Der Name ist Programm. „Desigual“ heißt wörtlich übersetzt „ungleich“, und genau das ist auch gemeint: „Wir sind anders“, ein eigener Charakter in all dem Einerlei der vielen Modemarken. Das umgedrehte S im Logo – wie ein Fragezeichen ohne Punkt – soll dieses Anderssein, das Außergewöhnliche, noch unterstreichen. Auffallen, das ist das Rezept der spanischen Modefirma Desigual, die auf schrille Farben, große, unregelmäßige Patchworkmuster und andere Motive der 1970er-Jahre setzt. Das kommt an: Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich das auf Ibiza gegründete und heute in Barcelona ansässige Unternehmen als internationale Marke etabliert. Desigual ist hip – nicht nur unter Jugendlichen.
"Kommt in Unterwäsche, wir kleiden euch ein", bot Desigual in mehreren Städten an, hier in Tokio.
Ganz gegen den Trend der Gesamtwirtschaft hat die spanische Modebranche während der Krise kräftig zugelegt, auch Desigual: Zwischen 2007, dem letzten Jahr vor der Krise, und Ende 2013 hat das Unternehmen seinen Umsatz auf 828 Millionen Euro mehr als verdoppelt, allein im vergangenen Jahr gab es ein Plus von 16 Prozent. Der Konsumflaute im Heimatland konnte das Management ausweichen, weil es, wie auch die Konkurrenten, in den Boomjahren das Auslandsgeschäft aufgebaut hatte. Vor allem der asiatische Markt mit den Zugpferden Japan und zunehmend auch China bewahrte die Spanier nicht nur vor dem Absturz, sondern bescherte ihnen auch fette schwarze Zahlen.
In Asien lässt Desigual heute auch rund 80 Prozent seiner Ware Asien produzieren – vor allem in Indien und China, wie das Unternehmen betont. Nicht in Bangladesch, Kambodscha oder Vietnam. Von der Debatte über die katastrophalen Arbeitsbedingungen asiatischer Textilarbeiterinnen wurde Desigual bislang kaum tangiert.
Für die nächsten Jahre peilt die Geschäftsleitung die Milliardengrenze beim Umsatz an, das nötige Kapital für die Expansion lieferte die französische Investmentfirma Eurozea, die kürzlich zehn Prozent der Anteile übernahm. Noch ist Desigual weit entfernt von der Größe des Weltmarktführers Inditex aus dem nordwestspanischen La Coruña, dessen neun Marken, darunter Zara sowie die gar nicht spanisch klingenden Labels Oysho, Pull & Bear, Bershka, Massimo Dutti, längst mehr als 15Milliarden Euro umsetzen. Doch könnte es bald zur Nummer2 in Spanien, Mango, angesiedelt ebenfalls in der Provinz Barcelona, und zur Nummer3, Cortefiel aus Madrid, aufschließen. Noch dieses Jahr soll die Zahl von 500 eigenen Läden weltweit erreicht werden, darunter auf den wichtigsten Flughäfen; in rund 12000 Boutiquen in mehr als 100 Ländern ist die Marke bereits vertreten ebenso in 2500 Kaufhäusern. Über die internationalen Erfolge dieser vier einheimischen Textilproduzenten jubelte kürzlich die Madrider Tageszeitung El Mundo: „Die halbe Welt kleidet sich spanisch!“ Man sei dabei, die bislang dominierende italienische Konkurrenz wie Benetton, Diesel und Stefanel von der Führungsposition zu verdrängen.
Nach der offiziellen Firmengeschichte begann alles ganz klein vor genau 30 Jahren auf Ibiza. Der Schweizer Thomas Meyer kaufte einen größeren Posten alter Jeans auf und schneiderte daraus Patchwork-Jacken. Die Idee schlug so gut ein, dass er seine erste Boutique in Ibiza-Stadt eröffnen konnte. Die Nachfrage hielt an, das Sortiment wurde erweitert, Meyer zog aufs Festland, nach Barcelona, um den spanischen Markt zu erobern. Das Geschäft war allerdings mühsam. Zur Jahrtausendwende hatte er sieben Läden, in denen er mit 40 Angestellten acht Millionen Euro Umsatz machte. Die explosionsartige Expansion begann erst 2002, als Meyer auf einer Segeltour über den Atlantik Manel Adell, einen früheren Manager von Bang & Olufsen, kennenlernte und zu seinem Geschäftsführer machte. Adell konnte Meyer überzeugen, dass es auch in anderen Ländern einen Markt für Mode gebe, die das Lebensgefühl der Blumenkinder der Hippie-Generation ausdrücken wolle.
