Der 27. Oktober 1981 ist manchem Schweden unvergesslich. An jenem Herbsttag im Kalten Krieg lief ein sowjetisches Atom-U-Boot auf Grund – nur 30 Kilometer vom schwedischen Ostseestrand entfernt. Nicht das Militär, sondern ein Fischer hatte das feindliche Kriegsschiff der Klasse Whiskey zuerst entdeckt. Der Vorfall inspirierte die Zeitung Svenska Dagbladet damals zur Schlagzeile „Whiskey on the rocks“, doch lachen konnten darüber wohl nur wenige.
Bei einer U-Boot-Taufe in Kiel
Obwohl die aktuelle Lage im Osten Europas wieder Anlass zur Besorgnis gibt, driften die Interessen innerhalb Westeuropas beim Bau von Kriegsschiffen immer weiter auseinander. Statt international zu kooperieren, entwickeln Länder wie Schweden oder Spanien im Alleingang neue milliardenteure Modelle. Dass es einmal zur Gründung einer „EADS der Meere“ kommt, einer Kooperation der europäischen Werften nach dem Vorbild des EADS-Konzerns in der Luft- und Raumfahrt, glaubt in der Branche kaum noch jemand. Dabei stehen Europas Rüstungswerften unter Druck, weil die westlichen Verteidigungsetats schrumpfen.
Jüngstes Beispiel für die wachsende Entfremdung ist die Entscheidung Schwedens, ein eigenes U-Boot zu entwickeln: A 26. Eigentlich sollte das neue U-Boot in Zusammenarbeit mit Thyssen-Krupp entstehen. Zu dem Konzern gehört die schwedische Werft Kockums – eine Kooperation lag nahe. Mehr als 150 Millionen Euro wurden nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bisher schon in die Entwicklung des neuen U-Boots gesteckt. Die Kosten wollten sich die beiden Partner teilen. Thyssen-Krupp und FMV, die Beschaffungsbehörde der schwedischen Streitkräfte, wollten sich dazu nicht äußern: „Diese Informationen sind als geheim eingestuft“, sagte eine FMV-Sprecherin.
Vor wenigen Tagen kam es dann zum Eklat: Stockholm kündigte die Kooperation mit Thyssen-Krupp auf. Zuvor hatten die Schweden Dutzende Ingenieure von Thyssen-Krupp abgeworben und in der Werft der Deutschen mit der Hilfe der Militärpolizei nach technischem Material und U-Boot-Plänen gesucht. Eine Razzia, die inzwischen selbst in Schweden umstritten ist. „Alle Aktionen von FMV waren legal“, verteidigt hingegen die Sprecherin der Behörde das rabiate Vorgehen.
Nun will der schwedische Rüstungskonzern Saab, bisher ohne jegliche Kompetenz im U-Boot-Bau, das neue Modell entwickeln. Thyssen-Krupp soll die Kockums-Werft daher an Saab verkaufen. Eine Absichtserklärung ist unterschrieben, zurzeit durchleuchten die Schweden die Bücher. Der Deal kann für beide Seiten teuer werden. Für die Schweden, weil sie die hohen Entwicklungskosten für das neue U-Boot nun allein stemmen müssen – mit ungewissem Ausgang. Denn ob Saab am Ende tatsächlich ein konkurrenzfähiges U-Boot bauen kann, müsse sich noch erweisen, heißt es in der Branche. Und die Deutschen müssen darum kämpfen, die Kockums-Werft zu dem Wert zu verkaufen, mit dem sie in der Thyssen-Krupp-Bilanz steht. Andernfalls drohen Buchverluste.
Immerhin würde der Ruhrkonzern aber mit Kockums eine Belastung los: Bis auf 2012/13 schrieb die Werft dem Vernehmen nach jahrelang Verluste. Thyssen-Krupp wollte sich wegen der laufenden Verhandlungen nicht äußern.
Unwägbarer als für die Beteiligten seien jedoch die Folgen des Streits für die europäischen Rüstungswerften, meint ein Manager, der sich in der Branche gut auskennt. Ein anderer prophezeit: „Um sich bei U-Booten einen Namen zu machen, werden die Schweden bei künftigen Ausschreibungen anfangs weit unter Marktpreis bieten.“ Dadurch verschärfe sich die Konkurrenz – und die Hersteller könnten wieder eher in Versuchung kommen, Aufträge mit unlauteren Mitteln zu ergattern.
