbar sei.
„Auf das Risiko zu fokussieren, ist eine Erweiterung der Perspektive“, sagt Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen in Bonn, der Leitautor eines weiteren Kapitels war. „Es geht nicht mehr um die Frage, wo die meisten Menschen betroffen sind, sondern wo sie die geringsten Kapazitäten für die Bewältigung haben.“
Die Forscher des IPCC drängen darauf, dass die Nationen Entscheidungen über ihre Anpassungsstrategien schaffen. Chris Field versucht es mit Charme und Zweckoptimismus. Er spricht von den vielfältigen Möglichkeiten, „kluge Entscheidungen für die Zukunft zu treffen“, die der aktuelle Bericht betone. Vor sieben Jahren, beim vorherigen Report, habe die Weltgemeinschaft über Anpassung vor allem geredet, inzwischen hätten Regierungen begonnen, Maßnahmen zu beschließen, bevor die Probleme anwachsen. Das kann Küstenschutz sein oder solidere Infrastruktur; wassersparende Bewässerungssysteme oder Energieeffizienz: Vieles dient nicht nur der Anpassung, sondern auch der Entwicklung oder der Lebensqualität.
Zur gleichen Zeit aber, mahnt Koko Warner von der UN-Universität in Bonn, zerstörten viele Menschen beim Versuch, sich an den Klimawandel anzupassen, die Basis für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Farmer in Burkina Faso etwa, die nach einer Serie von Dürren ihre einst große Herde von Kamelen, Kühen, Ziegen und Schafen verloren haben: „In vielen Gegenden in Afrika, Asien oder der Karibik passen sich die Menschen an, indem sie Tiere verkaufen, weniger essen und ihre Kinder aus der Schule nehmen, besonders die Töchter“, sagt die aus den USA stammende Wissenschaftlerin. Andere Möglichkeiten blieben den Betroffenen oft nicht, sie hätten dann aber auch kaum noch eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen.
Entscheidungen über die Anpassung müssten daher mit Blick auf künftige Lebensbedingungen getroffen werden. Und das schnell: „Keine Entscheidung zu treffen ist auch eine Entscheidung.“ Das allerdings ist ein Satz, der auch auf den Umgang der Staatengemeinschaft mit dem Klimawandel passt.
Eine Frau und ein Kind, die in Pakistan auf Wasser warten. Vor kurzem sind dort mehr als hundert Kinder verhungert.
„Die Risiken häufen sich, wirken aufeinander ein und verstärken sich gegenseitig“, sagt Chris Field, einer der beiden Vorsitzenden der Arbeitsgruppe 2 des Weltklimarats, die an diesem Montag in Yokohama ihren jüngsten Bericht vorlegt. Fields Team betrachtet die Folgen des Wandels für Menschen und Natur und ihre Anpassungsmöglichkeiten; die physikalischen Veränderungen des Klimas hatte Arbeitsgruppe1 vor sechs Monaten analysiert.
Veränderungen in den Gesellschaften, vom Bevölkerungswachstum bis zur Besiedlung von überflutungsgefährdeten Küsten- oder Bergregionen, machen die Menschen anfälliger gegenüber den Extremereignissen und klimatischen Veränderungen, welche die globale Erwärmung mit sich bringt. Und verletzlich, so Field, seien nicht nur „irgendwelche Käfer in einem weitentfernten Land“, nicht einmal allein die häufig genannten armen Küstenbewohner in Entwicklungsländern wie Bangladesch. Es gebe in Wirklichkeit überall auf der Welt „Bereiche der Verletzlichkeit“, auch in reichen Ländern; auch in Europa.
Der Bericht, den die Arbeitsgruppe2 vorgelegt hat, enthält das Risiko als zentrales Konzept. Darin unterscheidet er sich vom vorigen Bericht von 2007. „Wir haben nicht nur die wahrscheinlichste Veränderung analysiert, sondern uns auch gefragt, was unter extremen Umständen passieren könnte“, sagt Field. „Das sind nämlich die Situationen, wo wirklich etwas kaputtgeht und Menschen zu Schaden kommen.“
Acht zentrale Risiken nennen die Forscher. Dazu gehören größere Unsicherheiten bei der Nahrungsmittelversorgung, weil Getreide wie Weizen und Mais schon jetzt im globalen Maßstab unter der eingetretenen Erwärmung leiden. Auch das Trinkwasser wird wohl Probleme bereiten, weil die verfügbaren Mengen zurückgehen; das droht auch in Industrieländern etwa am Mittelmeer. Zudem könnte praktisch überall die Aufbereitung von Abwasser in Kläranlagen schwieriger werden. Hitzewellen werden zur Gesundheitsgefahr für die Bewohner großer Städte – und für alle, die draußen arbeiten müssen.
Weiter auf der Liste: Wetterextreme, die in vielen Ländern kritische Infrastrukturen wie das Strom- oder Trinkwassernetz beschädigen können. Und schließlich der Anstieg des Meeresspiegels, der auch größere Sturmfluten mit sich bringt. Sie bedrohen das Leben und die wirtschaftliche Existenz von Bewohnern vieler Küstenregionen. Manche Ökosysteme werden vermutlich in Zukunft nicht mehr existieren oder nur noch stark eingeschränkt funktionieren, heißt es im Bericht: Dazu gehören vor allem die tropischen Korallenriffe und die Arktis. Mit den Ökosystemen sind aber die Menschen bedroht, die in ihnen leben.
