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Schatten der Rache

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Tel Aviv – Es hat bereits extreme Gewalt gegeben in dieser jüngsten Runde des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern. Doch nun droht ein weiterer Mordfall die Lage noch zu verschärfen. In einem Waldstück westlich von Jerusalem wurde am Mittwochmorgen die verbrannte Leiche eines jungen Palästinensers gefunden, der offenbar in der Nacht zuvor im arabischen Ostteil von Jerusalem in ein Auto gezwungen worden war. Befürchtet wird ein Racheakt jüdischer Extremisten für die Entführung dreier israelischer Jugendlicher, die zu Wochenbeginn im Westjordanland tot aufgefunden worden waren. Als Zeichen einer drohenden Eskalation wurde Jerusalem innerhalb von 24 Stunden zum Schauplatz gewalttätiger Proteste sowohl von radikalen Juden wie von Palästinensern.



Ein Palästinenser inspiziert den Schaden nach dem jüngsten Luftangriff in Gaza.

Nach Angaben der Polizei wurde der 16-jährige Mohammed Abu Chedair in der Nacht an einer Straßenbahnhaltestelle im arabischen Stadtteil Schuafat entführt. Ein Angehöriger berichtete, dass die Täter in einem schwarzen Auto gesessen hätten. Ein solches Fahrzeug soll bereits am Tag zuvor bei der fehlgeschlagenen Entführung eines siebenjährigen palästinensischen Mädchens gesichtet worden sein. Ein Polizeisprecher verwies allerdings auch darauf, dass es im Umfeld des Opfers wegen einer Familienfehde bereits andere Entführungsfälle gegeben habe. Die Familie bestritt das vehement.

Israels Regierung zeigte sich alarmiert über den Vorfall. Premierminister Benjamin Netanjahu sprach von einem „verabscheuungswürdigen“ Verbrechen, warnte eindringlich vor Selbstjustiz und kündigte eine rasche Aufklärung an. Der Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat verurteilte den „furchtbaren und barbarischen Mord“ und rief alle Seiten dazu auf, „Zurückhaltung zu üben“.

In Ramallah erklärte ein Sprecher der Fatah von Präsident Mahmud Abbas, „die israelische Regierung ist verantwortlich für jüdischen Terrorismus und die Entführung und Ermordung im besetzten Jerusalem“. Die Familie des nach seiner Entführung getöteten israelischen Schülers Naftali Frenkel ließ verlauten, es wäre „entsetzlich“, wenn der arabische Jugendliche aus Rache getötet worden sei. „Es gibt keinen Unterschied zwischen Blut und Blut. Mord ist Mord“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung.

Der Jerusalemer Mordfall löste heftige Krawalle im arabischen Ostteil der Stadt aus. Über Stunden lieferten sich mehrere hundert palästinensische Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Steine und Brandflaschen wurden geworfen, die Sicherheitskräfte schossen mit Gummigeschossen. Der Tempelberg mit Al-Aksa-Moschee und Felsendom wurde vorübergehend gesperrt. Am Abend zuvor waren Hunderte radikale Israelis durch die Jerusalemer Innenstadt gezogen und hatten „Tod den Arabern“ skandiert. Palästinensische Passanten wurden attackiert und gejagt. Nach Polizeiangaben wurden 47 gewalttätige Demonstranten festgenommen.

In dieser aufgeheizten Atmosphäre berät die israelische Regierung, wie sie reagieren soll. Nach einer zweiten Sitzung des Sicherheitskabinetts in der Nacht zum Mittwoch wurden noch keine konkreten Ergebnisse bekannt gemacht. Unmittelbar vor dem Treffen allerdings hatte Netanjahu angekündigt, das harte Vorgehen gegen die Hamas fortzusetzen. „Wir werden die Mörder fassen und alle, die an der Entführung beteiligt waren“, sagte er. Er drohte zudem, die Luftangriffe auf Stellungen der Hamas in ihrem Machtzentrum im Gazastreifen zu verstärken. „Wir werden die Hamas im Westjordanland schwächen und den Raketenbeschuss auf Israel von ihrem Territorium aus beenden“, kündigte Netanjahu an.

Der Druck der israelischen Öffentlichkeit ist groß. Angefacht wird dies durch den Mitschnitt des Telefonats, mit dem einer der entführten israelischen Jugendlichen die Polizei alarmieren wollte. Der Notruf wurde nicht ernst genommen, obwohl darauf Schüsse zu hören sind, Schmerzensschreie sowie Freudenrufe der Mörder auf Arabisch.

Außenminister Avigdor Lieberman verlangt ebenso wie Wirtschaftsminister Naftali Bennett eine breit angelegte Militäraktion im Gazastreifen. Am Mittwochabend wollten die Minister erneut zusammenkommen. Auf dem Tisch liegt unter anderem ein Vorschlag von Verteidigungsminister Mosche Jaalon, zum Gedenken an die toten Talmudschüler eine neue Siedlung im Westjordanland zu bauen.

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