München – Knarzende Parkettböden, ledergepolsterte Doppeltüren und dahinter Agenten, die über Kontinente Drähte spannen und Konspiration in allen Lebenslagen beherrschen – das ist das Bild, das Thriller-Autoren gern von Geheimdiensten zeichnen. Der Verrat ist nur dann Verrat, wenn echte Agenten das ganz große Ding drehen. So geht die Legende vom Verrat.
Die Einfahrt zum BND-Sitz in Pullach. Hier hat der Beamte die Berichte deutscher Agenten ordentilich sortieren und verarbeiten sollen.
Ein kleiner Sachbearbeiter des Bundesnachrichtendienstes in Pullach, der in der Abteilung EA „Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen“ des Dienstes arbeitet und auf dessen Schreibtisch seit Jahren die Berichte deutscher Agenten nur deshalb landen, weil er all das Zeug ordentlich sortieren und verarbeiten soll, passt nicht in dieses Bild vom großen Fall.
Der Beamte des Mittleren Dienstes, der lange unauffällig blieb und fast unsichtbar in dem Apparat war, entspricht nicht den weit verbreiteten Vorstellungen über echte Geheimnisträger und Geheimdienste. Der 31 Jahre alte körperbehinderte Beamte, dem seine Umgebung nicht misstraute, soll zwei Jahre lang heimlich für amerikanische Dienste mehr als zweihundert Dokumente abgezweigt und dafür insgesamt 25000 Euro kassiert haben. Kleines Geld für den kleinen Aktenverwalter. Macht das den Fall weniger dramatisch?
Als am Freitag voriger Woche der angebliche Verratsfall in Umrissen bekannt wurde, hieß es in Berlin, man dürfe das nicht überbewerten. Es handele sich nur um einen kleinen Mitarbeiter in der Poststelle, der wenig qualifiziert sei und – warum auch immer – Material abgezweigt habe. Das mit der Poststelle war falsch, der Verweis auf die angeblich mangelnde Qualifikation in diesem Zusammenhang war Unsinn und offenbarte zugleich ein großes Missverständnis, wie die Beschaffung von Material funktioniert.
Für die Bedeutung eines Falles ist es völlig gleichgültig, ob der Lieferant des geheimen Materials ein großer Agent oder nur eine graue Maus in der Registratur ist. Der Chef ist für Beschaffer aller Art in der Regel weniger wichtig als die Person im Vorzimmer. Die kennt sich zumindest aus.
Für jeden fremden Geheimdienst ist deshalb die Registratur des anderen Dienstes und deren Zuarbeitersystem ein Angriffsziel. Dort, wo alles landet, wo die Quellen zusammenfließen, muss man hocken. „Die Registratur ist bei jeder Behörde die weiche Stelle “, sagt ein früherer hochrangiger deutscher Nachrichtendienstler, und für die Richtigkeit dieser These steht der Fall eines früheren Beamten des Auswärtigen Amtes (AA), der viel mit Verschlusssachen zu tun hatte. Auch er hat sie nicht beschafft, er hat sie aber registriert.
Der Beamte wurde Anfang der Neunzigerjahre wegen Spionage in einem besonders schweren Fall zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seine Geschichte ist beispielhaft für den Schaden, den Aktenverwalter anrichten können; und dafür, wie leicht ihnen manchmal das Beschaffen gemacht wird. Während der Golfkrise 1990 hatte er den Irakern bergeweise Verschlusssachen des Westens verraten. Er arbeitete zwar in einer Abteilung für West-und Zentralafrika, aber weil er sich mehr für den Nahen und Mittleren Osten interessierte, stöberte er in den Registraturen der für diesen Bereich zuständigen Referate. Er trug wichtigste Dokumente aus dem Amt, die er dann in Bonn einem damaligen irakischen Militärattaché übergab.
Natürlich gab es auch im AA Eigensicherung, aber gut funktionierte sie nicht. Er verhielt sich nicht mal unauffällig. Manchmal nahm er aus dem Botenzimmer Mappen mit Verschlusssachen mit nach Hause, öffnete sie daheim unter Wasserdampf , kopierte sie und brachte sie dann in das Zimmer zurück. Er bot den sogenannten VS–Boten an, das Material selbst zu transportieren, und fiel nicht auf.