An der Natur lässt sich am besten erkennen, was der Klimawandel heute schon angerichtet hat. Das zeigt der Bericht verlässlicher als je zuvor: Zugvögel verschieben ihre Routen und Reisetermine, Arten verlegen ihre Lebensräume, wo es möglich ist, in kühlere Regionen – und werden seltener, wo das nicht so einfach geht. Zwar gibt es unter Tieren und Pflanzen auch einige Gewinner des Klimawandels. Wegen der dadurch ausgelösten Unsicherheiten wollten die Forscher keine Zahl der Arten mehr schätzen, die durch den Klimawandel wohl aussterben werden. Aber insgesamt rechnen die Wissenschaftler damit, dass viele Arten unwiederbringlich verloren gehen – wie schon bei früheren Klimaveränderungen in der Erdgeschichte, obwohl diese weit langsamer vonstatten gingen. Die Erderwärmung mag so langsam kommen, dass Menschen sich kaum zum Handeln aufraffen können, für das Leben auf der Welt geht es immer noch viel zu schnell.
Dabei gibt es auch für die Menschen schon massive Konsequenzen. „Wir können jetzt mit größerer Tiefe und Genauigkeit eine Wirkung feststellen“, sagt Wolfgang Cramer, Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung und Leitautor eines Kapitels im Bericht. In der Landwirtschaft etwa zeige sich schon heute, dass die Erträge langsamer steigen – immer mehr Technik müsse aufgewendet werden, um nur das Niveau zu halten. „Das ist ein Wettlauf, den man nicht gewinnen kann“, sagt Cramer.
Die IPCC-Berichte sind immer auch politisch, das ist ihre größte Stärke und Schwäche zugleich. Der Rat der Wissenschaftler wertet im Auftrag der Vereinten Nationen die relevante Forschung aus, die Ergebnisse werden in einem langwierigen Prozess mit allen Regierungen abgestimmt. Am härtesten umkämpft ist jeweils die „Zusammenfassung für politische Entscheidungsträger“, über sie wurde in den vergangenen Tagen in Yokohama lange verhandelt. Dieser Prozess wird oft kritisiert – wie können sich Wissenschaftler von Politikern die Ergebnisse diktieren lassen? Andererseits aber verleiht genau das den IPCC-Berichten ihre Bedeutung: Keine Regierung kann sie mehr anzweifeln.
Und tatsächlich scheinen die Verhandlungen dieses Mal zwar hart, aber doch einigermaßen sachlich abgelaufen zu sein. „Das klingt schönfärberisch, ist aber wahr: Die Atmosphäre war konstruktiv“, sagt Cramer. Kritisch bleibe aber der Nord-Süd-Konflikt, das Verhältnis zwischen reichen und armen Ländern. Entwicklungsländern ist traditionell daran gelegen, dass Schäden in ihren Regionen klar dem Klimawandel zugeordnet werden, um später auf Entschädigungen pochen zu können; Industriestaaten wiederum wollen nicht zu sehr als Schuldige dastehen. Vergleicht man aber die Endversion der Zusammenfassung mit Entwürfen, scheint sich diesmal nahezu die Stimme der Vernunft durchgesetzt zu haben. Vieles ist klarer formuliert, manches differenzierter ausgedrückt. Eingeschränkt wurden etwa die Aussagen zur Gesundheit: Ursprünglich hieß es, der Klimawandel habe wahrscheinlich zu Gesundheitsproblemen beigetragen; jetzt wird nur noch darauf verwiesen, dass diese Belastung im Vergleich zu anderen Faktoren klein und schlecht quantifizierbar sei.
„Auf das Risiko zu fokussieren, ist eine Erweiterung der Perspektive“, sagt Jörn Birkmann von der Universität der Vereinten Nationen in Bonn, der Leitautor eines weiteren Kapitels war. „Es geht nicht mehr um die Frage, wo die meisten Menschen betroffen sind, sondern wo sie die geringsten Kapazitäten für die Bewältigung haben.“
Die Forscher des IPCC drängen darauf, dass die Nationen Entscheidungen über ihre Anpassungsstrategien schaffen. Chris Field versucht es mit Charme und Zweckoptimismus. Er spricht von den vielfältigen Möglichkeiten, „kluge Entscheidungen für die Zukunft zu treffen“, die der aktuelle Bericht betone. Vor sieben Jahren, beim vorherigen Report, habe die Weltgemeinschaft über Anpassung vor allem geredet, inzwischen hätten Regierungen begonnen, Maßnahmen zu beschließen, bevor die Probleme anwachsen. Das kann Küstenschutz sein oder solidere Infrastruktur; wassersparende Bewässerungssysteme oder Energieeffizienz: Vieles dient nicht nur der Anpassung, sondern auch der Entwicklung oder der Lebensqualität.
Zur gleichen Zeit aber, mahnt Koko Warner von der UN-Universität in Bonn, zerstörten viele Menschen beim Versuch, sich an den Klimawandel anzupassen, die Basis für eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung. Farmer in Burkina Faso etwa, die nach einer Serie von Dürren ihre einst große Herde von Kamelen, Kühen, Ziegen und Schafen verloren haben: „In vielen Gegenden in Afrika, Asien oder der Karibik passen sich die Menschen an, indem sie Tiere verkaufen, weniger essen und ihre Kinder aus der Schule nehmen, besonders die Töchter“, sagt die aus den USA stammende Wissenschaftlerin. Andere Möglichkeiten blieben den Betroffenen oft nicht, sie hätten dann aber auch kaum noch eine Chance, wieder auf die Beine zu kommen.
Entscheidungen über die Anpassung müssten daher mit Blick auf künftige Lebensbedingungen getroffen werden. Und das schnell: „Keine Entscheidung zu treffen ist auch eine Entscheidung.“ Das allerdings ist ein Satz, der auch auf den Umgang der Staatengemeinschaft mit dem Klimawandel passt.