Der Chefredakteur der defizitären 'Financial Times Deutschland' bereitet seine Mitarbeiter auf das Schlimmste vor: An diesem Mittwoch wird eine Entscheidung im Aufsichtrat von Gruner+Jahr erwartet.
Zum zehnten Jubiläum kam sogar die Kanzlerin. Angela Merkel sprach im Februar 2010 der feiernden Belegschaft der Financial Times Deutschland ihre 'Anerkennung' aus - einer Zeitung, die es durch Krisen geschafft habe und der es gelungen sei, viele Menschen für sich zu gewinnen. Mit dem Lob noch weiter ging an diesem Abend der damalige Gruner+Jahr-Vorstandschef Bernd Buchholz. Er sprach von einem der 'mutigsten publizistischen Projekte der letzten 50 Jahre', und dass die FTD eine 'Pflichtlektüre für Entscheider aus Politik und Wirtschaft' geworden sei; eine 'klare Bereicherung für den deutschen Zeitungsmarkt'.
Unsichere Zukunft: Financial Times Deutschland
Bernd Buchholz hat Gruner+ Jahr inzwischen verlassen, Julia Jäkel ist in den Vorstand gerückt - und es sieht so aus, als könnte der deutsche Zeitungsmarkt bald wieder ein Stück ärmer werden. Die FTD kämpft, sie kämpft ums Überleben.
An diesem Montag bereitete Steffen Klusmann, Chefredakteur der FTD und Leiter des Chefredakteurskollegiums der Wirtschaftsmedien, seine Belegschaft in der Morgenkonferenz auf das vor, was seiner Einschätzung nach kommen könnte: Wenn kein Wunder geschehe, so berichten Teilnehmer von Klusmanns Ansprache in der selten so voll besetzten Konferenz, müsse man sich auf das Schlimmste einstellen. Er sprach von drohenden Kündigungen und der Hoffnung, dass es in diesem Jahr noch keine Entlassungen geben werde. Ganz konkret ging es darum, wie eine Abschiedsausgabe der FTD aussehen könnte. Die Belegschaft solle in den nächsten Wochen aber normal weiterarbeiten.
Normal weiterarbeiten ist schwierig in so einer Lage. Ist das Ende der seit Gründung defizitären FTD längst beschlossen, wie seit Wochen spekuliert wird oder gibt es noch Hoffnung? Von Gruner+Jahr hieß es am Montag auf Anfrage, redaktionsinterne Vorgänge würden nicht kommentiert. Zur Zukunft der FTD gebe es 'keine Entscheidung'.
Überraschend ist das Schweigen am Baumwall nicht, tatsächlich müsste einem Aus für die FTD der Aufsichtsrat von Gruner+Jahr zustimmen, der an diesem Mittwoch turnusmäßig zusammenkommt. Der Beschluss müsste auch vom Aufsichtsrat des Gesellschafters Bertelsmann abgesegnet werden, der am 30. November tagt.
Den beiden Gremien vorgreifen will man bei Gruner+Jahr nicht. Seine Mitarbeiter bis Ende des Monats zur Existenzfrage nur anschweigen - das wollte dagegen offenbar Chefredakteur Klusmann nicht.
Überrascht hat seine Ankündigung niemanden mehr: Die Stimmung in der Redaktion soll in den vergangenen Tagen eine Mischung aus Depression und Kampfeswillen sein. Einige Redakteure haben alle Journalistenpreise für die Wirtschaftsmedien seit 2008 zusammengestellt, dazu eine Liste mit Argumenten gegen die Einstellung der FTD. Mancher hofft, dass Julia Jäkel, die mit Entlassungen bei Brigitte und der Ernennung des Chefredakteurs Stephan Schäfer zum Geschäftsführer in Personalunion viel Kritik aushalten muss, nicht in die Verlagsgeschichte eingehen will als die Frau, die bei Gruner+Jahr Qualitätsjournalismus abschaffte. Zudem ist die Rede davon, dass von unterschiedlichen Seiten über die Berliner Politik Überzeugungsarbeit bei der Verlegerfamilie Jahr geleistet werde, die eine Sperrminorität gegen den Verlags-Haupteigner Bertelsmann und damit entscheidenden Einfluss besitzt. Die FTD könnte, so eine Variante, als App-Ausgabe und am Wochenende auf Papier erhalten bleiben. Auch ein Konzept mit reduzierter Blattstruktur soll schon länger in der Schublade liegen. Offiziell wurden die Pläne stets dementiert.
