Die Türkei hilft den syrischen Rebellen, sie nimmt Flüchtlinge aus dem Nachbarland auf und gerät immer wieder unter Beschuss. Die Regierung in Ankara wünscht sich mehr internationale Einmischung - bis hin zu einer militärischen Intervention.
Schon im Frühstücksfernsehen herrscht Krieg: Zuerst durften türkische Zuschauer am Sonntagmorgen ein paar Freudentränen vergießen. Nach 87 Tagen in syrischer Gefangenschaft konnte der Journalist Cüneyt Ünel seine Angehörigen daheim wieder in die Arme schließen. Dann wieder Leid und Tod. Rauchwolken über Gaza-Stadt, zerbombte Gebäude, weinende Menschen, Palästinenser in Panik. Der Gaza-Krieg hat die Eskalation an der türkisch-syrischen Grenze in den Hintergrund treten lassen - vorerst.
Das könnte sich schon bald wieder ändern. Die Türkei sucht internationalen Beistand angesichts des Bürgerkrieges vor ihrer Haustür. 900 Kilometer lang ist die Grenze zu den syrischen Nachbarn, und mittlerweile sind mehrere türkische Orte in Grenznähe unter Feuer von der anderen Seite geraten. Fünf Menschen starben dabei Anfang Oktober in der Stadt Akcakale in der Provinz Urfa. Seitdem hat die Türkei ihre Militärpräsenz an mehreren Stellen der Grenze verstärkt, es gab Vergeltungsschläge, und am vergangenen Mittwoch ließ der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz, der sich sonst selten äußert, wissen: Die lokalen Kommandanten dürften nun auch ohne Zustimmung der Regierung in Ankara auf Grenzverletzungen militärisch reagieren. Das klang nicht nach Deeskalation.
Syrische Flüchtlinge im Flüchtlingslager Kilis in der Türkei
Der Minister berief sich dabei auf 'neue militärische Einsatzregeln', ohne genauer zu werden. Seit Wochen rätseln türkische Medien über den genauen Inhalt dieser Regeln, von denen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan erstmals im Juni gesprochen hatte. Zuvor war ein unbewaffneter türkischer Aufklärungsjet vor der syrischen Küste ins Meer gestürzt, angeblich getroffen von einem syrischen Geschoss. Die genaue Absturzursache wurde bislang nicht bekanntgegeben, obwohl die Familien der beiden getöteten Piloten dies mehrfach öffentlich verlangten.
Schon damals, im Juni, hat sich die Türkei an die Nato gewandt, deren Mitglied sie seit 1952 ist. Die Regierung in Ankara berief sich dabei auf Artikel 4 des Nato-Vertrags. Danach kann jedes Mitglied des Bündnisses, das sein Territorium in Gefahr sieht, Konsultationen mit den Partnern verlangen. Aber Artikel 4 liegt noch unter der Schwelle des Bündnisfalls - der gemeinsamen Verteidigung gegen einen Angriff, wie sie Artikel 5 vorsieht.
Nun geht die Türkei einen Schritt weiter und sucht bei der Nato um aktiven Schutz vor feindlichen Übergriffen nach. Einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, dass Ankara schon an diesem Montag formell um Beistand bitten wolle, dementierte ein türkischer Regierungssprecher am Sonntag nicht: 'Die Türkei hat ihre Gespräche mit den Nato-Partnern intensiviert', sagte er.
Schon vor dem Wochenende hatte der türkische Präsident Abdullah Gül auf eine mögliche Bedrohung seines Landes durch chemische Waffen in den Händen des syrischen Diktators Baschar al-Assad verwiesen. Der Financial Times sagte Gül, es sei 'kein Geheimnis', dass Syrien solche Kampfstoffe besitze und alte sowjetische Raketen, um sie zu verschießen. Gegen einen solchen 'Wahnsinn' müsse sich die Türkei schützen. Gül hatte in diesem Zusammenhang auch konkret die Patriot-Abwehrraketen der Nato erwähnt.
