Die Einschläge kommen näher. In der Nacht zum Dienstag bombardierte Israels Luftwaffe das Wohnhaus des Hamas-Anführers Ismail Hanija im Gazastreifen. Der Islamisten-Sender al-Aksa konnte gerade noch vermelden, dass das Gebäude leer gewesen und folglich niemand verletzt worden sei, da schlugen auch dort die Geschosse ein. Die Nacht des Schreckens, in der sich die Palästinenser dem wohl schlimmsten Beschuss seit Kriegsbeginn ausgesetzt sahen, war damit aber längst noch nicht zu Ende.
Israel bomardiert weiter den Gaza-Streifen: Angriff am heutigen Tag, bei dem 43 Menschen ums Leben gekommen sind
Auch Regierungsgebäude wurden getroffen. Doch so gewaltig der Druck auch anschwillt – die Hamas zeigt keinerlei Anzeichen des Einlenkens. Der Staub hatte sich noch nicht gelegt über seinem zertrümmerten Eigenheim, da meldete sich Hanija aus dem Untergrund: Die Israelis könnten vielleicht steinerne Gebäude zerstören, sagte er, „aber sie werden nicht unsere Entschlossenheit brechen“.
Gewiss gehören solche Durchhalteparolen zum Kriegsgeschäft. Doch die Hartleibigkeit der Hamas in dieser Konfrontation scheint auch die Strategen in Israel zu erstaunen. An diesem Mittwoch ist ein trauriger Rekord zu verzeichnen: Der Krieg währt nun schon länger als die Vorgängerkonflikte aus den Jahren 2012 (acht Tage) und 2008/09 (23 Tage). Und weitgehend ungerührt lässt die Hamas dabei nicht nur immer neue Angriffswellen über sich ergehen, sondern sie tut auch alles dafür, dass dieser Krieg kein Ende findet. Fast jeder Waffenstillstand wird aus dem Gazastreifen heraus gebrochen, und als Israels Militär zu Wochenbeginn ankündigte, man werde bis auf Weiteres nur noch auf Beschuss reagieren, da folgte als Antwort prompt eine Raketensalve.
Die Taktik der Hamas kennt offenbar keine Kompromisse: Es geht um alles oder nichts. Niemals werde es einen Waffenstillstand geben ohne eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durch Israel, sagen die Anführer. Die Frage ist nun, ob dies nur Propaganda ist oder ein Pokerspiel – oder ob die Hamas tatsächlich bereit ist, bis zum eigenen Untergang zu kämpfen.
In den vorherigen Kriegen hat sie sich am Schluss mit weit weniger zufrieden gegeben als jetzt. Im Januar 2009 beendete Israel die blutigen Kämpfe nach Gutsherrenart mit einer einseitigen Waffenruhe. Der Hamas blieb nicht viel mehr als die Bilanzierung der Schäden und die möglichst schnelle Wiederbewaffnung. Im November 2012 dagegen gab es nach dem Ende der Kämpfe in Gaza-Stadt eine bizarre Siegesparade auf den Trümmern, bei der die heldenhaften Anführer aus einer Fajr-5-Raketenattrappe kletterten. Gefeiert wurde auf diese Art, dass erstmals die eigenen Waffen den Feind bis hinauf nach Tel Aviv in Schrecken versetzt hatten.
Doch unter dem Strich war im Waffenstillstandsabkommen nicht viel mehr gewonnen worden als eine Ausweitung der Fischereizone und der Zugang für ein paar palästinensische Bauern zu ihren Feldern im Grenzgebiet. Wenn es die Hamas darauf anlegen würde, dann hätte es auch in diesem Krieg ein paar mehr oder weniger Gelegenheiten gegeben, sich dem Volk als Sieger zu präsentieren. Schließlich haben die Raketen zur allgemeinen Überraschung Langstreckenrekorde bis fast nach Haifa hingelegt, und der Erfolg des israelischen Abwehrsystems Iron Dome stand mit einem Schlag in Frage, als plötzlich der Ben-Gurion-Airport von internationalen Airlines nicht mehr angeflogen wurde. Überdies schafften es immer wieder einzelne Terror-Trupps durch Tunnel auf die israelische Seite. In der Nacht zum Dienstag wurden dabei wieder fünf Soldaten getötet. Mit 53 Gefallenen sind Israels Verluste bereits jetzt um ein Vielfaches höher als in den beiden vorigen Kriegen zusammen.