Gespart wurde nicht nur, als 2008 FTD, Capital, Börse Online und Impulse zu einer Gemeinschaftsredaktion vereint wurden. Unklar ist auch, was mit den anderen drei Wirtschaftstiteln passieren soll. Die Magazine haben zuletzt deutlich Auflage verloren, bei der FTD ist der Wert zwar stabil, der Anteil der Bordexemplare aber überproportional gewachsen (siehe Graphiken). Der Print-Anzeigenumsatz sank 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 32,2 Prozent bei Börse Online, um 7,1 Prozent bei Capital und um 9,5 Prozent bei Impulse (Nielsen, Wert von September 2012). Für die FTD weist Nielsen bis Ende Oktober einen Werbeumsatz von 31 Millionen Euro aus - sechs Prozent weniger als 2011.
Angeblich könnte Capital weiter bestehen, doch in der Redaktion fürchten viele, dass gleich alle Titel geschlossen werden. Dass Gruner+Jahr seit 2008 die Einheit der Wirtschaftsmedien betonte, erschwert offenbar Überlegungen, einzelne Magazine herauszulösen. Arbeitsrechtlich wäre es wohl kompliziert, den 'FTD-Redakteuren', die es offiziell nicht mehr gibt, zu kündigen - um dann ein oder mehrere Magazine weiterzuführen. Als der Wirtschaftspool entstand, kündigte man allen in Köln und München ansässigen Redakteuren und schrieb weniger Stellen neu aus. Nun fürchten die Journalisten, dass es erneut viele Kündigungen geben wird.
Dieser Montag jedenfalls hat in Hamburg kaum Hoffnungen geweckt.
Zum zehnten Jubiläum kam sogar die Kanzlerin. Angela Merkel sprach im Februar 2010 der feiernden Belegschaft der Financial Times Deutschland ihre 'Anerkennung' aus - einer Zeitung, die es durch Krisen geschafft habe und der es gelungen sei, viele Menschen für sich zu gewinnen. Mit dem Lob noch weiter ging an diesem Abend der damalige Gruner+Jahr-Vorstandschef Bernd Buchholz. Er sprach von einem der 'mutigsten publizistischen Projekte der letzten 50 Jahre', und dass die FTD eine 'Pflichtlektüre für Entscheider aus Politik und Wirtschaft' geworden sei; eine 'klare Bereicherung für den deutschen Zeitungsmarkt'.
Unsichere Zukunft: Financial Times Deutschland
Bernd Buchholz hat Gruner+ Jahr inzwischen verlassen, Julia Jäkel ist in den Vorstand gerückt - und es sieht so aus, als könnte der deutsche Zeitungsmarkt bald wieder ein Stück ärmer werden. Die FTD kämpft, sie kämpft ums Überleben.
An diesem Montag bereitete Steffen Klusmann, Chefredakteur der FTD und Leiter des Chefredakteurskollegiums der Wirtschaftsmedien, seine Belegschaft in der Morgenkonferenz auf das vor, was seiner Einschätzung nach kommen könnte: Wenn kein Wunder geschehe, so berichten Teilnehmer von Klusmanns Ansprache in der selten so voll besetzten Konferenz, müsse man sich auf das Schlimmste einstellen. Er sprach von drohenden Kündigungen und der Hoffnung, dass es in diesem Jahr noch keine Entlassungen geben werde. Ganz konkret ging es darum, wie eine Abschiedsausgabe der FTD aussehen könnte. Die Belegschaft solle in den nächsten Wochen aber normal weiterarbeiten.
