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Absolute Leerheit

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Stefan Raab hat angekündigt, die Talkshow neu zu erfinden. Gelungen ist es ihm nicht

Wer hinter das Geheimnis des Erfolgs von Stefan Raab schauen möchte, kann seine Shows rasch auf einen Nenner bringen: Es geht um was. Um Geld, Ehre oder zumindest um den bis zur Verbissenheit gelebten Siegeswillen des Ideengebers. Die Motive erklären sich von selbst. Der Zuschauer versteht schnell, warum die Menschen im Fernsehen das tun, was sie da gerade tun. Hat man das bemerkt, weiß man auch, warum Raabs neueste Erfindung nur bedingt funktioniert. Es geht um nichts.



Hochvergnügt talkt Raab am Sonntag mit seinen Gästen Michael Fuchs und Jan van Aken

Als Sensation hat Raab sein neues Konzept für Absolute Mehrheit vorab verkauft und die meisten anderen Talkmaster als Langweiler gescholten. Wie man das so macht als Großmaul vom Dienst. Raab präsentierte sich als Meister des runderneuerten Stuhlkreises und landete am Ende als überforderter Propagandist einer von ihm nicht beherrschten Form. Die ist relativ einfach beschrieben. Fünf Gäste aus Politik und Wirtschaft spielen drei Runden lang Reise nach Jerusalem, und die Zuschauer entscheiden nach jeder Runde per Telefon, wem der Stuhl wegzogen wird. Dabei behaupten alle, sie unterhielten sich über Politik. In Wahrheit unterhält sich niemand. Alle geben das von sich, was sie immer von sich geben: gestanzte Statements, die fast überall schon Verwendung fanden. Und Raab tut so, als leite er ein Gespräch. Dabei besteht seine Moderation aus dem Abfeuern kecker Fragen, die er als Unterhaltungsprofi natürlich punktgenau landet.

Wenn alle ihre Stanzen abgegeben haben, läuft Raab zum Pult, wo auf einem Bildschirm Balken die Bilanz der 50 Cent teuren Zuschaueranrufe spiegeln. Wer zu wenige Anrufe bekommen hat, fliegt raus, und am Ende siegt Wolfgang Kubicki von der FDP. Der gab sich in der Show so lässig, dass er es nicht mal mehr für nötig hielt, auf Raabs schlechten Witz über den in Vietnam geborenen FDP-Vorsitzenden zu reagieren: 'Wenn Rösler das beim Abendessen sieht - hoffentlich fallen ihm nicht die Stäbchen aus der Hand.'

Wie mögen die Jauchs, Plasbergs und Wills aufgeatmet haben, als sie feststellten, dass Stefan Raab nur seine bekannten sportlichen Muster über diese Politiksimulationen stülpte?

Weil Kubicki nicht an die 50 Prozent der Zuschauerstimmen herankam und damit die absolute Mehrheit verfehlte, blieben die 100000 Euro Siegprämie auf dem Pro-Sieben-Konto. Kassieren durfte nur Raab. Er hat knapp 1,8 Millionen Zuschauer angelockt, wobei nur rund 500 000 über 50 Jahre alt waren. Mit 18,3 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe lag er weit über dem Senderschnitt, was aber wohl der Premierenneugier zu verdanken ist.

Dem Zahlenerfolg gegenüber steht die Tatsache, dass der Inhalt der Show herzlich egal war. Die Inszenierung stand im Vordergrund. Wenn das bei der nächsten Folge wieder so ist, dürften die Zahlen rasch auf Normalmaß sinken und die absolute Überflüssigkeit deutlich näher liegen als die absolute Mehrheit.


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