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Kein Nachfolger, nirgends

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Es war ein Angriff, der dann doch keiner wurde. Das mag absurd klingen, aber so geht es zu in der Berliner SPD, die in der Hauptstadt seit mehr als 25 Jahren mitregiert und seit fast dreizehn Jahren den Regierenden Bürgermeister stellt. Intern ist von einem gescheiterten Putschversuch die Rede, aber auch von einem Schurkenstück. Anfang April hatte es plötzlich so ausgesehen, als sollte der erst seit zwei Jahren amtierende Berliner SPD-Vorsitzende Jan Stöß intern einen Herausforderer bekommen. Erst wurde geraunt und angedeutet, dann wie eine Tatsache behandelt, dass der Fraktionschef Raed Saleh auf dem Landesparteitag Mitte Mai gegen Stöß antreten würde. Es hätte eine wichtige Richtungsentscheidung mit Blick auf die Nachfolge von Klaus Wowereit sein können, der offen lässt, ob er zur Wahl 2016 noch einmal antritt.



Klaus Wowereit ist seit fast 13 Jahren Regierender Bürgermeister von Berlin. Ob er 2016 noch einmal antritt, lässt er offen.

In der Parteispitze gibt es kaum jemanden , der an eine erneute Kandidatur Wowereits glaubt. Der Regierende Bürgermeister steckt seit Langem in einem dramatischen Umfragetief. Sein Ansehen hat arg gelitten seit dem Fiasko um den Hauptstadtflughafen BER, und auch die erhoffte Erholung stellt sich nicht ein. Derzeit müsste man von einem Amtsmalus sprechen. Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge wollen nur 31 Prozent der Berliner, dass Wowereit 2016 noch einmal antritt, im Oktober waren es noch 38 Prozent. Dabei sind jetzt 64 Prozent gegen eine erneute Kandidatur, auch eine Mehrheit der SPD-Anhänger äußerte sich ablehnend. Konstant desolat sind zugleich die Umfragewerte der Partei. Sie liegt bei 23 Prozent, die CDU – ihr kleiner Partner in der Koalition – hat in Umfragen inzwischen einen großen Vorsprung, sie würde von 30 Prozent gewählt.

Für Wowereits Nachfolge gibt es keinen Favoriten in der SPD. Fast könnte man sagen, es gibt gar keinen Kandidaten, zumindest keinen aussichtsreichen. Aber weil es ja irgendwer werden müsste, wurden zuletzt vor allem zwei Namen gehandelt, eben Saleh und Stöß. Der Parteitag hätte einen Showdown bieten können: zwischen dem rauflustig forschen Verwaltungsrichter und Parteichef und dem stets vorsichtig um Ausgleich bemühten Fraktionsvorsitzenden, der anders als Stöß gern seine Loyalität zu Wowereit betont.

Als Taktiker gelten sie beide, diesen Ruf haben sie in den vergangenen Wochen ausgebaut, mit unterschiedlichem Erfolg. Wie diese Geschichte ablief, das war ein Schaustück über das Innere der Berliner SPD, die sich in einer schwierigen Lage den Luxus gönnt, sich selbst der größte Gegner zu sein. Das Gerücht, Saleh könnte kandidieren, griff Parteichef Stöß geradezu lustvoll auf und drängte den möglichen Kandidaten, sich zu erklären. Die Parteizentrale tat eilig kund, dass schon die Säle gebucht würden, in denen die Kandidaten sich der Basis stellen sollten. Wowereit ließ die Geschichte derweil unkommentiert und gelassen geschehen. Sein Verhältnis zu Stöß gilt als schwierig.

Das Ganze hatte etwas von einer Zwölf-Uhr-mittags-Situation, allerdings hinter irgendeiner Berliner Kneipe. Nur Saleh wollte nicht Duell spielen. Wohl war zu hören, dass ihn viele Genossen drängten, auch namhafte. Dabei wurde in Parteikreisen geklagt über den Zustand der Berliner SPD unter Stöß, auch über den erbitterten Kleinkrieg in wichtigen Bezirken, den man ihm kaum anlasten kann. Aber Saleh sagte kein Wort zur Kandidatur. Nicht einmal, dass er darüber nachdächte. Er ließ sich zwei Wochen Zeit. Bis er dann, in der letzten Woche, kurz erklärte, dass es keine Kandidatur geben werde und er Stöß unterstütze. Seither sortieren Berlins Sozis die Scherben, und wie es sich für sie gehört, geht dabei immer mehr zu Bruch.

Es geht um die Deutung des Ränkespiels, besonders um die Frage, wer gewonnen hat, wobei immerhin beiden Lagern klar ist, dass die SPD dabei nicht zu den Siegern zählt. Gibt es überhaupt einen? Interne Gegner Salehs spotten, er habe sich verzockt. Er habe wohl zwei Wochen die möglichen Stimmen der Delegierten auf dem Parteitag durchgezählt und darüber die Lust am Putsch verloren. Die Mehrheiten wären eben auf der Seite von Stöß gewesen. Dann wäre das Spiel für Stöß aufgegangen. Man konnte von Beginn an den Eindruck gewinnen, dass eigentlich er Saleh herausforderte. Ob und wie sehr Saleh wirklich wollte, weiß man nicht. Er wirkte zögerlich, übervorsichtig. Nach dem Verzicht auf die nie erklärte Kandidatur erntete er Häme von Parteifreunden.

Stöß gönnte sich Triumphgefühle. „Manche denken wohl wie die Kicker-Legende Rolf Rüssmann“, schrieb er auf Twitter und zitierte den einstigen Haudegen: „Wenn wir nicht gewinnen können, treten wir wenigstens den Rasen kaputt.“ Er sieht sich gestärkt, das sagt er auch. Saleh sagt nichts. Gibt es Gewinner? Forsa fragte die Berliner, wer ein guter Nachfolgekandidat für Wowereit wäre. Eine Mehrheit gibt es für niemanden. Besonders schlecht schnitt freilich Saleh ab. Den Fraktionschef sehen 27 Prozent der Befragten als geeigneten Nachfolger, 55 Prozent lehnen ihn ab.

Andere stehen nicht viel besser da, noch am besten schneidet Stöß ab, den auch eine Mehrheit ablehnt. Auch bei ihm überwiegt sogar unter den SPD-Anhängern die Skepsis. „Der ganze Prozess hat der Partei sicherlich nicht genutzt“, sagt er. Stöß weiß, dass er einen passablen Parteitag am 17. Mai brauchen wird. Die Ränke sind erst mal ausgesetzt. „Jetzt müssen wir uns um Geschlossenheit bemühen“, sagt er. Sein Triumph, Saleh vorerst abgeschüttelt zu haben, wird Stöß nur nutzen, wenn er auf dem Parteitag ein gutes Ergebnis bekommt. Bisher hat er nur: keinen Gegenkandidaten. Aus dem Umfeld von Saleh heißt es, dass man Stöß unterstütze. Das könnte für diesen Tag stimmen.

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