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Der Wert des Privaten

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Die Geheimdienste sind schuld. Es ist verführerisch, die Erkenntnis aus den Enthüllungen zur digitale Totalüberwachung darauf zu reduzieren. Nun ist dieser Vorwurf zweifelsohne richtig, NSA und GCHQ kann er nicht oft genug ins Stammbuch geschrieben werden. Doch ein Jahr nach dem Beginn der Snowden-Veröffentlichungen wäre es töricht, es dabei bewenden zu lassen.



Mit dem Emaildienst Gmail von Google hat die Verschiebung der Privatssphäre angefangen. Das war vor zehn Jahren. 

Auch Spione leben nicht losgelöst von der Gesellschaft. Sie registrieren Entwicklungen und die Verschiebung von Grenzen. Der Aufstieg des Anti-Terror-Kampfs zur wichtigsten Staatsaufgabe ebnete den Weg für die digitalen Aktivitäten der NSA, doch ihre Ausführung hängt auch mit den Entwicklungen der Internet-Industrie zusammen.

2004 führte Google den E-Mail-Dienst Gmail ein, kostenlos und mit einem damals geradezu sensationellen Speicherplatz von einem Gigabyte. Doch das Angebot hatte einen Haken: Der Dienst durchforstete die E-Mails seiner Nutzer, um zu deren Inhalt passgenaue Werbung anzubieten.

Google war womöglich nicht der erste, aber sicherlich auch nicht der letzte Anbieter kostenloser E-Mail-Dienste, der eine einfache Tatsache ausnutzte: Um die Postfächer von Spam und Schadlinks freizuhalten, müssen E-Mails ohnehin automatisch gescannt werden. Wieso also nicht gleich die Daten für andere Zwecke verwenden?

Im Facebook-Zeitalter erscheint uns der Hinweis auf die daraus entstehende radikale Verschiebung der Privatsphäre fast trivial. Doch es fällt nicht schwer sich vorzustellen, welche Begehrlichkeiten dieser Wandel bei den Geheimdiensten weckte. Wenn Teile der Branche zur informationsverarbeitenden Industrie werden, braucht auch die NSA keine Hemmungen mehr zu haben: Wenn ihr eure Kunden für Werbezwecke ausspioniert, warum sollten wir nicht spionieren dürfen?

Lange wehrten sich Unternehmen nicht gegen die „National Security Letters“ oder das Prism-Programm, mit denen Geheimdienste und Sicherheitsbehörden sie verpflichteten, Zugriff auf ihre Datenbanken zu erlauben. Das hat sich nach den Snowden-Enthüllungen zwar teilweise geändert. Das Geschäftsmodell aber ist das gleiche geblieben.

Welche Daten sammelt ihr, und an wen wollt ihr sie verkaufen? Solche Fragen stellen Investoren im Silicon Valley tatsächlich, wenn Start-ups ihnen ihre Ideen vorstellen. Privatsphäre ist immer noch kein wichtiger Faktor, wenn es um den Versuch geht, im harten Wettbewerb der Apps, Portale und Software ein Geschäftsmodell zu finden.

Es ist einfach, nach politischen Lösungen zu rufen. Gewiss, eine Aussetzung des Safe-Harbour-Abkommens, das die Verwendung von Daten in den USA regelt, wäre ein guter Weg, um die Spielregeln zu ändern. Doch auch die Internet-Nutzer sind in der Verantwortung – wenn die aber dem Schutz ihrer Privatsphäre keinen Wert beimessen, wird sich wenig ändern.

Erst vor einiger Zeit musste die Twitter-Alternative App.net sich selbst zum Freizeitprojekt erklären. Zu wenige Kunden wollten Geld dafür zahlen, mit ihren Aktivitäten ausnahmsweise einmal keine Datenbank für Werbekunden zu füttern. Auf der anderen Seite konnte der Textnachrichten-Dienst Threema Millionen Nutzer dafür gewinnen, Geld für die Verschlüsselung ihrer Botschaften zu zahlen. Und auch Google kündigt ein Zusatzprogramm für seinen Browser Chrome an, dass wirksame Verschlüsselung für E-Mails vereinfachen soll.

Von Aktionismus bis Apathie – die Snowden-Enthüllungen haben höchst unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Die Politik wird die Privatsphäre im Internet absehbar nicht retten, der Großteil der Daten verarbeitenden Internetkonzerne seine alten Geschäftsmodelle nicht aufgeben. Noch ist die Chance aber nicht vertan, der digitalen Intimität einen wirtschaftlichen Wert zu geben. Es wäre die richtige Reaktion – auf die NSA-Affäre, aber auch auf die schwindende Privatsphäre, die wir in den vergangenen Jahren erleben mussten.

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