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Drohnen sollen Bambis retten

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Winfried Edelmann bekommt die Bilder nicht mehr aus dem Kopf: „Es war ein Horroranblick“, sagt der 64-Jährige. Knapp ein Jahr ist es her, dass der Jagdaufseher aus dem nordrhein-westfälischen Erkrath über ein paar frisch gemähte Wiesen stapfte. Doch was idyllisch klingt, endete in einem Albtraum. „Sechs tote Rehkitze haben wir entdeckt“, sagt Edelmann. „Oder vielmehr die Teile, die von ihnen übrig waren.“ Die Tiere waren niedergemetzelt worden – von Maschinen, mit denen Bauern ihre Wiesen gemäht haben.




Zu süß zum Sterben, oder?

Jedes Jahr spielt sich die gleiche Tragödie auf Deutschlands Feldern ab. Wenn die Bauern im Mai und Juni das Grünland mähen, um daraus Tierfutter zu machen, kostet das an die hunderttausend Kitze das Leben. Besonders betroffen sind Wiesen am Waldrand. Dort legen Rehe ihre frisch geborenen Jungtiere ins hohe Gras, um sie so etwa vor Füchsen zu schützen. Weil den Kitzen aber noch jeder Fluchtinstinkt fehlt, drücken sie sich in den Boden und bleiben ganz still liegen, egal was geschieht – auch wenn sich von hinten eine Mähmaschine nähert. „Es ist tragisch“, sagt Edelmann.

Das Bundeslandwirtschaftsministerium ist sich der Dramatik bewusst. Mit rund 2,5 Millionen Euro unterstützt es das „Wildretter-Projekt“ – ein Forschungsprojekt, bei dem die Wiesen an den Tagen vor der Mahd mit Drohnen abgeflogen werden. Die Flugobjekte, die wie kleine Mini-Hubschrauber aussehen, sind mit Sensoren und Kameras ausgestattet, um im Gras versteckte Tiere aufzuspüren. Ist ein Kitz entdeckt, kann ein am Feldrand wartender Helfer, meist der Jagdpächter, dem Tier eine Markierung mit Peilsignal ans Ohr heften. Unmittelbar bevor der Landwirt mit dem Mähen beginnt, kann er so überprüfen, ob sich noch Kitze auf der Wiese befinden. Ist das der Fall, werden sie in eine Heukiste gesetzt – und nach der Mahd wieder freigelassen. Fünf Prototypen der Drohnen sind derzeit auf Testwiesen in Bayern im Einsatz. „Bislang sind unsere Erfahrungen sehr gut“, sagt Projektsprecher Rolf Stockum. „Die Drohnen spüren die Tiere ziemlich zuverlässig auf.“ Es sei aber noch nicht absehbar, wann sie bundesweit eingesetzt werden können.

Die Landwirte müssen sich daher vorerst anders behelfen. „Für jeden, dem das passiert, ist es ein fürchterliches Erlebnis“, sagt ein Sprecher des Bauernverbands. Die Landwirte hätten daher großes Interesse daran, das Problem rasch zu lösen. Wobei sie es oft gar nicht mitbekommen, da sie vorn auf der Maschine sitzen, während hinter ihnen gemäht wird. Gerade dann aber besteht die Gefahr, dass der Kadaver im Grünfutter landet und später die Kühe vergiftet, die es fressen. Der Bauernverband rät deshalb, Wiesen von innen nach außen zu mähen, damit Wildtiere fliehen können. Außerdem sollten Bauern vor der Mahd Lärm machen, etwa mit Knistertüten oder Kofferradios.

Jagdaufseher Edelmann bleibt skeptisch. „Das mag Hasen und Fasane vertreiben, aber keine Kitze. Die bleiben liegen, sogar wenn neben ihnen eine Bombe explodiert.“ Aus seiner Sicht führt kein Weg daran vorbei, vor der Mahd die Wiesen mit Hunden abzulaufen. Dieses Jahr ist er optimistisch. „Weil es so warm war, sind viele Wiesen schon abgemäht, wenn die Kitze geboren werden.“

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