Medan – In der Kantine der Universität sitzt Razidun Sinotang und kippt drei große Löffel Zucker in seinen Tee. Er rührt und rührt. „Dieses Mal fällt es schwer, sich zu entscheiden“, sagt der 28-jährige Soziologie-Student. Soll er seine Stimme Joko Widodo geben, dem Gouverneur von Jakarta, den alle Jokowi nennen? Oder doch Prabowo Subianto, dem pensionierten General? „Vielleicht werde ich es erst wissen, wenn ich am 9. Juli zum Wahllokal gehe,“ sagt Sinotang.
Der Ex-General Prabawo Sublanto (mitte) bei einer Pressekonferenz.
Erkundungen auf dem Campus von Medan, im Norden Sumatras. Unter den Studenten fällt auf, was Umfragen belegen: Fast jeder fünfte Stimmberechtigte ist kurz vor der Wahl unentschlossen wie Sinotang. Das macht das Rennen um die indonesische Präsidentschaft sehr spannend.
Der aufstrebende rohstoffreiche Vielvölkerstaat ist mit 250 Millionen Einwohnern das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt. Jakarta ist ein begehrter Partner in Ost und West. Indonesien lockt mit einem großen Markt, ist aber auch strategisch von Gewicht. So wird der Wahlkampf in den großen Hauptstädten, aber auch von Konzernen und Banken genau verfolgt. Zwar hatte Joko Widodo lange Zeit als unschlagbarer Favorit gegolten. Doch im zunehmend schmutzigen Wahlkampf ist sein Vorsprung erheblich geschrumpft. Jokowis Sieg ist also nicht mehr so sicher.
Draußen unter den Bäumen auf dem Campus sitzt Mega Olivia Sibarani, eine aufgeweckte Studentin, die nicht lange überlegen muss, wen sie wählt: Ihr Held heißt Jokowi. Die 18-Jährige studiert öffentliches Gesundheitswesen im ersten Semester, aber das kann sie nur, weil sie mit guten Noten ein Stipendium ergattert hat. „Meine Eltern sind Bauern, sie könnten niemals so viel Geld für mich aufbringen.“
Die Bauern kann keiner der Kandidaten ignorieren. Jeder sechste der fast 190 Millionen Stimmberechtigten arbeitet in der Landwirtschaft. Zugleich haben gerade Bauern und Fischer oft das Gefühl, dass sie vom Aufschwung und dem jährlichen Wachstum bis zu sechs Prozent kaum profitieren. So umwerben beide Kandidaten die Bauern. Prabowo hat das größere Netzwerk, aber Jokowi gilt als einfacher Mann, „einer wie du und ich“. Das schafft Nähe.
Und die Bauerntochter, die es nun an die Universität geschafft hat – warum wählt sie den Gouverneur von Jakarta? „Er hat bewiesen, dass er etwas bewegen kann“, sagt Sibarani. „Und ich glaube, dass er sauber ist.“ Prabowo sei sein ganzes Leben nur Soldat gewesen, was ihn noch lange nicht als guten Politiker qualifiziere. Dann schimpft die junge Frau über Vetternwirtschaft und Korruption. „Es fängt schon an, wenn ich einen neuen Ausweis brauche. Dann muss ich erst mal unter dem Tisch Geld durchschieben, sonst bekomme ich gar nichts“, sagt sie. Sibarani setzt darauf, dass Jokowi diese Übel beenden kann, so wie er damit im Amt des Bürgermeisters begonnen hat. Korrupte Beamte und Politiker fürchten ihn.
„Jokowi vertritt die Interessen der einfachen Leute“, sagt die Studentin. „Bislang ist es doch so: Wer keine Beziehungen hat, kann in Indonesien nur schwer etwas werden. Man kann sich anstrengen, und doch hilft das am Ende wenig.“ Von verhassten Mauscheleien und bestechlichen Politikern hört man fast überall auf Reisen durch Indonesiens Inselwelt. Jokowis Anhänger hoffen, dass er bessere Spielregeln durchsetzt, faire Chancen für alle schafft.
Der 52-jährige Kandidat ist kometenhaft aufgestiegen, manche halten ihn für eine Sensation auf der politischen Bühne Indonesiens. Sein Markenzeichen ist das karierte Hemd, das er nur dann gegen einen dunklen Anzug tauscht, wenn er zum Fernsehduell gegen Prabowo antritt. Jokowi war mittelständischer Unternehmer und stellte Möbel her, bevor ihn Bekannte drängten, sich um den Posten des Bürgermeisters in der javanischen Stadt Solo zu bewerben. Viele waren beeindruckt von der redlichen Art, wie er seine Firma leitete. Manchmal führten ihn die Geschäfte damals auch zu Messen in Deutschland.
