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Regenwald aus Menschenhand

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Welcher Riese hat im Bergland von Leyte Mikado gespielt? Zerborstene Baumstämme und abgerissene Äste lagen kreuz und quer übereinander. Wie trotzige Barrikaden ragten sie aus dem grünen Meer der hüfthohen Farngewächse empor. Fahles Licht drang durchs schüttere Geäst jener Bäume, die noch standen. Ihre bizarren Kronen trugen kaum noch Laub.



Die Forscher bereisten die Philippinen-Insel Leyte, nachdem Haiyan dort gewütet hatte. Viele Bäume wurden zerstört, doch die Waldfarmen sind zu einem großen Teil noch nutzbar.

Dunkle, kahle Äste im grauen Morgendunst – wahrhaft gespenstische Silhouetten säumten den Weg von Macario Romano, als er in den Wochen nach dem Tropensturm Haiyan durch seinen Wald ging. Inzwischen dürften sich die meisten Lücken der schnell wachsenden Vegetation im zentralen Bergland der Philippinen-Insel Leyte geschlossen haben. Anfang November hatte der Taifun das Land verwüstet, besonders die Hafenstadt Tacloban City.

Auch Romanos Waldfarm bei Mailhi wurde getroffen. Wertvolle Edelhölzer hat er verloren und wichtige Fruchtbäume. Der Verlust schmerzte, die Verwertung des Holzes war schwierig. Dennoch hat Romano Glück im Unglück gehabt. Die Ausläufer des Sturms haben nur zehn Prozent der Bäume auf seiner Farm abgeknickt. Die geringe Quote ist Erfolg eines genau kalkulierten, naturnahen Konzepts.

Geradezu trostlos hingegen wirken die Plantagen im Umfeld von Romanos Land: Zersplitterte und umgeknickte Kokospalmen am Boden. Zerzauste Wipfel und abgerissene Palmwedel an den wenigen Bäumen, die noch stehen. Der 74-jährige Romano kennt das. Vor zwanzig Jahren hatte er auch eine solche Plantage. Doch die sturmanfällige Monokultur auf dem steilen Gelände oberhalb seiner kleinen Hütte wurde zur Gefahr für ihn und seine Familie: „Das Risiko von Erdrutschen war zu groß“, erinnert er sich.

Forscher rieten ihm zu einer „Rainforestation-Farm“: mit einheimischen Bäumen und Sträuchern, die rasch den Boden bedecken und mit ihrem Wurzelwerk das Erdreich festhalten. Und mit Fruchtbäumen wie Mango oder Durian sowie Gewürzpflanzen wie Kardamom oder Ingwer, die schnelle Einnahmen versprechen. Kurzum: ein Mix an Cash Crops in einem „Regenwald aus Menschenhand“, der die Wucht tropischer Wirbelstürme mindert, sich schneller von den unvermeidlichen Schäden erholt und dem Farmer das wirtschaftliche Überleben sichert.

Taifune sind in der südostasiatischen Inselwelt nichts Ungewöhnliches. Die Ökosysteme haben sich im Laufe der Evolution an ständige Sturmgewalten angepasst. „Der Regenwald ist unser Vorbild beim Rainforestation-Farming“, sagt der Tropenökologe Friedhelm Göltenboth, ehemals Professor an der Universität Hohenheim, heute wissenschaftlicher Berater der Stiftung Nature-Life-International in Ludwigsburg. Sie fördert das Rainforestation-Prinzip auf den Philippinen. „Durch die unterschiedlichen Wuchshöhen der Bäume und Sträucher sind die Flächen widerstandsfähiger gegen Wind und Regen“, sagt der Tropenexperte. Die Biologin Paciencia Milan, Vorsitzende der Baybay Rainforestation Foundation auf Leyte ergänzt: „Außerdem schützt eine dichte Pflanzendecke den Boden, was wiederum die Erosion mindert und eine schnelle Regeneration nach einem Windwurf fördert.“

Gemeinsam haben Milan und Göltenboth Leyte bereist, nachdem Haiyan dort gewütet hatte, und Rainforestation-Farmen inspiziert. Ihre Zwischenbilanz: Flächen mit Waldfarmen sind im Schnitt zu 20 bis 30 Prozent betroffen. Genauso wie Macario Romanos Anpflanzung nach unten von diesem Durchschnitt abweicht, gibt es Ausreißer nach oben. Besonders in der direkten Zugbahn von Haiyan ist die Zerstörung immens. „Die Waldfarm von Catmon nördlich von Ormoc hat rund die Hälfte der Bäume verloren, darunter fast alle größeren mit einem Stammdurchmesser von mehr als 25 Zentimetern“, berichtet Göltenboth. Der Umkehrschluss: die andere Hälfte der Bäume ist stehen geblieben. Immerhin 550 Exemplare. „Diese mittelstarken Bäume werden jetzt von einem Ausdünnungseffekt profitieren“, ist Göltenboth überzeugt. Das heißt, sie bekommen mehr Sonne und können sich ungehindert in die Lücken ausdehnen, wo größere Exemplare gefallen sind.

Von einer solch günstigen Prognose können die Plantagenbesitzer bei Ormoc nur träumen. Mitten in der Zugbahn von Haiyan haben sie sämtliche Kokospalmen verloren, zu Tausenden türmen sich Kokosnüsse an den Rändern der geräumten Straßen und Wege auf. Der Preis für Kopra – rauchgetrocknetes Kokosnussfleisch – ist wegen des Überangebotes extrem gefallen. Plantagenbesitzer beklagen einen wirtschaftlichen Totalschaden, während die Rainforestation-Farmer von Catmon zumindest das Holz der umgeworfenen Bäume gut verkaufen können. Der Weg ins zerstörte Ormoc ist kurz, der Bedarf an hochwertigem Bauholz, das Palmen nicht liefern können, sehr hoch.