Die türkische Regierung setzt schon länger auf eine Internationalisierung des Konflikts in ihrer Nachbarschaft. Regierungschef Erdogan hat den Vereinten Nationen immer wieder Untätigkeit in der Syrien-Krise vorgeworfen und an das Abwarten der Welt im Bosnien-Krieg vor 20 Jahren erinnert. Damit ist klar, was Erdogan sich wünscht: eine internationale militärische Intervention in Syrien mit UN-Mandat.
Dies würde Ankara aus einem politischen Dilemma befreien: Die Türkei hat sich schon früh an die Seite der syrischen Opposition gestellt. Die syrischen Rebellen dürfen türkisches Territorium als Rückzugsraum nutzen. Auch der Nachschub an Lebensmitteln und Waffen für die Aufständischen läuft über die Türkei. Verletzte werden in türkischen Krankenhäusern behandelt und dann ins Kampfgebiet zurückgeschmuggelt. Die Türkei hat - nach Frankreich - zudem den neu formierten syrischen Oppositionsrat als 'legitime Vertretung des syrischen Volkes' anerkannt. Aber eine direkte Intervention auf Seiten der Rebellen, etwa zur Sicherung befreiter Zonen in Syrien, wagt Ankara nicht.
Eine große Mehrheit der Türken ist gegen einen solchen Krieg - es gibt schon genug Tote in der Türkei. Die Kämpfe mit der kurdischen PKK sind seit dem Sommer wieder aufgeflammt. Die PKK ist auch in Syrien aktiv, dort steht sie auf Seiten Assads. So bringt der Kurdenkonflikt die Türkei wieder einmal zwischen alle Stühle.
Etwa 115 000 syrische Flüchtlinge sollen sich in der Türkei befinden, die meisten in der grenznahen Provinz Hatay. Das sorgt dort für Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung. Auch die Hilfe für die Flüchtlinge würde die Regierung in Ankara gerne internationalisieren. Sie kritisiert die UN, aber auch die Europäer wegen mangelnder Unterstützung. Ankara verbreitet so das Bild, in vieler Hinsicht mit der Syrien-Krise allein gelassen zu sein. Der Appell an die Nato soll dies ändern.
Schon im Frühstücksfernsehen herrscht Krieg: Zuerst durften türkische Zuschauer am Sonntagmorgen ein paar Freudentränen vergießen. Nach 87 Tagen in syrischer Gefangenschaft konnte der Journalist Cüneyt Ünel seine Angehörigen daheim wieder in die Arme schließen. Dann wieder Leid und Tod. Rauchwolken über Gaza-Stadt, zerbombte Gebäude, weinende Menschen, Palästinenser in Panik. Der Gaza-Krieg hat die Eskalation an der türkisch-syrischen Grenze in den Hintergrund treten lassen - vorerst.
Das könnte sich schon bald wieder ändern. Die Türkei sucht internationalen Beistand angesichts des Bürgerkrieges vor ihrer Haustür. 900 Kilometer lang ist die Grenze zu den syrischen Nachbarn, und mittlerweile sind mehrere türkische Orte in Grenznähe unter Feuer von der anderen Seite geraten. Fünf Menschen starben dabei Anfang Oktober in der Stadt Akcakale in der Provinz Urfa. Seitdem hat die Türkei ihre Militärpräsenz an mehreren Stellen der Grenze verstärkt, es gab Vergeltungsschläge, und am vergangenen Mittwoch ließ der türkische Verteidigungsminister Ismet Yilmaz, der sich sonst selten äußert, wissen: Die lokalen Kommandanten dürften nun auch ohne Zustimmung der Regierung in Ankara auf Grenzverletzungen militärisch reagieren. Das klang nicht nach Deeskalation.
Syrische Flüchtlinge im Flüchtlingslager Kilis in der Türkei
Der Minister berief sich dabei auf 'neue militärische Einsatzregeln', ohne genauer zu werden. Seit Wochen rätseln türkische Medien über den genauen Inhalt dieser Regeln, von denen Regierungschef Recep Tayyip Erdogan erstmals im Juni gesprochen hatte. Zuvor war ein unbewaffneter türkischer Aufklärungsjet vor der syrischen Küste ins Meer gestürzt, angeblich getroffen von einem syrischen Geschoss. Die genaue Absturzursache wurde bislang nicht bekanntgegeben, obwohl die Familien der beiden getöteten Piloten dies mehrfach öffentlich verlangten.
