Das Erika-Hess-Eisstadion ist ein klotziger Betonbau aus den Sechzigern. In unmittelbarer Nachbarschaft befinden sich ein Spätkauf, ein Stellplatz für Campingmobile und ein Sexshop, der Live-Shows anbietet. Kein Platz also, an dem sich die Modebranche gern für ein paar Tage den Fotografen präsentiert. Dennoch ist die schmucklose Halle nahe des U-Bahnhofs Reinickendorfer Straße im unglamourösen Bezirk Wedding seit diesem Dienstag nun erstmals der Veranstaltungsort für die Berliner Fashion Week.
Mina Tander, Lena Meyer-Landrut, Nova Meierhenrich und Hadnet Tesfai (von links nach rechts) bei der Eröffnungsfeier der Berliner Fashion Week am Montag.
40 Designer, unter ihnen Newcomer wie der Schweizer Julian Zigerli und bekanntere Gesichter wie Michael Sonntag und Dimitri, werden hier in den kommenden vier Tagen ihre Entwürfe für die Sommersaison 2015 präsentieren. Bislang zeigten sie ihre Kollektionen in einem extra dafür aufgebauten Zelt am Brandenburger Tor. Den Anstoß für den Umzug lieferte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bereits im März. Sie erklärte damals, Berlins Wahrzeichen diene Sponsoren nur noch als Kulisse, das aber sei eines so bedeutenden Baudenkmals unwürdig. Im Mai kam schließlich auch die endgültige Absage vom Berliner Senat.
Ausschlaggebend für den Umzug der Schauen war die während der Fußball-WM parallel geöffnete Fanmeile am Brandenburger Tor. Das Modevolk gab sich empört. Und Jarrad Clark, stellvertretender Präsident von IMG, also dem Veranstalter der Fashion Week, versucht bis heute zu schlichten: „Ein Vorteil des neuen Standorts liegt darin, dass er uns Raum für Kreativität lässt und uns herausfordert, über die Routine in der Gestaltung hinauszudenken“, verkündete er tapfer. Das haben vor allem die erfolgreichsten Hauptstadt-Designer in aller Deutlichkeit getan. Noch nie standen in Berlin so viele „Offsite“-Termine auf dem Kalender – also Schauen und Präsentation, die fernab des uncharmanten Hauptgeländes um das Eisstadion inszeniert werden.
So präsentieren Vladimir Karaleev und Perret Schaad im herrschaftlichen Kronprinzenpalais Unter den Linden. Das Duo Augustin Teboul entschied sich für die private Atmosphäre der Galerie Judin in Kreuzberg. Lala Berlin nutzt die Studiobühne der Deutschen Oper und Publikumsliebling Dorothee Schumacher bittet für ihr Defilee in die St. Elisabeth-Kirche von Architekt Karl Friedrich Schinkel. Entscheidungen, die Kerstin Geffert durchaus nachvollziehen kann. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Silke Bolms führt sie seit neun Jahren die PR-Agentur Silk Relations. Mehr als 15 Events verantwortet sie dieses Mal. Und so richtig glücklich mit dem neuen Ort klingt sie nicht: Zwar möge das Eislaufstadion im Wedding objektiv betrachtet seinen Zweck erfüllen, sagt sie, es biete genügend Platz, sei zentraler gelegen als man denke, und zudem gebe es eine direkte U-Bahn-Verbindung zum Veranstaltungsort der gleichzeitig stattfindenden Fachmesse Bread and Butter. Nur: Publikumswirksam sei es leider gar nicht, findet Geffert: „Die Bilder unserer Fashion Week gehen in die ganze Welt hinaus. Da sieht das Brandenburger Tor im Hintergrund nun mal imposanter aus als ein Parkplatz für Wohnmobile.“
Doch nicht nur die Umsiedlung der Modewoche ließ Brancheninsider im Vorfeld über einen möglichen Rückgang der Besucherzahlen spekulieren. In der vergangenen Saison kamen immerhin mehr als 250000 Menschen. Auch die Abwanderung der großen Zugpferde scheint für immer mehr Moderedakteure den Anfang vom Ende einzuläuten. Vor einem Jahr verließen Hugo Boss und Escada die Stadt. Beide wollten sich auf neue Märkte konzentrieren. Investitionen tätigen, die gewinnbringender sind als ein Show-Spektakel in der eigenen Heimat. Vor einer Saison zogen dann auch noch Oliver Lührs und Thomas Bentz mit ihrem Label Achtland nach London. Dort würden sie einfach mehr internationale Einkäufer erreichen können, hieß es. Dadurch fehlt vielen in Berlin nun auch noch die größte Design-Hoffnung.
