Die Empörung war groß im vergangenen Jahr, als die Öffentlichkeit von der immensen Kostenexplosion am Limburger Domberg erfuhr. Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hatte die Kosten für das neue Diözesanzentrum über Jahre hinweg falsch angegeben und mit Sonderwünschen wie einem beheizbaren Fußboden im Kreuzgang oder einem Fischteich noch zur Steigerung beigetragen. Vor wenigen Wochen kostete ihn der Skandal das Amt.
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Braucht die Kirche prunkvolle Architektur, um sie sichtbar zu machen? Auf der Evangelischen Akademie in Tutzing wurde diese Frage diskutiert. Das ist gewagt, weil der Skandal um das Anwesen des Limburger Ex-Bischofs Tebartz-van-Elst erst kurze Zeit zurück liegt.
Es ist nicht zum ersten Mal passiert, dass ein Bischof von seinen Schäfchen verjagt wurde. Die Ereignisse in Limburg könnten dennoch einen historischen Einschnitt bedeuten. Denn früher stellte es nur einen geringen Makel dar, großzügig Geld auszugeben, um zu bauen. Eine Menge bedeutender europäischer Architektur würde nicht existieren, wenn geistliche (und weltliche) Herren nicht opulent und mit wenig Blick auf die Kosten gebaut hätten. Auch Städtern war es früher recht, wenn ihr Kirchtum höher geriet als der der Nachbarstadt. Ältere Kirchen sind darum oft geradezu grotesk groß. Die Ehre Gottes genügte als Argument.
„Es ist in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, großartige Kirchen zu bauen“, sagte jetzt Amandus Sattler bei einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing. Thema des Treffens: „Muss die Kirche ästhetisch sein?“
Sein Architekturbüro Allmann Sattler Wappner hat in den Jahren 1997 bis 2000 in München die Herz-Jesu-Kirche gebaut, die international als eines der bedeutendsten Beispiele gegenwärtiger Kirchenarchitektur gilt. Eine Kirche zu bauen, sagt Sattler, das sei nach wie vor das Interessanteste, was einem Architekten passieren könne. Da der Vorgängerbau der Herz-Jesu-Kirche abgebrannt war, ermöglichte eine üppige Brandschutzversicherung etwa das Doppelte der sonst üblichen Baukosten. Als man sich das Büro 2009 am Wettbewerb für die Leipziger Propsteikirche beteiligte, gewann dennoch der übliche spießige Betonquader. Sattlers bereits im Entwurf ziemlich aufregender Kuppelraum galt dort als zu extravagant.
Den christlichen Gemeinden gehe seit einigen Jahren der Mut verloren, sich mit hochwertiger Architektur im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, glaubt Sattler. Seit dem Limburger Skandal, sagt Florian Schuller, der als Direktor der Katholischen Akademie in Bayern die Tagung mitveranstaltete, gehe nun die Angst um, dass man gar nicht mehr qualitätsbewusst bauen dürfe. Mancher frage sich: „Sollen wir nur noch Hütten hinstellen?“
Dass wir von den Kirchen ausdrücklich Bescheidenheit einfordern, liegt nicht nur daran, dass sich Massen von Menschen plötzlich auf das christliche Armutsideal berufen. Die europäische Kultur ist auch geprägt von einem latenten Misstrauen dem sinnlich Wahrnehmbaren gegenüber. Für Platon verbarg sich das Wesentliche gar hinter den Erscheinungen. In Deutschland aber pflegt sich dieser Verdacht unter dem Einfluss des Protestantismus und des philosophischen Idealismus regelmäßig zu einem Kult der Innerlichkeit zu verdichten. Alles Äußere gilt darum als äußerlich, unnütz und uneigentlich. Deshalb neigen wir dazu, Ethik und Ästhetik nicht nur als getrennte, sondern sogar als unvereinbare Sphären zu denken. Kircheneigentum etwa, das nicht sozialen Zwecken zukommt, ist dann fast schon Diebstahl.
Dabei sind die deutschen Kirchen zweifellos reich. Allein in Bayern, wo wenig Protestanten leben, sind, so erfuhr man in Tutzing, in den vergangenen zwanzig Jahren sechzig bis siebzig neue evangelische Kirchen entstanden. Die Bistümer und Landeskirchen – nicht zuletzt ihre karitativen Einrichtungen – leben gut von der in anderen Ländern unbekannten Kirchensteuer. In Analogie zu staatlichen Steuereinnahmen verpflichtet sie das tatsächlich zu einer gewissen Rechenschaft gegenüber ihren Mitgliedern.