Schon damals, im Juni, hat sich die Türkei an die Nato gewandt, deren Mitglied sie seit 1952 ist. Die Regierung in Ankara berief sich dabei auf Artikel 4 des Nato-Vertrags. Danach kann jedes Mitglied des Bündnisses, das sein Territorium in Gefahr sieht, Konsultationen mit den Partnern verlangen. Aber Artikel 4 liegt noch unter der Schwelle des Bündnisfalls - der gemeinsamen Verteidigung gegen einen Angriff, wie sie Artikel 5 vorsieht.
Nun geht die Türkei einen Schritt weiter und sucht bei der Nato um aktiven Schutz vor feindlichen Übergriffen nach. Einen Bericht der Süddeutschen Zeitung, dass Ankara schon an diesem Montag formell um Beistand bitten wolle, dementierte ein türkischer Regierungssprecher am Sonntag nicht: 'Die Türkei hat ihre Gespräche mit den Nato-Partnern intensiviert', sagte er.
Schon vor dem Wochenende hatte der türkische Präsident Abdullah Gül auf eine mögliche Bedrohung seines Landes durch chemische Waffen in den Händen des syrischen Diktators Baschar al-Assad verwiesen. Der Financial Times sagte Gül, es sei 'kein Geheimnis', dass Syrien solche Kampfstoffe besitze und alte sowjetische Raketen, um sie zu verschießen. Gegen einen solchen 'Wahnsinn' müsse sich die Türkei schützen. Gül hatte in diesem Zusammenhang auch konkret die Patriot-Abwehrraketen der Nato erwähnt.
Die türkische Regierung setzt schon länger auf eine Internationalisierung des Konflikts in ihrer Nachbarschaft. Regierungschef Erdogan hat den Vereinten Nationen immer wieder Untätigkeit in der Syrien-Krise vorgeworfen und an das Abwarten der Welt im Bosnien-Krieg vor 20 Jahren erinnert. Damit ist klar, was Erdogan sich wünscht: eine internationale militärische Intervention in Syrien mit UN-Mandat.
Dies würde Ankara aus einem politischen Dilemma befreien: Die Türkei hat sich schon früh an die Seite der syrischen Opposition gestellt. Die syrischen Rebellen dürfen türkisches Territorium als Rückzugsraum nutzen. Auch der Nachschub an Lebensmitteln und Waffen für die Aufständischen läuft über die Türkei. Verletzte werden in türkischen Krankenhäusern behandelt und dann ins Kampfgebiet zurückgeschmuggelt. Die Türkei hat - nach Frankreich - zudem den neu formierten syrischen Oppositionsrat als 'legitime Vertretung des syrischen Volkes' anerkannt. Aber eine direkte Intervention auf Seiten der Rebellen, etwa zur Sicherung befreiter Zonen in Syrien, wagt Ankara nicht.
Eine große Mehrheit der Türken ist gegen einen solchen Krieg - es gibt schon genug Tote in der Türkei. Die Kämpfe mit der kurdischen PKK sind seit dem Sommer wieder aufgeflammt. Die PKK ist auch in Syrien aktiv, dort steht sie auf Seiten Assads. So bringt der Kurdenkonflikt die Türkei wieder einmal zwischen alle Stühle.
Etwa 115 000 syrische Flüchtlinge sollen sich in der Türkei befinden, die meisten in der grenznahen Provinz Hatay. Das sorgt dort für Spannungen mit der einheimischen Bevölkerung. Auch die Hilfe für die Flüchtlinge würde die Regierung in Ankara gerne internationalisieren. Sie kritisiert die UN, aber auch die Europäer wegen mangelnder Unterstützung. Ankara verbreitet so das Bild, in vieler Hinsicht mit der Syrien-Krise allein gelassen zu sein. Der Appell an die Nato soll dies ändern.