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Afghanische Sehnsucht

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München/Kabul – Noch geben sich beide Seiten offiziell unbeugsam. „Wenn ich, was ich nicht tue, die Taliban militärisch beriete, würde ich ihnen erzählen, dass sich ihre Verhandlungsposition nicht verbessert, sondern ausgehöhlt wird“, kommentierte US-Generalstabschef Martin Dempsey die afghanische Präsidentschaftswahl. Schließlich hätten Millionen Menschen schon in der ersten Runde mit ihrer Stimmabgabe deutlich gemacht, dass sie ein demokratisches System wollen und keine Rückkehr zum Taliban-Regime. Wenn sie ehrlich wären, müssten die Islamisten einräumen, dass sie eine „Sinnkrise“ durchmachten, befand Dempsey.



Am Samstag entscheiden die Afghanen in einer Stichwahl über den neuen Präsidenten.

Die Aufständischen geben sich von solchen Sätzen völlig unbeeindruckt. Auch sie halten nach offizieller Lesart an ihrer Position fest: „Wir glauben, um Frieden in Afghanistan zu erreichen, ist die wichtigste Bedingung die Freiheit und der Totalabzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan. Andernfalls wird der Kampf weitergehen“, sagte ein afghanischer Taliban-Sprecher der Süddeutschen Zeitung am Donnerstag am Telefon. Die Kabuler Regierung habe sich den „Invasoren“ angedient und damit die afghanische Geschichte „beschädigt“. Nach wie vor wollten die Taliban zu einem rein islamischen Staatssystem zurückkehren, betonte er.

An diesem Samstag entscheiden die Afghanen nun in einer Stichwahl, wer nach Hamid Karsai das Präsidentenamt in Afghanistan übernehmen soll: Abdullah Abdullah tritt leicht favorisiert gegen Ashraf Ghani an. Es ist ein Duell früherer Kabinettsmitglieder: Außen- gegen Finanzminister. Egal, wer gewinnt, die wichtigste Aufgabe des neuen Staatschefs wird es sein, eine Aussöhnung mit den Taliban zu erreichen.
Karsais Verhältnis zu Washington war vor allem zum Ende hin so von Misstrauen geprägt, dass keine gemeinsame Linie für Gespräche mit den Taliban gefunden wurde. Die Ausgangssituation für seinen Nachfolger ist schwierig, der Krieg ist in einer Pattsituation: Die USA werden den Kampfeinsatz, der Ende des Jahres ausläuft, nicht siegreich beenden. Aber auch die Taliban werden Kabul nicht gleich überrennen und wieder ihr Regime etablieren können.

Abdullah und Ghani betonen beide, dass sie ein von Karsai mit den USA ausgehandeltes Sicherheitsabkommen unterzeichnen werden. Unter dem neuen Präsidenten sollen demnach etwa 12000 westliche Soldaten bis 2016 in Afghanistan bleiben und die einheimischen Sicherheitskräfte weiterhin trainieren. Maximal zwei Jahre noch, dann soll der Afghanistan-Einsatz Geschichte sein.

Die Zeit ist also auf Seiten der Taliban. Trotz anderer Rhetorik haben sie aber gezeigt, dass sie sich Verhandlungen nicht mehr völlig verschließen. Der vom Emirat Katar vermittelte Gefangenenaustausch von fünf Islamisten aus Guantanamo im Gegenzug für den amerikanischen Soldaten Bowe Bergdahl widerlegt zumindest die Ansicht, dass Washington und die Taliban keinerlei Deals erzielen können.

Nach Ansicht von Wakil Ahmad Motawakil, dem letzten Außenminister des Taliban-Regimes, ist dieser Austausch ein positiver Schritt, der die Hoffnung auf Frieden in Afghanistan nährt. Er ist nicht mehr für die Islamisten tätig, sondern lebt unbehelligt in Kabul. Seiner Meinung nach gibt es aber Signale, dass sich seine früheren Weggefährten mit einem Kompromiss zufrieden geben könnten: „Die gegenwärtige Situation ist sowohl für die Regierung als auch die Taliban unbefriedigend. Weil sich das Land in einem Kriegszustand und Unsicherheit befindet, kann nichts vorangehen“, sagt Motawakil der SZ am Telefon. Er skizzierte auch, wie ein Friedensschluss mit den Taliban aussehen könnte. Entscheidend sei, wie der neue Präsident auf die Islamisten zugehe. Gerade in der ersten Phase seiner Amtszeit muss der neue Mann im Kabuler Palast nach Motawakils Überzeugung den Grundstein legen für eine breite Übergangsregierung, die alle afghanischen Machtgruppen und somit auch die Taliban einbezieht. Auch müssten die Islamisten in die afghanische Armee integriert werden und bei zukünftigen Wahlen antreten dürfen. „In diesem Fall wäre ein Frieden möglich“, sagt er. Die Führungsebene der Islamisten lasse durchblicken, dass sie an „einer Ko-Existenz und Machtteilung mit anderen Afghanen und einem System, das einen breiten Ansatz verfolgt“, interessiert sei, sagt der ehemalige Außenminister.

Nach wie vor fällt Pakistan eine zentrale Rolle zu für einen Frieden in Afghanistan. Denn hier finden zahlreiche hochrangige Taliban-Kommandeure Unterschlupf. Auch gibt es immer wieder den Vorwurf, der Geheimdienst unterstütze Teile der Aufständischen, was Pakistan zurückweist. Die USA töteten am Donnerstag bei Drohnenangriffen an der Grenze zu Afghanistan 16 Menschen – angeblich ausschließlich Extremisten, was sich nicht unabhängig prüfen lässt.

Nach Angaben eines Sicherheitsanalysten in Islamabad unterhalten Teile der Taliban mit dem Segen ihres Chefs Mullah Omar Kontakte zum Hohen Friedensrat, der im Auftrag der afghanischen Regierung Friedensgespräche anbahnen soll. Angeblich sollen sie auch Abdullah ausgerichtet haben, dass sie mit ihm reden wollen, falls er die Wahlen in Afghanistan gewinnt. Bis zu solchen Gesprächen ist es aber noch ein weiter Weg. In der vergangenen Woche überlebte der Kandidat einen Anschlag nur knapp. Zwar übernahm niemand die Verantwortung für die Attacke. Aber der afghanische Geheimdienst erklärte, die Drahtzieher für das Attentat kämen aus Pakistan.

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