Weniger Anmeldungen zu den von ihr betreuten Schauen, darunter auch die von Augustin Teboul, kann Kerstin Geffert aber nicht verzeichnen. Es hätten sich erneut die wichtigsten Chefredakteure und Journalisten des Landes angemeldet. „Dennoch bin ich gespannt, wie ihre Resonanz in diesem Jahr ausfallen wird. Es ist viel im Umbruch. Aber Berlin hat weiterhin das Potenzial, sich international durchsetzen zu können“, hofft sie. Ohne jeglichen atmosphärischen Pomp, der nun mal zu einer erfolgreichen Modewoche gehört, ist das aber nur schwer vorstellbar. Um zu beeindrucken, bleibt den Designern jetzt allein ihre Entwurfsleistung.
Ein schwieriges Unterfangen, das auch erstmals zwei der bekanntesten Modeschulen aus Deutschland für sich nutzen wollen. Die Universität der Künste Berlin zeigt am Donnerstagabend Arbeiten von Studierenden am Weddinger Hauptsitz der Fashion Week. Einen Tag später präsentiert die AMD Akademie Mode und Design zum 25-jährigen Jubiläum die besten Absolventen des diesjährigen Abschlussjahrgangs aus allen vier Standorten. In den Modemetropolen von New York bis Paris haben solche Plattformen für den Nachwuchs längst Tradition und werden sogar staatlich bezuschusst. Dort wird Mode allerdings auch nicht in einem Eisstadion zwischen Spätkäufen und Sexshops präsentiert.
Mina Tander, Lena Meyer-Landrut, Nova Meierhenrich und Hadnet Tesfai (von links nach rechts) bei der Eröffnungsfeier der Berliner Fashion Week am Montag.
40 Designer, unter ihnen Newcomer wie der Schweizer Julian Zigerli und bekanntere Gesichter wie Michael Sonntag und Dimitri, werden hier in den kommenden vier Tagen ihre Entwürfe für die Sommersaison 2015 präsentieren. Bislang zeigten sie ihre Kollektionen in einem extra dafür aufgebauten Zelt am Brandenburger Tor. Den Anstoß für den Umzug lieferte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) bereits im März. Sie erklärte damals, Berlins Wahrzeichen diene Sponsoren nur noch als Kulisse, das aber sei eines so bedeutenden Baudenkmals unwürdig. Im Mai kam schließlich auch die endgültige Absage vom Berliner Senat.
Ausschlaggebend für den Umzug der Schauen war die während der Fußball-WM parallel geöffnete Fanmeile am Brandenburger Tor. Das Modevolk gab sich empört. Und Jarrad Clark, stellvertretender Präsident von IMG, also dem Veranstalter der Fashion Week, versucht bis heute zu schlichten: „Ein Vorteil des neuen Standorts liegt darin, dass er uns Raum für Kreativität lässt und uns herausfordert, über die Routine in der Gestaltung hinauszudenken“, verkündete er tapfer. Das haben vor allem die erfolgreichsten Hauptstadt-Designer in aller Deutlichkeit getan. Noch nie standen in Berlin so viele „Offsite“-Termine auf dem Kalender – also Schauen und Präsentation, die fernab des uncharmanten Hauptgeländes um das Eisstadion inszeniert werden.
