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Ohne Worte

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Kursleiter Hristo Trajkovski steht vor drei Studenten und gestikuliert wild mit seiner rechten Hand. Mal spreizt er die Finger, mal ballt er die Faust. Die drei starren auf die Gebärden, sie versuchen die Kombinationen nachzuvollziehen und Buchstaben zu erkennen. Schon im Original ist das Spiel nicht einfach – „Ruck-Zuck“, die einst beliebte Fernsehshow. Und hier soll das nur mit den Händen funktionieren: Da tippen die drei ihren Teammitgliedern, die ihnen zuvor den Rücken zugewendet hatten, auf die Schulter. Umdrehen, losraten. Sie sollen Wörter wie „Bodenleger“ oder „Hausmeister“ weitergeben. Obwohl die Studenten erst in der Woche zuvor ins Finger-Alphabet eingeführt wurden, funktioniert diese stille Post schon ganz gut.



Zwei Studenten unterhalten sich in Gebärdensprache. Viele Mediziner teilen ihren gehörlosen Patienten auf diesem Weg ihre Diagnose mit.

Seit 2006 bietet die Ludwig-Maximilians-Universität München den Kurs für Medizinstudenten an. Er ist meist binnen kurzer Zeit ausgebucht. Neben einem Grundkurs gibt es die Möglichkeit, die Gebärdensprache nahezu vollständig in fünf Stufen zu erlernen. „Die Wenigsten sind selbst Betroffene. Es ist eher die Neugier“, sagt Laura Liebstein, eine der vier studentischen Koordinatoren. Ein Weg, um schnell eine gute Note zu bekommen, sei der Kurs allerdings nicht. „Das ist ähnlich aufwendig, wie eine Fremdsprache zu lernen.“

Angehende Ärzte erlernen die Gebärdensprache – das passt zu einem Trend im Medizinstudium. Massiv verändere sich gerade „das Verständnis der Arzt-Patienten-Beziehung“, schrieb jüngst das Deutsche Ärzteblatt – „weg vom bis dahin vorherrschenden ärztlichen Paternalismus hin zur Selbstbestimmung des Patienten“. Medizin-Fakultäten bieten heute zunehmend Kurse an, die es früher so nicht gab: Trainings, wie man Krebsdiagnosen übermittelt, wie mit Migranten aus anderen Kulturkreisen am besten umzugehen ist; oder hier eben die Kommunikation mit Tauben.

Vier taube Dozenten, die wie Hristo Trajkovski keine Ärzte sind, vermitteln den Umgang mit Gehörlosen. Die Grundregeln: Kurze Sätze bilden, Fachwörter vermeiden, Blickkontakt halten. Hierzulande leben circa 80000 Menschen, die sich mit Gebärdensprache verständigen müssen. Sie basiert auf Handformen, Mimik, Gesichtsausdruck und Körpersprache. Taube haben oft Probleme beim Arztbesuch, weil sich Doktor und Patient nicht richtig unterhalten können. Das kann schwerwiegende Folgen haben – mitunter falsche Diagnosen und Fehlbehandlungen. Aber Ärzte, die Gebärdensprache beherrschen, sind selbst in Großstädten selten zu finden.

Das Angebot in München ist in der ausgeprägten Form eine Rarität in der Hochschullandschaft. „Es gibt nur an einigen wenigen Universitäten klinische Wahlfächer, in denen zumindest die Grundlagen von Gehörlosigkeit und Gebärdensprache gelehrt werden“, sagt Hendrik Napierala von der Bundesvertretung der Medizinstudierenden. Der Verein zählt gut ein Dutzend Fakultäten bundesweit, an denen Studenten der Besuch eines Kurses ermöglicht wird. Mit Unterschieden: So biete etwa die Uni Jena die Kurse in Kooperation mit der Volkshochschule an – die Studenten müssten sich aber finanziell beteiligen.

Neben dem Spiel bringt Trajkovski den Studenten neue Gebärden bei, es geht um Symptome wie Bauchschmerzen. Er stellt Dialoge zwischen Arzt und Patienten vor und erklärt die spezielle Grammatik der Sprache. Keiner braucht hier Stift und Zettel – die Gebärden werden direkt nachgemacht. Auch gesprochen wird kaum, nur hin und wieder gekichert. Zum Beispiel als Trajkovski erklärt, dass die Ortsbeschreibung „nahe“ mit einer gespitzten Zunge dargestellt wird. Und der Kurs geschlossen dieselbe rausstreckt. Frank Seibert

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