Als er kurzfristig die Geheimregistratur der Nahost-Referate übernahm, ließ er sich beim Schlüsseldienst eine Doublette des Schlüssels für die Aktenbestände zu Nahost fertigen. Es handelte sich um vertraulichste Einschätzungen aus den USA, um Dossiers des BND über die Lage im Irak, um Material über Bomber und Raketenstellungen und sogar um persönliche Korrespondenz zwischen dem damaligen US-Präsidenten George Bush und dem damaligen Kanzler Helmut Kohl.
Beste Ware vom Aktenmann, der nur aufflog, weil die Iraker über ihre gute Quelle in Deutschland am Telefon so schwätzten und natürlich dabei belauscht wurden. Über drei Monate hatten ihn damals Spezialisten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beobachtet, und sie schlugen lange Zeit nicht zu, weil sie einen Komplizen festnehmen wollten, den es aber nicht gab. Der Registrator hatte bei seiner Festnahme 51Geheimdokumente in der Tasche. Als die Düsseldorfer Richter später einen Verfassungsschützer fragten, warum die Spionageabwehr dem Mann keine manipulierten Dokumente untergeschoben hätten, deren Weitergabe keinen Schaden angerichtet hätte, erklärte der Zeuge, das sei „aus Zeitgründen“ nicht möglich gewesen.
Der Fall des in Untersuchungshaft einsitzenden BND-Mitarbeiters, der nach eigenen Aussagen die amerikanischen Dienste beliefert haben will, ist in vielen Details noch nicht klar, aber so ähnlich wie bei dem früheren AA-Spion könnte es an manchen Stellen schon gelaufen sein. Immerhin hat diesmal die Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutzes Ende Mai schnell geschaltet und Anfang Juni den BND informiert, der dann dem eigenen Mann nachspürte.
Ob der BND-Man aus Geltungssucht oder Geldgier ein eigenes Agentengeschäft aufgemacht hat, ist am Ende egal. Der AA-Registrator, der 1982 zum Islam konvertiert war, gab später an, aus politischen Gründen dem Irak geholfen zu haben. „Ich war im Krieg“, sagte er, und sein Posten sei die Registratur im AA gewesen.
Die Einfahrt zum BND-Sitz in Pullach. Hier hat der Beamte die Berichte deutscher Agenten ordentilich sortieren und verarbeiten sollen.
Ein kleiner Sachbearbeiter des Bundesnachrichtendienstes in Pullach, der in der Abteilung EA „Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen“ des Dienstes arbeitet und auf dessen Schreibtisch seit Jahren die Berichte deutscher Agenten nur deshalb landen, weil er all das Zeug ordentlich sortieren und verarbeiten soll, passt nicht in dieses Bild vom großen Fall.
Der Beamte des Mittleren Dienstes, der lange unauffällig blieb und fast unsichtbar in dem Apparat war, entspricht nicht den weit verbreiteten Vorstellungen über echte Geheimnisträger und Geheimdienste. Der 31 Jahre alte körperbehinderte Beamte, dem seine Umgebung nicht misstraute, soll zwei Jahre lang heimlich für amerikanische Dienste mehr als zweihundert Dokumente abgezweigt und dafür insgesamt 25000 Euro kassiert haben. Kleines Geld für den kleinen Aktenverwalter. Macht das den Fall weniger dramatisch?
Als am Freitag voriger Woche der angebliche Verratsfall in Umrissen bekannt wurde, hieß es in Berlin, man dürfe das nicht überbewerten. Es handele sich nur um einen kleinen Mitarbeiter in der Poststelle, der wenig qualifiziert sei und – warum auch immer – Material abgezweigt habe. Das mit der Poststelle war falsch, der Verweis auf die angeblich mangelnde Qualifikation in diesem Zusammenhang war Unsinn und offenbarte zugleich ein großes Missverständnis, wie die Beschaffung von Material funktioniert.
Für die Bedeutung eines Falles ist es völlig gleichgültig, ob der Lieferant des geheimen Materials ein großer Agent oder nur eine graue Maus in der Registratur ist. Der Chef ist für Beschaffer aller Art in der Regel weniger wichtig als die Person im Vorzimmer. Die kennt sich zumindest aus.