So präsentieren Vladimir Karaleev und Perret Schaad im herrschaftlichen Kronprinzenpalais Unter den Linden. Das Duo Augustin Teboul entschied sich für die private Atmosphäre der Galerie Judin in Kreuzberg. Lala Berlin nutzt die Studiobühne der Deutschen Oper und Publikumsliebling Dorothee Schumacher bittet für ihr Defilee in die St. Elisabeth-Kirche von Architekt Karl Friedrich Schinkel. Entscheidungen, die Kerstin Geffert durchaus nachvollziehen kann. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Silke Bolms führt sie seit neun Jahren die PR-Agentur Silk Relations. Mehr als 15 Events verantwortet sie dieses Mal. Und so richtig glücklich mit dem neuen Ort klingt sie nicht: Zwar möge das Eislaufstadion im Wedding objektiv betrachtet seinen Zweck erfüllen, sagt sie, es biete genügend Platz, sei zentraler gelegen als man denke, und zudem gebe es eine direkte U-Bahn-Verbindung zum Veranstaltungsort der gleichzeitig stattfindenden Fachmesse Bread and Butter. Nur: Publikumswirksam sei es leider gar nicht, findet Geffert: „Die Bilder unserer Fashion Week gehen in die ganze Welt hinaus. Da sieht das Brandenburger Tor im Hintergrund nun mal imposanter aus als ein Parkplatz für Wohnmobile.“
Doch nicht nur die Umsiedlung der Modewoche ließ Brancheninsider im Vorfeld über einen möglichen Rückgang der Besucherzahlen spekulieren. In der vergangenen Saison kamen immerhin mehr als 250000 Menschen. Auch die Abwanderung der großen Zugpferde scheint für immer mehr Moderedakteure den Anfang vom Ende einzuläuten. Vor einem Jahr verließen Hugo Boss und Escada die Stadt. Beide wollten sich auf neue Märkte konzentrieren. Investitionen tätigen, die gewinnbringender sind als ein Show-Spektakel in der eigenen Heimat. Vor einer Saison zogen dann auch noch Oliver Lührs und Thomas Bentz mit ihrem Label Achtland nach London. Dort würden sie einfach mehr internationale Einkäufer erreichen können, hieß es. Dadurch fehlt vielen in Berlin nun auch noch die größte Design-Hoffnung.
Weniger Anmeldungen zu den von ihr betreuten Schauen, darunter auch die von Augustin Teboul, kann Kerstin Geffert aber nicht verzeichnen. Es hätten sich erneut die wichtigsten Chefredakteure und Journalisten des Landes angemeldet. „Dennoch bin ich gespannt, wie ihre Resonanz in diesem Jahr ausfallen wird. Es ist viel im Umbruch. Aber Berlin hat weiterhin das Potenzial, sich international durchsetzen zu können“, hofft sie. Ohne jeglichen atmosphärischen Pomp, der nun mal zu einer erfolgreichen Modewoche gehört, ist das aber nur schwer vorstellbar. Um zu beeindrucken, bleibt den Designern jetzt allein ihre Entwurfsleistung.
Ein schwieriges Unterfangen, das auch erstmals zwei der bekanntesten Modeschulen aus Deutschland für sich nutzen wollen. Die Universität der Künste Berlin zeigt am Donnerstagabend Arbeiten von Studierenden am Weddinger Hauptsitz der Fashion Week. Einen Tag später präsentiert die AMD Akademie Mode und Design zum 25-jährigen Jubiläum die besten Absolventen des diesjährigen Abschlussjahrgangs aus allen vier Standorten. In den Modemetropolen von New York bis Paris haben solche Plattformen für den Nachwuchs längst Tradition und werden sogar staatlich bezuschusst. Dort wird Mode allerdings auch nicht in einem Eisstadion zwischen Spätkäufen und Sexshops präsentiert.