Eine Frau sitzt seit vielen Jahren am Schreibtisch eines Finanzamtes. Eines Tages steht sie auf und geht einfach nach Tibet. Ist das ein spannender Filmstoff? Zumindest ist es der rasante Traum vieler recht normaler Menschen in Deutschland, die nicht den Mut aufbringen, ihre Radiergummis und Papierlocher stehen und liegen zu lassen. Aber ist das spektakulär? Eigentlich ist das ein Stoff aus dem Katalog der Konventionen. Idil Üner würde diese Rolle trotzdem sehr gern übernehmen. Einmal Finanzamt-Tibet und nie wieder zurück – das ist der Konfektionstraum von Deutschen, die aussehen wie typische Deutsche, ein bisschen blond, ein bisschen blauäugig.
Man könnte meinen, Idil Üner spielt sich in ihrem aktuellen Film "Einmal Hans mit scharfer Soße" selbst: eine türkeistämmige Frau. Weit gefehlt!
Idil Üner aber hat langes, kräftiges schwarzes Haar, braune Augen und dunkle Augenbrauen. Idil Üner ist in Berlin geboren und aufgewachsen, sie hat hier das Abitur gemacht, sie hat im bürgerlichen Steglitz lauter deutsche Freundinnen gehabt, und sie spricht ein glasklares Hochdeutsch mit dem scharfen Unterton der Berliner, in dem etwas wunderbar Nassforsches liegt. Idil Üner ist türkeistämmig mit deutschem Pass, sie hat zwei Identitäten. Aber ihre Herkunft ist so leicht zu identifizieren, dass sie immer wieder die Türkeistämmige spielt.
Dies ist einerseits die Geschichte einer vielseitigen und charismatischen Schauspielerin.
Andererseits ist es auch eine Geschichte darüber, wie weit die Integration von ausländischen Mitbürgern wirklich gediehen ist, wenn eine Frau, die aussieht wie eine Türkin, aber eine moderne deutsche Frau ist, praktisch nichts anderes spielt als türkeistämmige Frauen – und nicht irgendeine Rolle, die eben diesmal eine türkeistämmige Deutsche bekleidet.
Gerade jetzt spielt Idil Üner zum Beispiel die Hauptrolle in dem Kinofilm „Einmal Hans mit scharfer Soße“, eine Multikulti-Komödie hätte man das früher genannt, aber das sagt man so nicht mehr, weil Multikulti ein Missverständnis war. Das ist auch genau das Problem von Hans. Der deutsche Freund von Hatice findet die türkische Kultur klasse. Er möchte am liebsten selbst ein Türke sein. Aber die 34-jährige Hatice will keinen Türken als Ehemann, auch keinen halben, den Traditionsballast will sie ja gerade loswerden. Ihr Vater, der geliebte Baba, wollte früher nur einen türkischen Muslim als Ehemann akzeptieren. Dann wurde Hatice älter, da hat Baba sich erst mit der Idee, Hauptsache ein Türke, angefreundet und dann sogar den schlimmsten Fall akzeptiert: meinetwegen auch ein Deutscher!
Aber Hatice will keinen Pseudotürken. Und sie muss langsam mal kapieren, dass sie ihre westliche Identität nicht bis zu ihrem 60. Geburtstag jedes Mal kurz vor dem Haus ihrer Eltern wie ihren Minirock ablegen kann, um ihn mit einem knöchellangen „Vaterrock“ zu vertauschen.
Eigentlich könnte man meinen, dass dieser Film exakt die Geschichte von Idil Üner, 42, erzählt. Aber da geht sie zum ersten Mal von null auf hundert in die Luft. „Niemals! Was für ein Unsinn!“, ruft sie und schert sich nicht um das gediegene Ambiente im Café Brel am Berliner Savigny-Platz. Denn Idil Üner ist mit einem starken Temperament gesegnet, sie empört sich schnell, ein paar Sekunden später schüttet sie sich vor Lachen aus. Sie ist lebhaft und spontan, mit einer kurzen Zündschnur ausgestattet, sensible Punkte sind bei ihr sofort als sensible Punkte erkennbar.