Als Stadtoberhaupt festigte sich sein Ruf des guten Managers, der das Gemeinwohl fördert und über Probleme nicht nur lamentiert, sondern sie anpackt. So stieg er auf bis zum Gouverneur von Jakarta. Nun könnte er ganz nach oben durchstarten, wenn er den Vorsprung der Umfragen halten kann. In Jakarta feierten ihn die Leute wie einen Messias, in ihrer Begeisterung spiegelt sich die Sehnsucht nach einem bürgernahen Politiker, der den abgehobenen Eliten die Stirn bietet. Inwieweit Jokowi dieses Idealbild auf nationaler Ebene ausfüllen kann, weiß man nicht. Aber er hat ein Heer an Freiwilligen um sich geschart, die rastlos für ihn werben.
Doch ihm steht ein entschlossener und geschickter Rivale gegenüber, der seinen Aufstieg an die Spitze des Staates schon viel länger als Jokowi plant: Prabowo Subianto, 62, ehemaliger General der indonesischen Armee und einst Schwiegersohn des gestürzten Diktators Suharto. Sein Wahlkampf ist gut organisiert, und es mangelt ihm nicht an Sponsoren. Hinter ihm scharen sich einflussreiche Kräfte, er kann auf Netzwerke zurückgreifen, die bis weit in die Provinzen Einfluss haben. Viele sehen im Saubermann Jokowi eine Gefahr für ihre Pfründe, andere halten ihn zwar für ehrenhaft, glauben aber, dass er der nationalen Bühne nicht gewachsen sei.
Die beiden Männer sind völlig unterschiedlicher Natur, wobei Prabowo von seinem Image als starker Mann profitiert. Als Ex-General verkörpert er die strenge Hand. Das gefällt vielen, die durch die zögerliche Politik des scheidenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono enttäuscht wurden.
Das ist auch der Grund, warum sich der Student Edwin Nande Rumanige vom Jokowi-Fieber nicht anstecken lässt. Ein guter Charakter reiche nicht aus, um ein Land zu führen, sagt der junge Mann auf dem Campus von Medan. „Ich werde Prabowo wählen, weil unser Staat eine starke Hand braucht.“ Der Ex-General werde Indonesiens Interessen auch in der Welt besser vertreten, glaubt er.
Prabowo entstammt einer elitären javanischen Familie. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er im Ausland, im Gegensatz zu Joko spricht er fließendes Englisch. Unter Suharto trat er in die Armee ein, und als er dessen Tochter heiratete, führte ihn die Ehe in den innersten Kreis der Macht. 2001 wurde die Verbindung geschieden. Als Kommandeur der Spezialkräfte Kopassus erwarb sich Prabowo den Ruf eines skrupellosen Jägers; es hält sich der Verdacht, er sei in diverse Massaker verwickelt gewesen, doch viele Vorwürfe gegen Verantwortliche in der Armee sind nie juristisch aufgearbeitet worden.
Im Wahlkampf konnte der Ex-General seiner Vergangenheit nicht ganz entfliehen. Sein damaliger Vorgesetzter, Generalstabschef Wiranto, erklärte, Prabowo habe 1998 eigenmächtig Aktivisten der Demokratiebewegung entführen lassen. Einige der damals Verschwundenen sind nie wieder aufgetaucht. Ob die Enthüllungen Prabowo schaden, ist nicht gewiss. Denn Wiranto, der ihn nun angeschwärzt hat, steht auf der Seite Jokowis. Geschichte wird so zur Waffe im Wahlkampf, und alle wissen es. Der Gegner kann die Attacke als durchschaubares Manöver abwehren.
Den 28-jährigen Studenten Rumanige, der für Prabowo stimmen will, stören die Schatten der Vergangenheit offenbar nicht. Indonesien müsse nach vorne blicken. Rumanige trägt an diesem Tag ein T-Shirt des deutschen Fußballbundes. Seinen Namen verdankt er seinem Vater, der ein Fan von Karl-Heinz Rummenigge war. Dazu passt, dass der Kandidat Prabowo nun allen verspricht, er wolle die Fußball-Weltmeisterschaft baldmöglichst nach Indonesien holen und das eigene Team fit machen für den großen Kampf. Das wirkt kühn; noch nie konnte sich das Land für eine WM qualifizieren. Aber Prabowo lässt keine Gelegenheit aus, um den Vorkämpfer für die stolze Nation zu geben.