Normal weiterarbeiten ist schwierig in so einer Lage. Ist das Ende der seit Gründung defizitären FTD längst beschlossen, wie seit Wochen spekuliert wird oder gibt es noch Hoffnung? Von Gruner+Jahr hieß es am Montag auf Anfrage, redaktionsinterne Vorgänge würden nicht kommentiert. Zur Zukunft der FTD gebe es 'keine Entscheidung'.
Überraschend ist das Schweigen am Baumwall nicht, tatsächlich müsste einem Aus für die FTD der Aufsichtsrat von Gruner+Jahr zustimmen, der an diesem Mittwoch turnusmäßig zusammenkommt. Der Beschluss müsste auch vom Aufsichtsrat des Gesellschafters Bertelsmann abgesegnet werden, der am 30. November tagt.
Den beiden Gremien vorgreifen will man bei Gruner+Jahr nicht. Seine Mitarbeiter bis Ende des Monats zur Existenzfrage nur anschweigen - das wollte dagegen offenbar Chefredakteur Klusmann nicht.
Überrascht hat seine Ankündigung niemanden mehr: Die Stimmung in der Redaktion soll in den vergangenen Tagen eine Mischung aus Depression und Kampfeswillen sein. Einige Redakteure haben alle Journalistenpreise für die Wirtschaftsmedien seit 2008 zusammengestellt, dazu eine Liste mit Argumenten gegen die Einstellung der FTD. Mancher hofft, dass Julia Jäkel, die mit Entlassungen bei Brigitte und der Ernennung des Chefredakteurs Stephan Schäfer zum Geschäftsführer in Personalunion viel Kritik aushalten muss, nicht in die Verlagsgeschichte eingehen will als die Frau, die bei Gruner+Jahr Qualitätsjournalismus abschaffte. Zudem ist die Rede davon, dass von unterschiedlichen Seiten über die Berliner Politik Überzeugungsarbeit bei der Verlegerfamilie Jahr geleistet werde, die eine Sperrminorität gegen den Verlags-Haupteigner Bertelsmann und damit entscheidenden Einfluss besitzt. Die FTD könnte, so eine Variante, als App-Ausgabe und am Wochenende auf Papier erhalten bleiben. Auch ein Konzept mit reduzierter Blattstruktur soll schon länger in der Schublade liegen. Offiziell wurden die Pläne stets dementiert.
Gespart wurde nicht nur, als 2008 FTD, Capital, Börse Online und Impulse zu einer Gemeinschaftsredaktion vereint wurden. Unklar ist auch, was mit den anderen drei Wirtschaftstiteln passieren soll. Die Magazine haben zuletzt deutlich Auflage verloren, bei der FTD ist der Wert zwar stabil, der Anteil der Bordexemplare aber überproportional gewachsen (siehe Graphiken). Der Print-Anzeigenumsatz sank 2012 im Vergleich zum Vorjahr um 32,2 Prozent bei Börse Online, um 7,1 Prozent bei Capital und um 9,5 Prozent bei Impulse (Nielsen, Wert von September 2012). Für die FTD weist Nielsen bis Ende Oktober einen Werbeumsatz von 31 Millionen Euro aus - sechs Prozent weniger als 2011.
Angeblich könnte Capital weiter bestehen, doch in der Redaktion fürchten viele, dass gleich alle Titel geschlossen werden. Dass Gruner+Jahr seit 2008 die Einheit der Wirtschaftsmedien betonte, erschwert offenbar Überlegungen, einzelne Magazine herauszulösen. Arbeitsrechtlich wäre es wohl kompliziert, den 'FTD-Redakteuren', die es offiziell nicht mehr gibt, zu kündigen - um dann ein oder mehrere Magazine weiterzuführen. Als der Wirtschaftspool entstand, kündigte man allen in Köln und München ansässigen Redakteuren und schrieb weniger Stellen neu aus. Nun fürchten die Journalisten, dass es erneut viele Kündigungen geben wird.
Dieser Montag jedenfalls hat in Hamburg kaum Hoffnungen geweckt.