„Mein Elternhaus hat nichts mit diesem traditionell türkischen Elternhaus zu tun, wie viele sich das vielleicht vorstellen“, sagt sie. „In meinem politisch aktiven Elternhaus spielte Religion keine Rolle. Meine Eltern sind Intellektuelle, die mich liberal und offen erzogen haben, die darauf gedrungen haben, dass ich Abitur mache, dass ich studiere, dass ich mich so gut wie möglich entwickeln kann.“
So gesehen ist Idil Üner das Gegenteil der nur aufgeklärt scheinenden Hatice, die sich nicht wirklich von den Konventionen ihres Elternhauses gelöst hat. Idil Üner nennt sich selbst eine moderne „Berlinerin“, sie lebt mit dem österreichischen Schauspieler Laurens Walter und zwei Kindern in Steglitz. Aber sie ist in gewisser Hinsicht nicht viel weiter als Hatice, weil sie oft auf die Rolle ihrer Herkunft festgelegt bleibt. In Hamburg haben gerade die Dreharbeiten für eine ZDF-Serie begonnen, beste Sendezeit am Samstag um 19.25 Uhr. Zunächst zwölf Folgen, Idil Üner hat eine der beiden Hauptrollen übernommen, die Serie heißt „Sibel und Max“.
Und was spielt Idil Üner? Sie spielt eine türkeistämmige deutsche Ärztin, deren 17-jähriger Sohn die 16-jährige Tochter eines deutschen Arztes schwängert.
Tolle Sache, sagt sie. Andererseits...
Idil Üner wollte sich gern in ihrem Berliner Lieblingscafé treffen. Das Café Brel sieht französischer aus als manches Café in Paris. Idil Üner fühlte sich schon mit 15, 16 zur französischen Kultur hingezogen. Sie liebte es, Chansons öffentlich vorzutragen. Aber als sie dann in einem Kinofilm sang, trug sie ein langes rotes Kleid, stand vor einer Moschee in Istanbul und sang türkische Lieder; Fans von Fatih Akins „Gegen die Wand“ werden sich an diese irisierenden musikalischen Zwischenspiele erinnern, die die Geschichte in eine Zwischenwelt verlagerten – die Welt von Menschen, deren Eltern Türken sind und die in Deutschland geboren werden und dort aufwachsen. „Ein eigenes Völkchen“ nennt Idil Üner diese für sie mit dem besten aus zwei Welten beschenkte Generation.
Wenn da nicht die Schubladen wären, die in unsere Welt überall eingebaut sind.
Schon vor 14 Jahren hatte sie sich in einem Interview beklagt, immer damit zu kämpfen zu haben, „mich aus bestimmten Schubladen hervorzuziehen, entweder aus der türkischen Schauspielerinnenecke oder aus der Hübsche-Weibchen-Ecke.“
Und nun? Hat sich etwas geändert?
Wie immer zögert Idil Üner keine Sekunde, bevor sie antwortet. Sie schickt nur ein kurzes Seufzen vorneweg.
„Mein Umgang damit hat sich vielleicht geändert. Grundsätzlich bin ich sehr viel entspannter geworden, und ich versuche, aus den Projekten, in denen ich mitwirke, das Beste zu machen. Früher habe ich mich viel mehr dagegen gestemmt.“
In dieser Antwort schwingt ein wenig Resignation mit und viel Einsicht in die Realität. Sie bekomme nun mal immer wieder diese Rollen angeboten. Das sei einerseits ein Bonus, „weil sie dann zu niemand anderem gehen, sondern zu mir kommen.“
Andererseits...
„Es ist natürlich schade, wenn es zumeist in diese Richtung geht.“ Früher habe sie diese Festlegung schon wütend gemacht. „Stellen Sie sich mal jemanden vor, der einmal einen Schwulen spielt und danach immer nur Schwule angeboten bekommt, der ärgert sich auch.“
Da sind Idil Üners darstellerische Qualitäten, ihre Natürlichkeit, ihre Präzision, ihr Timing, all das, was sie in vielen Filmen von Fatih Akin, in der wunderbaren Kultur-Clash-Komödie „Evet, ich will“ und regelmäßig in „Mordkommission Istanbul“ unter Beweis gestellt hat.