Intransparente Sonderwünsche von Bischöfen sind deshalb ein Problem, selbst wenn sie, wie in Limburg, vorwiegend nicht aus laufenden Kirchensteuermitteln gezahlt werden. Aber es gibt auch so etwas wie ein Ressentiment der Kirchenmitglieder – also nicht bloß der kirchenfernen Nicht-Mitglieder – gegen ihre Institutionen. Ästhetisches Gestalten, berichtet Amandus Sattler in Tutzing, werde in der Konfrontation mit innerkirchlichen demokratischen Gremien nicht gerade leichter.
Der Streit zwischen Ethik und Ästhetik prägt längst den Alltag in den Kirchen. Nur fünf Prozent der Kirchenmusiker werden für ihren Dienst bezahlt. Das erfuhr man in Tutzing von Klaus Wedel, dem Präsidenten des Verbandes Evangelischer Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen in Bayern. Fünfundneunzig Prozent der Musiker schlagen ihre Orgeln ehrenamtlich. „Darf Musik überhaupt etwas kosten?“, fragt sich sein katholischer Kollege Frank Höndgen, Chordirektor der Münchner Michaelskirche. Beide beklagen die mangelnde Wertschätzung für die Kirchenmusik. Nach dem Motto, so Höndgen: „Könnt ihr nicht auch eine kürzere Messe spielen?“
Dabei gilt St. Michael in der Münchner Innenstadt als eine Hochburg der Kirchenmusik, von einer „Insel der Seligen“ spricht auch Höndgen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen ist seine Arbeitsstelle am Sonntagmorgen meistens stark überfüllt. Das ist auch ein Ausdruck der Doppelmoral, die in der Debatte um Prunk und Protz in den Kirchen mitschwingt. Denn es sind oft gerade die erbauliche Kirchenmusik und die großartigen, in ihrer Erhaltung jedoch äußerst geldintensiven Bauten, die viele Menschen nach wie vor in die Institutionen locken. Der Reichtum der Kirchen ist ja auch ein Stück von unser aller Reichtum. Ein wenig mehr Entspannung wäre möglich. Denn die nächste Debatte um bischöfliche Fischteiche kommt bestimmt.
![](http://jetzt/upl/images/user/ni/nicola-staender/text/regular/1017779.jpg)
Braucht die Kirche prunkvolle Architektur, um sie sichtbar zu machen? Auf der Evangelischen Akademie in Tutzing wurde diese Frage diskutiert. Das ist gewagt, weil der Skandal um das Anwesen des Limburger Ex-Bischofs Tebartz-van-Elst erst kurze Zeit zurück liegt.
Es ist nicht zum ersten Mal passiert, dass ein Bischof von seinen Schäfchen verjagt wurde. Die Ereignisse in Limburg könnten dennoch einen historischen Einschnitt bedeuten. Denn früher stellte es nur einen geringen Makel dar, großzügig Geld auszugeben, um zu bauen. Eine Menge bedeutender europäischer Architektur würde nicht existieren, wenn geistliche (und weltliche) Herren nicht opulent und mit wenig Blick auf die Kosten gebaut hätten. Auch Städtern war es früher recht, wenn ihr Kirchtum höher geriet als der der Nachbarstadt. Ältere Kirchen sind darum oft geradezu grotesk groß. Die Ehre Gottes genügte als Argument.
„Es ist in den vergangenen Jahren schwieriger geworden, großartige Kirchen zu bauen“, sagte jetzt Amandus Sattler bei einer Tagung der Evangelischen Akademie in Tutzing. Thema des Treffens: „Muss die Kirche ästhetisch sein?“
Sein Architekturbüro Allmann Sattler Wappner hat in den Jahren 1997 bis 2000 in München die Herz-Jesu-Kirche gebaut, die international als eines der bedeutendsten Beispiele gegenwärtiger Kirchenarchitektur gilt. Eine Kirche zu bauen, sagt Sattler, das sei nach wie vor das Interessanteste, was einem Architekten passieren könne. Da der Vorgängerbau der Herz-Jesu-Kirche abgebrannt war, ermöglichte eine üppige Brandschutzversicherung etwa das Doppelte der sonst üblichen Baukosten. Als man sich das Büro 2009 am Wettbewerb für die Leipziger Propsteikirche beteiligte, gewann dennoch der übliche spießige Betonquader. Sattlers bereits im Entwurf ziemlich aufregender Kuppelraum galt dort als zu extravagant.
