In der Osterwoche ist sie schon einmal da, wo sie hinmöchte. Julia Reda besucht das Europaparlament, es ist ein sonniger Frühlingstag in Straßburg, und die 27-jährige Politologin gibt sich optimistisch. „Realistisch gesehen, kommen zwei, drei von uns rein“, sagt sie. Kurze Pause, dann legt sie doch noch eine Schippe Zuversicht drauf, wie es sich für eine Spitzenkandidatin geziemt: „Oder vier, fünf.“ Tatsächlich wird sie selbst wohl nach der Wahl am 25. Mai auf einem der grauen Sessel im Plenarsaal Platz nehmen dürfen. Ein einziges Prozent der Wähler muss die Liste der deutschen Piratenpartei ankreuzen, damit Reda als Abgeordnete nach Straßburg ziehen kann. Das ist auch für eine Partei zu schaffen, die bei der Bundestagswahl im September nur auf 2,2 Prozent kam. Nun hofft Reda, dass „die Wähler diesmal mutiger sind, kleinere Parteien zu wählen“.
Achtung, eine Position! Bruno Kamm, der Spitzenkandidat der bayrischen Praten möchte daran erinnern, dass der "ACTA-Zombie" auferstanden ist
Den Mut kann die Spitzenpiratin selber brauchen. Während sie zwischen Berlin und Mainz eifrig für den „Abbau von Grenzen aller Art“ wirbt, befindet sich ihre Partei in einem wenig ermutigenden Zustand. Seit die Europakandidatin Anne Helm im Februar in Dresden ihren Oberkörper und einen darauf gepinselten Dank an den 1945 für die Bombardierung der Stadt verantwortlichen General entblößte, streiten sich die Piraten erbittert auf allen virtuellen Kanälen. Die eigenen Techniker legten aus Protest zeitweise den Netzauftritt der Internetpartei lahm, es gab Austritte reihenweise, die Parteispitze spaltete sich, drei der sieben Vorstände traten zurück.
Ein „tiefer Spalt“ gehe durch die Partei, sagt Sebastian Nerz. Bis vor zwei Jahren, als die Piraten noch in die Landtage stürmten, war er Parteivorsitzender, bis Ende vergangenen Jahres Vize, im Februar ist er ausgetreten. Nicht wegen des Zanks um blanke Kandidatinnenbrüste, wie er sagt, sondern weil er in der Zerrissenheit der Partei ein grundsätzliches Problem sieht: „Wir haben es versäumt, die Richtungsentscheidung zu treffen, wohin wir wollen“, sagt Nerz. Was er wollte, war „eine echte liberale Partei, die Dinge grundsätzlich infrage stellt“. Was er erlebte, war eine Partei, die mangels tragfähiger Strukturen kaum fähig war, ihre internen Konflikte zu lösen. „Es hätte ein oder zwei harte Entscheidungen gebraucht“, sagt Nerz heute, „danach wären sicher viele Mitglieder gegangen, aber die Richtung wäre klar gewesen.“
Talente verliert die Partei nicht nur auf ihrem liberalen Flügel, zu dem Nerz gehörte. Klaus Peukert argumentiert ganz ähnlich: „Wir haben nie analysiert, wie wir mit unserem Erfolg umgehen und wie wir erfolgreich bleiben können“, sagt der eher zur Parteilinken gerechnete Ex-Bundesvorstand aus Leipzig. Auch er hat die Partei verlassen, zum zweiten Mal schon. Er sehe „keine Perspektive“. Die Piraten hätten „Angst, Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen“, meint Peukert: „Stattdessen pflaumt man sich in Twitter an und ergeht sich in Wohlfühl-Anträgen.“
Inzwischen rüsten sich die Lager zur entscheidenden Auseinandersetzung. Ein außerordentlicher Parteitag muss nach der Europawahl einen neuen Bundesvorstand wählen. „ Dann wird sich entscheiden, wohin es geht“, sagt der Europakandidat Bruno Kramm, der den innerparteilichen Riss zwischen den liberalen und den „cool progressiven Kräften“ verortet, denen er sich verbunden fühlt: „Ich bin nicht Pirat geworden, um in einer Art FDP zu landen.“ Björn Semrau ist dagegen als politischer Geschäftsführer zurückgetreten, weil er ein ganz anderes Szenario fürchtet: „Da versucht eine lautstarke Minderheit, den Piraten ihr Siegel aufzudrücken“ und sie „auf einen völlig falschen Kurs zu drücken“ – nämlich nach „ganz links außen“. Mit „ein bisschen links habe ich kein Problem“, sagt Semrau, „aber auf die passt der Begriff linksextrem“. Auch der Ur-Pirat Semrau meint, dass es nach dem nächsten Parteitag eine Austrittswelle geben dürfte.