Aber da ist andererseits auch so etwas wie eine Fixiertheit auf die Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft und der kulturellen Zerrissenheit der Türkeideutschen. Idil Üner hat einen Kurzfilm gedreht, der mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold ausgezeichnet wurde. „Die Liebenden vom Hotel von Osman“ erzählt von der Reise eines unverheirateten Pärchens aus Hamburg nach Istanbul. Ahmet (Fatih Akin) und Ili (Idil Üner), zwei aufgeklärte deutsche Türken, sind in Konflikt mit dem konservativen Hotelbesitzer geraten, der den beiden „Fremden“ nicht abkauft, verheiratet zu sein. Und im Berliner Ballhaus Naunynstraße hat Idil Üner gerade das Projekt „Süpermänner“ abgeschlossen. Darin lässt sie drei Männer aus der türkischen Selbsthilfegruppe „Aufbruch Neukölln“ dokumentarisch aus ihrem Leben berichten. Sie wollte herausfinden, wie türkische Männer wirklich sind. Ihre Herkunft sensibilisiert sie natürlich für Bilder, die in den Medien gezeichnet werden, und sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, „dass die türkischen Männer so richtig schlecht wegkommen, grimmig und patriarchalisch“.
So ist das also: Sie würde der eigenen Festlegung gern entkommen und sucht doch die Auseinandersetzung mit den Klischees. Weil sie sich immer wieder darauf zurückgeworfen fühlt. Weil sie nichts so wütend macht, wie der unbedachte Reporter-Satz „Sie sprechen doch ein akzentfreies Deutsch.“ – „Selbstverständlich!“, ruft sie, kerzengerade aufgerichtet. Gerade dass dieses Selbstverständliche immer wieder thematisiert wird, zeigt nach ihrem Empfinden, dass eben nichts selbstverständlich ist, wenn man als Kind türkischer Eltern in Deutschland aufgewachsen ist.
Beim ZDF bestätigt die verantwortliche Redakteurin Berit Teschner, dass es diese Festlegung auf die fremde Herkunft im Fernsehen immer noch gibt. Aber „Sibel und Max“ sei eine moderne Familienserie, Modell Patchwork, bei der es vor allem um zwei Menschen um die 40 gehe, die in eine schwierige Familiensituation gerieten. „Sibel soll eine selbstbestimmte, impulsive, intuitive Frau mit Migrationshintergrund sein, die warm ist, die stark ist, ein Bauchmensch mit klarer Haltung, da ist uns sofort Idil Üner eingefallen.“ Patchwork sei das Thema, nicht der Clash der Kulturen. Damit wären sie ja 20 Jahre zu spät.
Vielleicht ist diese Serie ja der Anfang vom Ende eines starren Rollenbildes. Eine Serie, in der die türkischen Wurzeln, wie Berit Teschner sagt, tatsächlich „einfach nur so nebenbei miterzählt werden“.
Man könnte meinen, Idil Üner spielt sich in ihrem aktuellen Film "Einmal Hans mit scharfer Soße" selbst: eine türkeistämmige Frau. Weit gefehlt!
Idil Üner aber hat langes, kräftiges schwarzes Haar, braune Augen und dunkle Augenbrauen. Idil Üner ist in Berlin geboren und aufgewachsen, sie hat hier das Abitur gemacht, sie hat im bürgerlichen Steglitz lauter deutsche Freundinnen gehabt, und sie spricht ein glasklares Hochdeutsch mit dem scharfen Unterton der Berliner, in dem etwas wunderbar Nassforsches liegt. Idil Üner ist türkeistämmig mit deutschem Pass, sie hat zwei Identitäten. Aber ihre Herkunft ist so leicht zu identifizieren, dass sie immer wieder die Türkeistämmige spielt.
Dies ist einerseits die Geschichte einer vielseitigen und charismatischen Schauspielerin.
Andererseits ist es auch eine Geschichte darüber, wie weit die Integration von ausländischen Mitbürgern wirklich gediehen ist, wenn eine Frau, die aussieht wie eine Türkin, aber eine moderne deutsche Frau ist, praktisch nichts anderes spielt als türkeistämmige Frauen – und nicht irgendeine Rolle, die eben diesmal eine türkeistämmige Deutsche bekleidet.
Gerade jetzt spielt Idil Üner zum Beispiel die Hauptrolle in dem Kinofilm „Einmal Hans mit scharfer Soße“, eine Multikulti-Komödie hätte man das früher genannt, aber das sagt man so nicht mehr, weil Multikulti ein Missverständnis war. Das ist auch genau das Problem von Hans. Der deutsche Freund von Hatice findet die türkische Kultur klasse. Er möchte am liebsten selbst ein Türke sein. Aber die 34-jährige Hatice will keinen Türken als Ehemann, auch keinen halben, den Traditionsballast will sie ja gerade loswerden. Ihr Vater, der geliebte Baba, wollte früher nur einen türkischen Muslim als Ehemann akzeptieren. Dann wurde Hatice älter, da hat Baba sich erst mit der Idee, Hauptsache ein Türke, angefreundet und dann sogar den schlimmsten Fall akzeptiert: meinetwegen auch ein Deutscher!