Im Duell Jokowi gegen Prabowo dreht sich alles um Image und Persönlichkeit ungleicher Rivalen. Programme spielen kaum eine Rolle. Dennoch fällt auf, dass jeder auf seine Art an die nationalen Gefühle appelliert. Jokowi spricht gern davon, dass die Indonesier eigenständiger werden müssten. Und Prabowo gibt gerne den Hüter der Nation. Er peitscht Emotionen auf, wenn er die Weltwirtschaft beschimpft, sie habe die Indonesier in Lakaien verwandelt. Tatsächlich gibt es in der Wirtschaft Sorge, dass beide Kandidaten zu protektionistischen Mitteln greifen könnten, um sich als Nationalisten zu beweisen.
In den vergangenen Jahrzehnten war Indonesien meistens mit sich selber beschäftigt. Mal kämpfte der Staat gegen Separatisten in Aceh oder Papua, dann konzentrierte er sich auf den Konflikt um das annektierte Osttimor, das inzwischen unabhängig ist. Zugleich musste der Staat den mühsamen Wandel von der Suharto-Diktatur zur Demokratie bewältigen. Nun aber dürften die internationalen Anforderungen an den größten Staat Südostasiens wachsen. Der Westen bemüht sich um engere Beziehungen zu Jakarta, das zunehmend als Gegengewicht zu Peking gesehen wird. Die Rivalitäten im Südchinesischen Meer werden auch in Indonesien mit Sorge betrachtet. Im Wahlkampf spielte das Thema aber nur eine geringe Rolle. Obgleich auch indonesische Seegebiete womöglich mit chinesischen Ansprüchen überlappen, hat sich Jakarta aus den Streitigkeiten bislang herausgehalten.
Sollte Prabowo am Mittwoch doch noch der Triumph gelingen, dürfte dies einigen internationalen Partnern Unbehagen bereiten, wenn sie an seine Spezialeinsätze von einst denken. Joko Widodo die Hand zu schütteln, dürfte Diplomaten leichter fallen. Aber das Rennen wird nicht im Ausland entschieden – sondern in den Amtsstuben Indonesiens, auf all den Märkten, den Plantagen und den vielen Reisfeldern.
Der Ex-General Prabawo Sublanto (mitte) bei einer Pressekonferenz.
Erkundungen auf dem Campus von Medan, im Norden Sumatras. Unter den Studenten fällt auf, was Umfragen belegen: Fast jeder fünfte Stimmberechtigte ist kurz vor der Wahl unentschlossen wie Sinotang. Das macht das Rennen um die indonesische Präsidentschaft sehr spannend.
Der aufstrebende rohstoffreiche Vielvölkerstaat ist mit 250 Millionen Einwohnern das Land mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt. Jakarta ist ein begehrter Partner in Ost und West. Indonesien lockt mit einem großen Markt, ist aber auch strategisch von Gewicht. So wird der Wahlkampf in den großen Hauptstädten, aber auch von Konzernen und Banken genau verfolgt. Zwar hatte Joko Widodo lange Zeit als unschlagbarer Favorit gegolten. Doch im zunehmend schmutzigen Wahlkampf ist sein Vorsprung erheblich geschrumpft. Jokowis Sieg ist also nicht mehr so sicher.
Draußen unter den Bäumen auf dem Campus sitzt Mega Olivia Sibarani, eine aufgeweckte Studentin, die nicht lange überlegen muss, wen sie wählt: Ihr Held heißt Jokowi. Die 18-Jährige studiert öffentliches Gesundheitswesen im ersten Semester, aber das kann sie nur, weil sie mit guten Noten ein Stipendium ergattert hat. „Meine Eltern sind Bauern, sie könnten niemals so viel Geld für mich aufbringen.“
Die Bauern kann keiner der Kandidaten ignorieren. Jeder sechste der fast 190 Millionen Stimmberechtigten arbeitet in der Landwirtschaft. Zugleich haben gerade Bauern und Fischer oft das Gefühl, dass sie vom Aufschwung und dem jährlichen Wachstum bis zu sechs Prozent kaum profitieren. So umwerben beide Kandidaten die Bauern. Prabowo hat das größere Netzwerk, aber Jokowi gilt als einfacher Mann, „einer wie du und ich“. Das schafft Nähe.