Das nützte allerdings Macario Romano wenig, dessen Waldfarm hundert Kilometer weiter südlich liegt. Obwohl Haiyan seine Waldfarm nur gestreift hat, musste er das gefallene Holz aus der Pflanzung wegbekommen. Aber niemand wollte es aus dem abgelegenen Bergland von Mailhi abholen. Dabei drängte die Zeit. Haiyan war zwar der heftigste, aber nicht der erste Tropensturm, der seine Waldfarm heimsuchte.

Romano weiß, was zu tun ist, sobald das Bruchholz geräumt ist. „In größere Lücken pflanze ich als Erstes die Setzlinge von heimischen Pionierbäumen“, sagt der Farmer. Seine Helden tragen Namen wie Bagalunga (Melia dubia) oder Mountain Agoho (Casuarina nodiflora). Solche Pionierbäume besiedeln auch im tropischen Regenwald nach einem Sturm sofort die Lücken und wachsen rasch empor. In der klebrig-feuchten Schwüle der Tropen schießen sie in die Höhe – bis zu sechs Meter im Jahr.

Im Laufe der Evolution haben sich die Bäume an häufige Gewitterstürme mit sintflutartigen Tropengüssen angepasst. Grundregel: Den Sturmböen möglichst wenig Widerstand bieten. Die Fiederblattstruktur des Laubes lässt den Wind sanft durch die Kronen gleiten. Tropfspitzen an den Blättern leiten das Wasser schnell zu Boden. Und wenn die Böen besonders heftig am Astwerk rütteln, werfen die Bäume an Sollbruchstellen das Laub ab. Sie sind dann kahl, doch nicht allzu lange. „Bereits zehn Tage nach Haiyan begann der Neuaustrieb“, berichtet Friedhelm Göltenboth. „Und dies sogar bei Bäumen, die umgeknickt am Boden lagen.“ Inzwischen sind Äste und Zweige übersät mit büschelartigen Blattaustrieben.

So schließen sich allmählich die Wunden, die der Sturm ins Grün gerissen hat. Im Schatten der Pioniere gedeihen Fruchtbäume wie Durian und Mango, vor allem aber wertvolle Tropenhölzer, die im Jugendstadium kein direktes Sonnenlicht vertragen: Dipterocarpaceen. Diese südostasiatische Baumfamilie besteht aus rund 220 Arten, die zum Beispiel das begehrte Meranti-Holz liefern. Jetzt, nach zwanzig Jahren, sind einige dieser Urwaldriesen auf Romanos Land fast dreißig Meter hoch. Doch er tastet sie nicht an. „Sie werden mit jedem Jahr größer und wertvoller“, sagt er. „Sie sollen eine Rücklage bilden für meine Kinder und Enkel.“

Als Rainforestation-Pionier hatte Macario Romano auf einem Hektar angefangen, jetzt ist seine Farm neun Hektar groß. Sein Erfolg macht Mut. Inzwischen gibt es auf Leyte rund dreißig Rainforestation-Farmen, landesweit sogar mehr als hundert, die zusammen etwa 4000 Hektar bedecken. Als schützende Pufferzonen säumen sie die letzten verbliebenen Primärwälder – oder verbinden diese wie Korridore.

Vor fünfzig Jahren waren die mehr als 7000 Inseln der Philippinen zu fast sechzig Prozent bedeckt mit ursprünglichem Tropenwald. Heute ist wenig davon übrig. Auf Leyte zum Beispiel nur noch vier Prozent. Diese Reliktwälder in den unzugänglichen Bergen sind für Macario von unschätzbarem Wert. Wenn er in seiner Waldfarm keine geeigneten Setzlinge hat, zieht es ihn hinauf. „Dort oben finde ich die Mutterbäume, die mir weitere Jungpflanzen für meine Rainforestation-Farm schenken“, sagt der Waldbauer.

Sobald der Urwald nach der Sturmkatastrophe wieder halbwegs zugänglich ist, geht er wieder mit kleinen Plastikcontainern hinauf und sammelt das Pflanzmaterial für seine Waldfarm ein. Sein nächstes Ziel, sobald die akuten Schäden behoben sind: auf seinem eigenen Grund so viele heimische Setzlinge wie möglich aufziehen. „Die werde ich dann an andere Waldfarmer verkaufen“, sagt er.

Macario Romano hat eine Marktlücke erkannt. Landesweit fehlt es an einheimischen Jungpflanzen, um den künftigen Bedarf zu decken. Schließlich sollen unter dem Eindruck der Haiyan-Katastrophe bis zum Jahr 2030 die Flächen von Rainforestation-Farmen auf mindestens 100000 Hektar ausgedehnt werden – das 25-Fache im Vergleich zu heute. „Wir brauchen mehr Baumschulen, die genügend heimisches Pflanzmaterial aufziehen“, sagt Göltenboth. Dann wäre der Weg frei für noch mehr sturmfeste „Regenwälder aus Menschenhand“.

Wenn in Romanos Waldfarm das Kronendach wieder geschlossen ist, dürfte das Mosaik seines Dschungels einem Naturtheater gleichen: Licht wechselt dort mit Schatten, dunkles mit hellerem Grün. An turmhohen Bäumen rankt Rattan empor, darunter wachsen Fruchtbäume neben weit ausladenden Wildbananen und Bambuspflanzen, Schatten liebende Ingwer-Sträucher, Gewürzpflanzen wie Kardamom und Vanille und junge Hartholzbäume. So sieht sie aus, die sturmtolerante Alternative zu anfälligen Monokulturen, in der klebrig-feuchten Schwüle der Tropen auf der Philippinen-Insel Leyte.

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