Mit welchen Methoden Rüstungsgeschäfte mitunter eingefädelt werden, deckt der WDR in einer Reportage auf, die an diesem Montagabend ausgestrahlt werden soll. Der Fernsehsender zeichnet nach, wie vor zehn Jahren das German Submarine Consortium den Verkauf von zwei U-Booten an Portugal einstielte und vor Bestechung und falschen Versprechungen nicht zurückschreckte, um die Konkurrenz auszustechen. Zu dem Konsortium gehörten der Essener Industriedienstleister Ferrostaal und die beiden Werften HDW und Thyssen Nordseewerke, die später im Thyssen-Krupp-Konzern aufgingen.
Und das funktionierte nach Ansicht des Landgerichts München I so: Bei einem Treffen in München im Jahr 2002 versprach ein Ex-Ferrostaal-Manager dem portugiesischen Honorarkonsul einen finanziellen Vorteil dafür, dass er Treffen zwischen deutschen Rüstungsmanagern und „ranghöchsten portugiesischen Regierungsvertretern“ anbahnte. Später erhielt der Konsul einen Beratervertrag von Ferrostaal, in dem er seine „zielführende Assistenz“ anbot. Sein Honorar lag bei 0,3 Prozent des Projektwerts. Ferrostaal sieht darin bis heute kein Unrecht: „Wir haben ein marktübliches Honorar für Beratung und Vermittlung von Kontakten bezahlt.“
Im April 2004 bekamen die Deutschen den Zuschlag für zwei U-Boote im Wert von 880 Millionen Euro. Der Honorarkonsul kassierte dem Urteil zufolge 1,65 Millionen Euro Schmiergeld für seine Dienste – und wurde ebenso wie die Ferrostaal-Manager zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht, der Ex-Konsul ging in Revision. Er sieht sich nicht als offizieller Amtsträger Portugals und sagt, er habe auf die Auftragsvergabe keinen Einfluss gehabt.
Ähnlich lief ein U-Boot-Deal mit Griechenland ab, wenn auch mit anderen Personen. Auch in diesem Fall war Ferrostaal mit von der Partie – und wurde wegen der beiden Geschäfte am Ende zu einem Bußgeld von knapp 140 Millionen Euro verurteilt. Heute vermittelt der Konzern keine U-Boot-Deals mehr. Und damit auch keine Gegengeschäfte: Wer früher einem Staat ein Kriegsschiff verkaufen wollte, musste oft im Gegenzug versprechen, in dem Land zu investieren oder einzukaufen. Zumindest diese Art Geben und Nehmen ist im Rüstungsgeschäft heute so gut wie passé.
Bei einer U-Boot-Taufe in Kiel
Obwohl die aktuelle Lage im Osten Europas wieder Anlass zur Besorgnis gibt, driften die Interessen innerhalb Westeuropas beim Bau von Kriegsschiffen immer weiter auseinander. Statt international zu kooperieren, entwickeln Länder wie Schweden oder Spanien im Alleingang neue milliardenteure Modelle. Dass es einmal zur Gründung einer „EADS der Meere“ kommt, einer Kooperation der europäischen Werften nach dem Vorbild des EADS-Konzerns in der Luft- und Raumfahrt, glaubt in der Branche kaum noch jemand. Dabei stehen Europas Rüstungswerften unter Druck, weil die westlichen Verteidigungsetats schrumpfen.
Jüngstes Beispiel für die wachsende Entfremdung ist die Entscheidung Schwedens, ein eigenes U-Boot zu entwickeln: A 26. Eigentlich sollte das neue U-Boot in Zusammenarbeit mit Thyssen-Krupp entstehen. Zu dem Konzern gehört die schwedische Werft Kockums – eine Kooperation lag nahe. Mehr als 150 Millionen Euro wurden nach Informationen der Süddeutschen Zeitung bisher schon in die Entwicklung des neuen U-Boots gesteckt. Die Kosten wollten sich die beiden Partner teilen. Thyssen-Krupp und FMV, die Beschaffungsbehörde der schwedischen Streitkräfte, wollten sich dazu nicht äußern: „Diese Informationen sind als geheim eingestuft“, sagte eine FMV-Sprecherin.
Vor wenigen Tagen kam es dann zum Eklat: Stockholm kündigte die Kooperation mit Thyssen-Krupp auf. Zuvor hatten die Schweden Dutzende Ingenieure von Thyssen-Krupp abgeworben und in der Werft der Deutschen mit der Hilfe der Militärpolizei nach technischem Material und U-Boot-Plänen gesucht. Eine Razzia, die inzwischen selbst in Schweden umstritten ist. „Alle Aktionen von FMV waren legal“, verteidigt hingegen die Sprecherin der Behörde das rabiate Vorgehen.