Für jeden fremden Geheimdienst ist deshalb die Registratur des anderen Dienstes und deren Zuarbeitersystem ein Angriffsziel. Dort, wo alles landet, wo die Quellen zusammenfließen, muss man hocken. „Die Registratur ist bei jeder Behörde die weiche Stelle “, sagt ein früherer hochrangiger deutscher Nachrichtendienstler, und für die Richtigkeit dieser These steht der Fall eines früheren Beamten des Auswärtigen Amtes (AA), der viel mit Verschlusssachen zu tun hatte. Auch er hat sie nicht beschafft, er hat sie aber registriert.
Der Beamte wurde Anfang der Neunzigerjahre wegen Spionage in einem besonders schweren Fall zu fünf Jahren Haft verurteilt. Seine Geschichte ist beispielhaft für den Schaden, den Aktenverwalter anrichten können; und dafür, wie leicht ihnen manchmal das Beschaffen gemacht wird. Während der Golfkrise 1990 hatte er den Irakern bergeweise Verschlusssachen des Westens verraten. Er arbeitete zwar in einer Abteilung für West-und Zentralafrika, aber weil er sich mehr für den Nahen und Mittleren Osten interessierte, stöberte er in den Registraturen der für diesen Bereich zuständigen Referate. Er trug wichtigste Dokumente aus dem Amt, die er dann in Bonn einem damaligen irakischen Militärattaché übergab.
Natürlich gab es auch im AA Eigensicherung, aber gut funktionierte sie nicht. Er verhielt sich nicht mal unauffällig. Manchmal nahm er aus dem Botenzimmer Mappen mit Verschlusssachen mit nach Hause, öffnete sie daheim unter Wasserdampf , kopierte sie und brachte sie dann in das Zimmer zurück. Er bot den sogenannten VS–Boten an, das Material selbst zu transportieren, und fiel nicht auf.
Als er kurzfristig die Geheimregistratur der Nahost-Referate übernahm, ließ er sich beim Schlüsseldienst eine Doublette des Schlüssels für die Aktenbestände zu Nahost fertigen. Es handelte sich um vertraulichste Einschätzungen aus den USA, um Dossiers des BND über die Lage im Irak, um Material über Bomber und Raketenstellungen und sogar um persönliche Korrespondenz zwischen dem damaligen US-Präsidenten George Bush und dem damaligen Kanzler Helmut Kohl.
Beste Ware vom Aktenmann, der nur aufflog, weil die Iraker über ihre gute Quelle in Deutschland am Telefon so schwätzten und natürlich dabei belauscht wurden. Über drei Monate hatten ihn damals Spezialisten des Bundesamtes für Verfassungsschutz beobachtet, und sie schlugen lange Zeit nicht zu, weil sie einen Komplizen festnehmen wollten, den es aber nicht gab. Der Registrator hatte bei seiner Festnahme 51Geheimdokumente in der Tasche. Als die Düsseldorfer Richter später einen Verfassungsschützer fragten, warum die Spionageabwehr dem Mann keine manipulierten Dokumente untergeschoben hätten, deren Weitergabe keinen Schaden angerichtet hätte, erklärte der Zeuge, das sei „aus Zeitgründen“ nicht möglich gewesen.
Der Fall des in Untersuchungshaft einsitzenden BND-Mitarbeiters, der nach eigenen Aussagen die amerikanischen Dienste beliefert haben will, ist in vielen Details noch nicht klar, aber so ähnlich wie bei dem früheren AA-Spion könnte es an manchen Stellen schon gelaufen sein. Immerhin hat diesmal die Spionageabwehr des Bundesamtes für Verfassungsschutzes Ende Mai schnell geschaltet und Anfang Juni den BND informiert, der dann dem eigenen Mann nachspürte.
Ob der BND-Man aus Geltungssucht oder Geldgier ein eigenes Agentengeschäft aufgemacht hat, ist am Ende egal. Der AA-Registrator, der 1982 zum Islam konvertiert war, gab später an, aus politischen Gründen dem Irak geholfen zu haben. „Ich war im Krieg“, sagte er, und sein Posten sei die Registratur im AA gewesen.