Julia Reda tröstet sich damit, dass „alle hinter unserem Europaprogramm stehen“. Zuspruch bekommt sie sogar von einem Enttäuschten: „Vielleicht irre ich mich“, sagt der Ex-Pirat Peukert, „und Julia und Co. machen alles wieder gut.“
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Den Mut kann die Spitzenpiratin selber brauchen. Während sie zwischen Berlin und Mainz eifrig für den „Abbau von Grenzen aller Art“ wirbt, befindet sich ihre Partei in einem wenig ermutigenden Zustand. Seit die Europakandidatin Anne Helm im Februar in Dresden ihren Oberkörper und einen darauf gepinselten Dank an den 1945 für die Bombardierung der Stadt verantwortlichen General entblößte, streiten sich die Piraten erbittert auf allen virtuellen Kanälen. Die eigenen Techniker legten aus Protest zeitweise den Netzauftritt der Internetpartei lahm, es gab Austritte reihenweise, die Parteispitze spaltete sich, drei der sieben Vorstände traten zurück.
Ein „tiefer Spalt“ gehe durch die Partei, sagt Sebastian Nerz. Bis vor zwei Jahren, als die Piraten noch in die Landtage stürmten, war er Parteivorsitzender, bis Ende vergangenen Jahres Vize, im Februar ist er ausgetreten. Nicht wegen des Zanks um blanke Kandidatinnenbrüste, wie er sagt, sondern weil er in der Zerrissenheit der Partei ein grundsätzliches Problem sieht: „Wir haben es versäumt, die Richtungsentscheidung zu treffen, wohin wir wollen“, sagt Nerz. Was er wollte, war „eine echte liberale Partei, die Dinge grundsätzlich infrage stellt“. Was er erlebte, war eine Partei, die mangels tragfähiger Strukturen kaum fähig war, ihre internen Konflikte zu lösen. „Es hätte ein oder zwei harte Entscheidungen gebraucht“, sagt Nerz heute, „danach wären sicher viele Mitglieder gegangen, aber die Richtung wäre klar gewesen.“
Talente verliert die Partei nicht nur auf ihrem liberalen Flügel, zu dem Nerz gehörte. Klaus Peukert argumentiert ganz ähnlich: „Wir haben nie analysiert, wie wir mit unserem Erfolg umgehen und wie wir erfolgreich bleiben können“, sagt der eher zur Parteilinken gerechnete Ex-Bundesvorstand aus Leipzig. Auch er hat die Partei verlassen, zum zweiten Mal schon. Er sehe „keine Perspektive“. Die Piraten hätten „Angst, Entscheidungen zu treffen und dafür einzustehen“, meint Peukert: „Stattdessen pflaumt man sich in Twitter an und ergeht sich in Wohlfühl-Anträgen.“
Inzwischen rüsten sich die Lager zur entscheidenden Auseinandersetzung. Ein außerordentlicher Parteitag muss nach der Europawahl einen neuen Bundesvorstand wählen. „ Dann wird sich entscheiden, wohin es geht“, sagt der Europakandidat Bruno Kramm, der den innerparteilichen Riss zwischen den liberalen und den „cool progressiven Kräften“ verortet, denen er sich verbunden fühlt: „Ich bin nicht Pirat geworden, um in einer Art FDP zu landen.“ Björn Semrau ist dagegen als politischer Geschäftsführer zurückgetreten, weil er ein ganz anderes Szenario fürchtet: „Da versucht eine lautstarke Minderheit, den Piraten ihr Siegel aufzudrücken“ und sie „auf einen völlig falschen Kurs zu drücken“ – nämlich nach „ganz links außen“. Mit „ein bisschen links habe ich kein Problem“, sagt Semrau, „aber auf die passt der Begriff linksextrem“. Auch der Ur-Pirat Semrau meint, dass es nach dem nächsten Parteitag eine Austrittswelle geben dürfte.
Julia Reda tröstet sich damit, dass „alle hinter unserem Europaprogramm stehen“. Zuspruch bekommt sie sogar von einem Enttäuschten: „Vielleicht irre ich mich“, sagt der Ex-Pirat Peukert, „und Julia und Co. machen alles wieder gut.“