Und die Bauerntochter, die es nun an die Universität geschafft hat – warum wählt sie den Gouverneur von Jakarta? „Er hat bewiesen, dass er etwas bewegen kann“, sagt Sibarani. „Und ich glaube, dass er sauber ist.“ Prabowo sei sein ganzes Leben nur Soldat gewesen, was ihn noch lange nicht als guten Politiker qualifiziere. Dann schimpft die junge Frau über Vetternwirtschaft und Korruption. „Es fängt schon an, wenn ich einen neuen Ausweis brauche. Dann muss ich erst mal unter dem Tisch Geld durchschieben, sonst bekomme ich gar nichts“, sagt sie. Sibarani setzt darauf, dass Jokowi diese Übel beenden kann, so wie er damit im Amt des Bürgermeisters begonnen hat. Korrupte Beamte und Politiker fürchten ihn.
„Jokowi vertritt die Interessen der einfachen Leute“, sagt die Studentin. „Bislang ist es doch so: Wer keine Beziehungen hat, kann in Indonesien nur schwer etwas werden. Man kann sich anstrengen, und doch hilft das am Ende wenig.“ Von verhassten Mauscheleien und bestechlichen Politikern hört man fast überall auf Reisen durch Indonesiens Inselwelt. Jokowis Anhänger hoffen, dass er bessere Spielregeln durchsetzt, faire Chancen für alle schafft.
Der 52-jährige Kandidat ist kometenhaft aufgestiegen, manche halten ihn für eine Sensation auf der politischen Bühne Indonesiens. Sein Markenzeichen ist das karierte Hemd, das er nur dann gegen einen dunklen Anzug tauscht, wenn er zum Fernsehduell gegen Prabowo antritt. Jokowi war mittelständischer Unternehmer und stellte Möbel her, bevor ihn Bekannte drängten, sich um den Posten des Bürgermeisters in der javanischen Stadt Solo zu bewerben. Viele waren beeindruckt von der redlichen Art, wie er seine Firma leitete. Manchmal führten ihn die Geschäfte damals auch zu Messen in Deutschland.
Als Stadtoberhaupt festigte sich sein Ruf des guten Managers, der das Gemeinwohl fördert und über Probleme nicht nur lamentiert, sondern sie anpackt. So stieg er auf bis zum Gouverneur von Jakarta. Nun könnte er ganz nach oben durchstarten, wenn er den Vorsprung der Umfragen halten kann. In Jakarta feierten ihn die Leute wie einen Messias, in ihrer Begeisterung spiegelt sich die Sehnsucht nach einem bürgernahen Politiker, der den abgehobenen Eliten die Stirn bietet. Inwieweit Jokowi dieses Idealbild auf nationaler Ebene ausfüllen kann, weiß man nicht. Aber er hat ein Heer an Freiwilligen um sich geschart, die rastlos für ihn werben.
Doch ihm steht ein entschlossener und geschickter Rivale gegenüber, der seinen Aufstieg an die Spitze des Staates schon viel länger als Jokowi plant: Prabowo Subianto, 62, ehemaliger General der indonesischen Armee und einst Schwiegersohn des gestürzten Diktators Suharto. Sein Wahlkampf ist gut organisiert, und es mangelt ihm nicht an Sponsoren. Hinter ihm scharen sich einflussreiche Kräfte, er kann auf Netzwerke zurückgreifen, die bis weit in die Provinzen Einfluss haben. Viele sehen im Saubermann Jokowi eine Gefahr für ihre Pfründe, andere halten ihn zwar für ehrenhaft, glauben aber, dass er der nationalen Bühne nicht gewachsen sei.
Die beiden Männer sind völlig unterschiedlicher Natur, wobei Prabowo von seinem Image als starker Mann profitiert. Als Ex-General verkörpert er die strenge Hand. Das gefällt vielen, die durch die zögerliche Politik des scheidenden Präsidenten Susilo Bambang Yudhoyono enttäuscht wurden.
Das ist auch der Grund, warum sich der Student Edwin Nande Rumanige vom Jokowi-Fieber nicht anstecken lässt. Ein guter Charakter reiche nicht aus, um ein Land zu führen, sagt der junge Mann auf dem Campus von Medan. „Ich werde Prabowo wählen, weil unser Staat eine starke Hand braucht.“ Der Ex-General werde Indonesiens Interessen auch in der Welt besser vertreten, glaubt er.