Aber Hatice will keinen Pseudotürken. Und sie muss langsam mal kapieren, dass sie ihre westliche Identität nicht bis zu ihrem 60. Geburtstag jedes Mal kurz vor dem Haus ihrer Eltern wie ihren Minirock ablegen kann, um ihn mit einem knöchellangen „Vaterrock“ zu vertauschen.
Eigentlich könnte man meinen, dass dieser Film exakt die Geschichte von Idil Üner, 42, erzählt. Aber da geht sie zum ersten Mal von null auf hundert in die Luft. „Niemals! Was für ein Unsinn!“, ruft sie und schert sich nicht um das gediegene Ambiente im Café Brel am Berliner Savigny-Platz. Denn Idil Üner ist mit einem starken Temperament gesegnet, sie empört sich schnell, ein paar Sekunden später schüttet sie sich vor Lachen aus. Sie ist lebhaft und spontan, mit einer kurzen Zündschnur ausgestattet, sensible Punkte sind bei ihr sofort als sensible Punkte erkennbar.
„Mein Elternhaus hat nichts mit diesem traditionell türkischen Elternhaus zu tun, wie viele sich das vielleicht vorstellen“, sagt sie. „In meinem politisch aktiven Elternhaus spielte Religion keine Rolle. Meine Eltern sind Intellektuelle, die mich liberal und offen erzogen haben, die darauf gedrungen haben, dass ich Abitur mache, dass ich studiere, dass ich mich so gut wie möglich entwickeln kann.“
So gesehen ist Idil Üner das Gegenteil der nur aufgeklärt scheinenden Hatice, die sich nicht wirklich von den Konventionen ihres Elternhauses gelöst hat. Idil Üner nennt sich selbst eine moderne „Berlinerin“, sie lebt mit dem österreichischen Schauspieler Laurens Walter und zwei Kindern in Steglitz. Aber sie ist in gewisser Hinsicht nicht viel weiter als Hatice, weil sie oft auf die Rolle ihrer Herkunft festgelegt bleibt. In Hamburg haben gerade die Dreharbeiten für eine ZDF-Serie begonnen, beste Sendezeit am Samstag um 19.25 Uhr. Zunächst zwölf Folgen, Idil Üner hat eine der beiden Hauptrollen übernommen, die Serie heißt „Sibel und Max“.
Und was spielt Idil Üner? Sie spielt eine türkeistämmige deutsche Ärztin, deren 17-jähriger Sohn die 16-jährige Tochter eines deutschen Arztes schwängert.
Tolle Sache, sagt sie. Andererseits...
Idil Üner wollte sich gern in ihrem Berliner Lieblingscafé treffen. Das Café Brel sieht französischer aus als manches Café in Paris. Idil Üner fühlte sich schon mit 15, 16 zur französischen Kultur hingezogen. Sie liebte es, Chansons öffentlich vorzutragen. Aber als sie dann in einem Kinofilm sang, trug sie ein langes rotes Kleid, stand vor einer Moschee in Istanbul und sang türkische Lieder; Fans von Fatih Akins „Gegen die Wand“ werden sich an diese irisierenden musikalischen Zwischenspiele erinnern, die die Geschichte in eine Zwischenwelt verlagerten – die Welt von Menschen, deren Eltern Türken sind und die in Deutschland geboren werden und dort aufwachsen. „Ein eigenes Völkchen“ nennt Idil Üner diese für sie mit dem besten aus zwei Welten beschenkte Generation.
Wenn da nicht die Schubladen wären, die in unsere Welt überall eingebaut sind.
Schon vor 14 Jahren hatte sie sich in einem Interview beklagt, immer damit zu kämpfen zu haben, „mich aus bestimmten Schubladen hervorzuziehen, entweder aus der türkischen Schauspielerinnenecke oder aus der Hübsche-Weibchen-Ecke.“
Und nun? Hat sich etwas geändert?