Nun will der schwedische Rüstungskonzern Saab, bisher ohne jegliche Kompetenz im U-Boot-Bau, das neue Modell entwickeln. Thyssen-Krupp soll die Kockums-Werft daher an Saab verkaufen. Eine Absichtserklärung ist unterschrieben, zurzeit durchleuchten die Schweden die Bücher. Der Deal kann für beide Seiten teuer werden. Für die Schweden, weil sie die hohen Entwicklungskosten für das neue U-Boot nun allein stemmen müssen – mit ungewissem Ausgang. Denn ob Saab am Ende tatsächlich ein konkurrenzfähiges U-Boot bauen kann, müsse sich noch erweisen, heißt es in der Branche. Und die Deutschen müssen darum kämpfen, die Kockums-Werft zu dem Wert zu verkaufen, mit dem sie in der Thyssen-Krupp-Bilanz steht. Andernfalls drohen Buchverluste.
Immerhin würde der Ruhrkonzern aber mit Kockums eine Belastung los: Bis auf 2012/13 schrieb die Werft dem Vernehmen nach jahrelang Verluste. Thyssen-Krupp wollte sich wegen der laufenden Verhandlungen nicht äußern.
Unwägbarer als für die Beteiligten seien jedoch die Folgen des Streits für die europäischen Rüstungswerften, meint ein Manager, der sich in der Branche gut auskennt. Ein anderer prophezeit: „Um sich bei U-Booten einen Namen zu machen, werden die Schweden bei künftigen Ausschreibungen anfangs weit unter Marktpreis bieten.“ Dadurch verschärfe sich die Konkurrenz – und die Hersteller könnten wieder eher in Versuchung kommen, Aufträge mit unlauteren Mitteln zu ergattern.
Mit welchen Methoden Rüstungsgeschäfte mitunter eingefädelt werden, deckt der WDR in einer Reportage auf, die an diesem Montagabend ausgestrahlt werden soll. Der Fernsehsender zeichnet nach, wie vor zehn Jahren das German Submarine Consortium den Verkauf von zwei U-Booten an Portugal einstielte und vor Bestechung und falschen Versprechungen nicht zurückschreckte, um die Konkurrenz auszustechen. Zu dem Konsortium gehörten der Essener Industriedienstleister Ferrostaal und die beiden Werften HDW und Thyssen Nordseewerke, die später im Thyssen-Krupp-Konzern aufgingen.
Und das funktionierte nach Ansicht des Landgerichts München I so: Bei einem Treffen in München im Jahr 2002 versprach ein Ex-Ferrostaal-Manager dem portugiesischen Honorarkonsul einen finanziellen Vorteil dafür, dass er Treffen zwischen deutschen Rüstungsmanagern und „ranghöchsten portugiesischen Regierungsvertretern“ anbahnte. Später erhielt der Konsul einen Beratervertrag von Ferrostaal, in dem er seine „zielführende Assistenz“ anbot. Sein Honorar lag bei 0,3 Prozent des Projektwerts. Ferrostaal sieht darin bis heute kein Unrecht: „Wir haben ein marktübliches Honorar für Beratung und Vermittlung von Kontakten bezahlt.“
Im April 2004 bekamen die Deutschen den Zuschlag für zwei U-Boote im Wert von 880 Millionen Euro. Der Honorarkonsul kassierte dem Urteil zufolge 1,65 Millionen Euro Schmiergeld für seine Dienste – und wurde ebenso wie die Ferrostaal-Manager zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Rechtskräftig ist das Urteil aber noch nicht, der Ex-Konsul ging in Revision. Er sieht sich nicht als offizieller Amtsträger Portugals und sagt, er habe auf die Auftragsvergabe keinen Einfluss gehabt.
Ähnlich lief ein U-Boot-Deal mit Griechenland ab, wenn auch mit anderen Personen. Auch in diesem Fall war Ferrostaal mit von der Partie – und wurde wegen der beiden Geschäfte am Ende zu einem Bußgeld von knapp 140 Millionen Euro verurteilt. Heute vermittelt der Konzern keine U-Boot-Deals mehr. Und damit auch keine Gegengeschäfte: Wer früher einem Staat ein Kriegsschiff verkaufen wollte, musste oft im Gegenzug versprechen, in dem Land zu investieren oder einzukaufen. Zumindest diese Art Geben und Nehmen ist im Rüstungsgeschäft heute so gut wie passé.