Den christlichen Gemeinden gehe seit einigen Jahren der Mut verloren, sich mit hochwertiger Architektur im öffentlichen Raum sichtbar zu machen, glaubt Sattler. Seit dem Limburger Skandal, sagt Florian Schuller, der als Direktor der Katholischen Akademie in Bayern die Tagung mitveranstaltete, gehe nun die Angst um, dass man gar nicht mehr qualitätsbewusst bauen dürfe. Mancher frage sich: „Sollen wir nur noch Hütten hinstellen?“
Dass wir von den Kirchen ausdrücklich Bescheidenheit einfordern, liegt nicht nur daran, dass sich Massen von Menschen plötzlich auf das christliche Armutsideal berufen. Die europäische Kultur ist auch geprägt von einem latenten Misstrauen dem sinnlich Wahrnehmbaren gegenüber. Für Platon verbarg sich das Wesentliche gar hinter den Erscheinungen. In Deutschland aber pflegt sich dieser Verdacht unter dem Einfluss des Protestantismus und des philosophischen Idealismus regelmäßig zu einem Kult der Innerlichkeit zu verdichten. Alles Äußere gilt darum als äußerlich, unnütz und uneigentlich. Deshalb neigen wir dazu, Ethik und Ästhetik nicht nur als getrennte, sondern sogar als unvereinbare Sphären zu denken. Kircheneigentum etwa, das nicht sozialen Zwecken zukommt, ist dann fast schon Diebstahl.
Dabei sind die deutschen Kirchen zweifellos reich. Allein in Bayern, wo wenig Protestanten leben, sind, so erfuhr man in Tutzing, in den vergangenen zwanzig Jahren sechzig bis siebzig neue evangelische Kirchen entstanden. Die Bistümer und Landeskirchen – nicht zuletzt ihre karitativen Einrichtungen – leben gut von der in anderen Ländern unbekannten Kirchensteuer. In Analogie zu staatlichen Steuereinnahmen verpflichtet sie das tatsächlich zu einer gewissen Rechenschaft gegenüber ihren Mitgliedern.
Intransparente Sonderwünsche von Bischöfen sind deshalb ein Problem, selbst wenn sie, wie in Limburg, vorwiegend nicht aus laufenden Kirchensteuermitteln gezahlt werden. Aber es gibt auch so etwas wie ein Ressentiment der Kirchenmitglieder – also nicht bloß der kirchenfernen Nicht-Mitglieder – gegen ihre Institutionen. Ästhetisches Gestalten, berichtet Amandus Sattler in Tutzing, werde in der Konfrontation mit innerkirchlichen demokratischen Gremien nicht gerade leichter.
Der Streit zwischen Ethik und Ästhetik prägt längst den Alltag in den Kirchen. Nur fünf Prozent der Kirchenmusiker werden für ihren Dienst bezahlt. Das erfuhr man in Tutzing von Klaus Wedel, dem Präsidenten des Verbandes Evangelischer Kirchenmusiker und Kirchenmusikerinnen in Bayern. Fünfundneunzig Prozent der Musiker schlagen ihre Orgeln ehrenamtlich. „Darf Musik überhaupt etwas kosten?“, fragt sich sein katholischer Kollege Frank Höndgen, Chordirektor der Münchner Michaelskirche. Beide beklagen die mangelnde Wertschätzung für die Kirchenmusik. Nach dem Motto, so Höndgen: „Könnt ihr nicht auch eine kürzere Messe spielen?“
Dabei gilt St. Michael in der Münchner Innenstadt als eine Hochburg der Kirchenmusik, von einer „Insel der Seligen“ spricht auch Höndgen. Im Gegensatz zu vielen anderen Kirchen ist seine Arbeitsstelle am Sonntagmorgen meistens stark überfüllt. Das ist auch ein Ausdruck der Doppelmoral, die in der Debatte um Prunk und Protz in den Kirchen mitschwingt. Denn es sind oft gerade die erbauliche Kirchenmusik und die großartigen, in ihrer Erhaltung jedoch äußerst geldintensiven Bauten, die viele Menschen nach wie vor in die Institutionen locken. Der Reichtum der Kirchen ist ja auch ein Stück von unser aller Reichtum. Ein wenig mehr Entspannung wäre möglich. Denn die nächste Debatte um bischöfliche Fischteiche kommt bestimmt.