Wie immer zögert Idil Üner keine Sekunde, bevor sie antwortet. Sie schickt nur ein kurzes Seufzen vorneweg.
„Mein Umgang damit hat sich vielleicht geändert. Grundsätzlich bin ich sehr viel entspannter geworden, und ich versuche, aus den Projekten, in denen ich mitwirke, das Beste zu machen. Früher habe ich mich viel mehr dagegen gestemmt.“
In dieser Antwort schwingt ein wenig Resignation mit und viel Einsicht in die Realität. Sie bekomme nun mal immer wieder diese Rollen angeboten. Das sei einerseits ein Bonus, „weil sie dann zu niemand anderem gehen, sondern zu mir kommen.“
Andererseits...
„Es ist natürlich schade, wenn es zumeist in diese Richtung geht.“ Früher habe sie diese Festlegung schon wütend gemacht. „Stellen Sie sich mal jemanden vor, der einmal einen Schwulen spielt und danach immer nur Schwule angeboten bekommt, der ärgert sich auch.“
Da sind Idil Üners darstellerische Qualitäten, ihre Natürlichkeit, ihre Präzision, ihr Timing, all das, was sie in vielen Filmen von Fatih Akin, in der wunderbaren Kultur-Clash-Komödie „Evet, ich will“ und regelmäßig in „Mordkommission Istanbul“ unter Beweis gestellt hat.
Aber da ist andererseits auch so etwas wie eine Fixiertheit auf die Auseinandersetzung mit ihrer Herkunft und der kulturellen Zerrissenheit der Türkeideutschen. Idil Üner hat einen Kurzfilm gedreht, der mit dem Deutschen Kurzfilmpreis in Gold ausgezeichnet wurde. „Die Liebenden vom Hotel von Osman“ erzählt von der Reise eines unverheirateten Pärchens aus Hamburg nach Istanbul. Ahmet (Fatih Akin) und Ili (Idil Üner), zwei aufgeklärte deutsche Türken, sind in Konflikt mit dem konservativen Hotelbesitzer geraten, der den beiden „Fremden“ nicht abkauft, verheiratet zu sein. Und im Berliner Ballhaus Naunynstraße hat Idil Üner gerade das Projekt „Süpermänner“ abgeschlossen. Darin lässt sie drei Männer aus der türkischen Selbsthilfegruppe „Aufbruch Neukölln“ dokumentarisch aus ihrem Leben berichten. Sie wollte herausfinden, wie türkische Männer wirklich sind. Ihre Herkunft sensibilisiert sie natürlich für Bilder, die in den Medien gezeichnet werden, und sie kann sich des Eindrucks nicht erwehren, „dass die türkischen Männer so richtig schlecht wegkommen, grimmig und patriarchalisch“.
So ist das also: Sie würde der eigenen Festlegung gern entkommen und sucht doch die Auseinandersetzung mit den Klischees. Weil sie sich immer wieder darauf zurückgeworfen fühlt. Weil sie nichts so wütend macht, wie der unbedachte Reporter-Satz „Sie sprechen doch ein akzentfreies Deutsch.“ – „Selbstverständlich!“, ruft sie, kerzengerade aufgerichtet. Gerade dass dieses Selbstverständliche immer wieder thematisiert wird, zeigt nach ihrem Empfinden, dass eben nichts selbstverständlich ist, wenn man als Kind türkischer Eltern in Deutschland aufgewachsen ist.
Beim ZDF bestätigt die verantwortliche Redakteurin Berit Teschner, dass es diese Festlegung auf die fremde Herkunft im Fernsehen immer noch gibt. Aber „Sibel und Max“ sei eine moderne Familienserie, Modell Patchwork, bei der es vor allem um zwei Menschen um die 40 gehe, die in eine schwierige Familiensituation gerieten. „Sibel soll eine selbstbestimmte, impulsive, intuitive Frau mit Migrationshintergrund sein, die warm ist, die stark ist, ein Bauchmensch mit klarer Haltung, da ist uns sofort Idil Üner eingefallen.“ Patchwork sei das Thema, nicht der Clash der Kulturen. Damit wären sie ja 20 Jahre zu spät.
Vielleicht ist diese Serie ja der Anfang vom Ende eines starren Rollenbildes. Eine Serie, in der die türkischen Wurzeln, wie Berit Teschner sagt, tatsächlich „einfach nur so nebenbei miterzählt werden“.