Während Meyer sich nach wie vor um Form, Farben, Design kümmerte, revolutionierte Adell das Marketing. Spektakuläre Aktionen, die unter dem Strich nicht viel kosteten, verschafften der Marke große Aufmerksamkeit. Unter dem Motto „Komm nackt, geh angezogen!“ durften sich die ersten 100 Personen, die in Unterwäsche an einem bestimmten Tag einen vorher bekannt gegebenen Laden betraten, umsonst einkleiden. Das funktionierte nicht nur in Spanien, sondern auch in anderen Ländern. Jedes Mal bildeten sich zum Gaudium der Passanten und der Lokalpresse, Warteschlangen Halbnackter vor den Läden, lange vor den Öffnungszeiten. Es gab Artikel in den Lokalmedien und ganze Bildstrecken in zahlreichen Online-Portalen, die eindrucksvoll belegten, dass gut geschnittene Kleidungsstücke auch Schwabbelbäuche und Rettungsringe um die Hüfte verschwinden lassen. Bei der „Kiss-Tour“ dürfen die siegreichen Dauerküsser ebenfalls ins Regal greifen. Das Medienecho war auch hier groß, es brauchten gar keine Anzeigen geschaltet zu werden.
Als erste spanische Modefirma setzte Desigual auch in großem Umfang auf die gerade bei der jungen Generation populären sozialen Netzwerke sowie auf Street-Marketing in Fußgängerzonen und Einkaufszentren. Natürlich verlief die Expansion nicht ganz störungsfrei: In Spanien monierten zwei kleinere Marktkonkurrenten Copyright-Verletzungen wegen ähnlicher Designmotive. Die Verfahren verliefen im Sande, offensichtlich hatte man sich hinter den Kulissen geeinigt. In Deutschland gab es Abmahnungen durch die Bundesnetzagentur, weil das Unternehmen verabsäumt hatte, kostenlose Warteschleifen für Servicenummern einzurichten. Anhaltend schlechte Schlagzeilen gab es deshalb nicht, das Image wurde nicht beschädigt. Für viel mehr Wirbel sorgte dagegen das Engagement des französischen Designers Christian Lacroix für die Marke sowie die Zusammenarbeit mit dem Cirque du Soleil. Die Künstler des kanadischen Entertainment-Unternehmens haben angeblich eine eigene Produktlinie inspiriert.
Firmengründer Thomas Meyer ist bislang auch sehr gut damit gefahren, dass er Öffentlichkeit und Medien gänzlich meidet: keine Interviews, keine Homestorys, keine Fotos. Die Eröffnung repräsentativer Einkaufstempel weltweit hat er seinem Adlatus Adell überlassen – bislang. Denn dieser wechselte – nach zehn Jahren und dank Desigual reich geworden – 2012 in die Führung des Parfümherstellers Pluig. Über Meyer, der Adells Anteile an der groß gewordenen Modekette übernahm, gibt es dagegen nicht einmal einen Wikipedia-Artikel, obwohl er zu den erfolgreichsten europäischen Unternehmern gehört. Das Magazin Forbes hat nun sein Vermögen auf 1,8Milliarden Dollar geschätzt und ihn erstmals in seine Milliardärs-Rangliste aufgenommen: Er liegt auf Platz 988.
"Kommt in Unterwäsche, wir kleiden euch ein", bot Desigual in mehreren Städten an, hier in Tokio.
Ganz gegen den Trend der Gesamtwirtschaft hat die spanische Modebranche während der Krise kräftig zugelegt, auch Desigual: Zwischen 2007, dem letzten Jahr vor der Krise, und Ende 2013 hat das Unternehmen seinen Umsatz auf 828 Millionen Euro mehr als verdoppelt, allein im vergangenen Jahr gab es ein Plus von 16 Prozent. Der Konsumflaute im Heimatland konnte das Management ausweichen, weil es, wie auch die Konkurrenten, in den Boomjahren das Auslandsgeschäft aufgebaut hatte. Vor allem der asiatische Markt mit den Zugpferden Japan und zunehmend auch China bewahrte die Spanier nicht nur vor dem Absturz, sondern bescherte ihnen auch fette schwarze Zahlen.
In Asien lässt Desigual heute auch rund 80 Prozent seiner Ware Asien produzieren – vor allem in Indien und China, wie das Unternehmen betont. Nicht in Bangladesch, Kambodscha oder Vietnam. Von der Debatte über die katastrophalen Arbeitsbedingungen asiatischer Textilarbeiterinnen wurde Desigual bislang kaum tangiert.
Für die nächsten Jahre peilt die Geschäftsleitung die Milliardengrenze beim Umsatz an, das nötige Kapital für die Expansion lieferte die französische Investmentfirma Eurozea, die kürzlich zehn Prozent der Anteile übernahm. Noch ist Desigual weit entfernt von der Größe des Weltmarktführers Inditex aus dem nordwestspanischen La Coruña, dessen neun Marken, darunter Zara sowie die gar nicht spanisch klingenden Labels Oysho, Pull & Bear, Bershka, Massimo Dutti, längst mehr als 15Milliarden Euro umsetzen. Doch könnte es bald zur Nummer2 in Spanien, Mango, angesiedelt ebenfalls in der Provinz Barcelona, und zur Nummer3, Cortefiel aus Madrid, aufschließen. Noch dieses Jahr soll die Zahl von 500 eigenen Läden weltweit erreicht werden, darunter auf den wichtigsten Flughäfen; in rund 12000 Boutiquen in mehr als 100 Ländern ist die Marke bereits vertreten ebenso in 2500 Kaufhäusern. Über die internationalen Erfolge dieser vier einheimischen Textilproduzenten jubelte kürzlich die Madrider Tageszeitung El Mundo: „Die halbe Welt kleidet sich spanisch!“ Man sei dabei, die bislang dominierende italienische Konkurrenz wie Benetton, Diesel und Stefanel von der Führungsposition zu verdrängen.