Prabowo entstammt einer elitären javanischen Familie. Einen Teil seiner Jugend verbrachte er im Ausland, im Gegensatz zu Joko spricht er fließendes Englisch. Unter Suharto trat er in die Armee ein, und als er dessen Tochter heiratete, führte ihn die Ehe in den innersten Kreis der Macht. 2001 wurde die Verbindung geschieden. Als Kommandeur der Spezialkräfte Kopassus erwarb sich Prabowo den Ruf eines skrupellosen Jägers; es hält sich der Verdacht, er sei in diverse Massaker verwickelt gewesen, doch viele Vorwürfe gegen Verantwortliche in der Armee sind nie juristisch aufgearbeitet worden.
Im Wahlkampf konnte der Ex-General seiner Vergangenheit nicht ganz entfliehen. Sein damaliger Vorgesetzter, Generalstabschef Wiranto, erklärte, Prabowo habe 1998 eigenmächtig Aktivisten der Demokratiebewegung entführen lassen. Einige der damals Verschwundenen sind nie wieder aufgetaucht. Ob die Enthüllungen Prabowo schaden, ist nicht gewiss. Denn Wiranto, der ihn nun angeschwärzt hat, steht auf der Seite Jokowis. Geschichte wird so zur Waffe im Wahlkampf, und alle wissen es. Der Gegner kann die Attacke als durchschaubares Manöver abwehren.
Den 28-jährigen Studenten Rumanige, der für Prabowo stimmen will, stören die Schatten der Vergangenheit offenbar nicht. Indonesien müsse nach vorne blicken. Rumanige trägt an diesem Tag ein T-Shirt des deutschen Fußballbundes. Seinen Namen verdankt er seinem Vater, der ein Fan von Karl-Heinz Rummenigge war. Dazu passt, dass der Kandidat Prabowo nun allen verspricht, er wolle die Fußball-Weltmeisterschaft baldmöglichst nach Indonesien holen und das eigene Team fit machen für den großen Kampf. Das wirkt kühn; noch nie konnte sich das Land für eine WM qualifizieren. Aber Prabowo lässt keine Gelegenheit aus, um den Vorkämpfer für die stolze Nation zu geben.
Im Duell Jokowi gegen Prabowo dreht sich alles um Image und Persönlichkeit ungleicher Rivalen. Programme spielen kaum eine Rolle. Dennoch fällt auf, dass jeder auf seine Art an die nationalen Gefühle appelliert. Jokowi spricht gern davon, dass die Indonesier eigenständiger werden müssten. Und Prabowo gibt gerne den Hüter der Nation. Er peitscht Emotionen auf, wenn er die Weltwirtschaft beschimpft, sie habe die Indonesier in Lakaien verwandelt. Tatsächlich gibt es in der Wirtschaft Sorge, dass beide Kandidaten zu protektionistischen Mitteln greifen könnten, um sich als Nationalisten zu beweisen.
In den vergangenen Jahrzehnten war Indonesien meistens mit sich selber beschäftigt. Mal kämpfte der Staat gegen Separatisten in Aceh oder Papua, dann konzentrierte er sich auf den Konflikt um das annektierte Osttimor, das inzwischen unabhängig ist. Zugleich musste der Staat den mühsamen Wandel von der Suharto-Diktatur zur Demokratie bewältigen. Nun aber dürften die internationalen Anforderungen an den größten Staat Südostasiens wachsen. Der Westen bemüht sich um engere Beziehungen zu Jakarta, das zunehmend als Gegengewicht zu Peking gesehen wird. Die Rivalitäten im Südchinesischen Meer werden auch in Indonesien mit Sorge betrachtet. Im Wahlkampf spielte das Thema aber nur eine geringe Rolle. Obgleich auch indonesische Seegebiete womöglich mit chinesischen Ansprüchen überlappen, hat sich Jakarta aus den Streitigkeiten bislang herausgehalten.
Sollte Prabowo am Mittwoch doch noch der Triumph gelingen, dürfte dies einigen internationalen Partnern Unbehagen bereiten, wenn sie an seine Spezialeinsätze von einst denken. Joko Widodo die Hand zu schütteln, dürfte Diplomaten leichter fallen. Aber das Rennen wird nicht im Ausland entschieden – sondern in den Amtsstuben Indonesiens, auf all den Märkten, den Plantagen und den vielen Reisfeldern.