Nach der offiziellen Firmengeschichte begann alles ganz klein vor genau 30 Jahren auf Ibiza. Der Schweizer Thomas Meyer kaufte einen größeren Posten alter Jeans auf und schneiderte daraus Patchwork-Jacken. Die Idee schlug so gut ein, dass er seine erste Boutique in Ibiza-Stadt eröffnen konnte. Die Nachfrage hielt an, das Sortiment wurde erweitert, Meyer zog aufs Festland, nach Barcelona, um den spanischen Markt zu erobern. Das Geschäft war allerdings mühsam. Zur Jahrtausendwende hatte er sieben Läden, in denen er mit 40 Angestellten acht Millionen Euro Umsatz machte. Die explosionsartige Expansion begann erst 2002, als Meyer auf einer Segeltour über den Atlantik Manel Adell, einen früheren Manager von Bang & Olufsen, kennenlernte und zu seinem Geschäftsführer machte. Adell konnte Meyer überzeugen, dass es auch in anderen Ländern einen Markt für Mode gebe, die das Lebensgefühl der Blumenkinder der Hippie-Generation ausdrücken wolle.
Während Meyer sich nach wie vor um Form, Farben, Design kümmerte, revolutionierte Adell das Marketing. Spektakuläre Aktionen, die unter dem Strich nicht viel kosteten, verschafften der Marke große Aufmerksamkeit. Unter dem Motto „Komm nackt, geh angezogen!“ durften sich die ersten 100 Personen, die in Unterwäsche an einem bestimmten Tag einen vorher bekannt gegebenen Laden betraten, umsonst einkleiden. Das funktionierte nicht nur in Spanien, sondern auch in anderen Ländern. Jedes Mal bildeten sich zum Gaudium der Passanten und der Lokalpresse, Warteschlangen Halbnackter vor den Läden, lange vor den Öffnungszeiten. Es gab Artikel in den Lokalmedien und ganze Bildstrecken in zahlreichen Online-Portalen, die eindrucksvoll belegten, dass gut geschnittene Kleidungsstücke auch Schwabbelbäuche und Rettungsringe um die Hüfte verschwinden lassen. Bei der „Kiss-Tour“ dürfen die siegreichen Dauerküsser ebenfalls ins Regal greifen. Das Medienecho war auch hier groß, es brauchten gar keine Anzeigen geschaltet zu werden.
Als erste spanische Modefirma setzte Desigual auch in großem Umfang auf die gerade bei der jungen Generation populären sozialen Netzwerke sowie auf Street-Marketing in Fußgängerzonen und Einkaufszentren. Natürlich verlief die Expansion nicht ganz störungsfrei: In Spanien monierten zwei kleinere Marktkonkurrenten Copyright-Verletzungen wegen ähnlicher Designmotive. Die Verfahren verliefen im Sande, offensichtlich hatte man sich hinter den Kulissen geeinigt. In Deutschland gab es Abmahnungen durch die Bundesnetzagentur, weil das Unternehmen verabsäumt hatte, kostenlose Warteschleifen für Servicenummern einzurichten. Anhaltend schlechte Schlagzeilen gab es deshalb nicht, das Image wurde nicht beschädigt. Für viel mehr Wirbel sorgte dagegen das Engagement des französischen Designers Christian Lacroix für die Marke sowie die Zusammenarbeit mit dem Cirque du Soleil. Die Künstler des kanadischen Entertainment-Unternehmens haben angeblich eine eigene Produktlinie inspiriert.
Firmengründer Thomas Meyer ist bislang auch sehr gut damit gefahren, dass er Öffentlichkeit und Medien gänzlich meidet: keine Interviews, keine Homestorys, keine Fotos. Die Eröffnung repräsentativer Einkaufstempel weltweit hat er seinem Adlatus Adell überlassen – bislang. Denn dieser wechselte – nach zehn Jahren und dank Desigual reich geworden – 2012 in die Führung des Parfümherstellers Pluig. Über Meyer, der Adells Anteile an der groß gewordenen Modekette übernahm, gibt es dagegen nicht einmal einen Wikipedia-Artikel, obwohl er zu den erfolgreichsten europäischen Unternehmern gehört. Das Magazin Forbes hat nun sein Vermögen auf 1,8Milliarden Dollar geschätzt und ihn erstmals in seine Milliardärs-Rangliste aufgenommen: Er liegt auf Platz 988.