Doch all das hat bislang nicht dazu geführt, dass die Hamas eine vielleicht letzte Ausfahrt vor dem Abgrund nimmt. Denn ihre Anführer wissen, dass in diesem Sommer die Nachkriegsbedingungen für sie ganz andere sein werden als 2009 und 2012. Erstens ist von Ägypten keine Unterstützung mehr zu erwarten, zweitens sind die Schmuggelrouten für den Waffennachschub versperrt, drittens wird sich die Bevölkerung im Gazastreifen nach dieser extremen Leidenszeit nur dann noch einmal hinter der Hamas scharen, wenn sie konkrete Aussichten auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen bieten kann. Die Hamas muss also nicht nur ans eigene Überleben im Krieg denken, sondern auch ans Überleben in der Zeit danach – und dazu braucht sie zwingend eine Aufhebung oder zumindest spürbare Lockerung der Blockade.
Immerhin wird diese letzte Hoffnung auch von außen genährt: Vom UN-Generalsekretär über den amerikanischen bis zum deutschen Außenminister betonen alle, dass die 1,8 Millionen Bewohner des Küstenstreifens nach dem Krieg dringend Luft zum Atmen brauchen, also eine Öffnung der Grenzen. Selbst Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag in TV-Interviews mit amerikanischen Sendern von der Notwendigkeit „wirtschaftlicher und sozialer Erleichterungen“ in Gaza. Aber unisono nennen sie dafür auch den gleichen Preis: eine Demilitarisierung des Küstenstreifens. Und eine Zustimmung dafür vonseiten der Hamas ist kaum vorstellbar. Schließlich ist die 1987 gegründete Organisation per eigener Definition eine Widerstandsgruppe. Zwar ist sie auch eine politische Partei, die 2006 die palästinensischen Wahlen gewonnen hat. Obendrein zeigt sie sich als frommer Wohltätigkeitsverein. Aber ihr Sinn und Zweck liegt im Kampf gegen die israelischen Besatzer, und dazu braucht man Waffen.
Andererseits ist die Hamas längst nicht mehr jener monolithische Block aus früheren Zeiten. Drei Machtzentren sind entstanden, die bisweilen verschiedene Interessen verfolgen. Auf der politischen Ebene konkurrieren miteinander die Exil-Führung unter dem in Katar residierenden Khaled Meschal und die Gaza-Regierung von Ismail Hanija. Daneben stehen die von Mohammed Deif kommandierten Kämpfer der Kassam-Brigaden.
In den Zeiten des Kampfes haben die Milizen das Ruder übernommen. Wenn sich der politische Flügel am Ende dieses Krieges also auf eine Demilitarisierung einlassen würde, um damit wenigstens das eigene Überleben zu sichern, dann droht der Konflikt mit den Kämpfern. Dies scheint der Grund zu sein, dass die Hamas nicht herausfindet aus diesem Krieg, den sie niemals gewinnen kann.
Israel bomardiert weiter den Gaza-Streifen: Angriff am heutigen Tag, bei dem 43 Menschen ums Leben gekommen sind
Auch Regierungsgebäude wurden getroffen. Doch so gewaltig der Druck auch anschwillt – die Hamas zeigt keinerlei Anzeichen des Einlenkens. Der Staub hatte sich noch nicht gelegt über seinem zertrümmerten Eigenheim, da meldete sich Hanija aus dem Untergrund: Die Israelis könnten vielleicht steinerne Gebäude zerstören, sagte er, „aber sie werden nicht unsere Entschlossenheit brechen“.
Gewiss gehören solche Durchhalteparolen zum Kriegsgeschäft. Doch die Hartleibigkeit der Hamas in dieser Konfrontation scheint auch die Strategen in Israel zu erstaunen. An diesem Mittwoch ist ein trauriger Rekord zu verzeichnen: Der Krieg währt nun schon länger als die Vorgängerkonflikte aus den Jahren 2012 (acht Tage) und 2008/09 (23 Tage). Und weitgehend ungerührt lässt die Hamas dabei nicht nur immer neue Angriffswellen über sich ergehen, sondern sie tut auch alles dafür, dass dieser Krieg kein Ende findet. Fast jeder Waffenstillstand wird aus dem Gazastreifen heraus gebrochen, und als Israels Militär zu Wochenbeginn ankündigte, man werde bis auf Weiteres nur noch auf Beschuss reagieren, da folgte als Antwort prompt eine Raketensalve.
Die Taktik der Hamas kennt offenbar keine Kompromisse: Es geht um alles oder nichts. Niemals werde es einen Waffenstillstand geben ohne eine Aufhebung der Blockade des Gazastreifens durch Israel, sagen die Anführer. Die Frage ist nun, ob dies nur Propaganda ist oder ein Pokerspiel – oder ob die Hamas tatsächlich bereit ist, bis zum eigenen Untergang zu kämpfen.
In den vorherigen Kriegen hat sie sich am Schluss mit weit weniger zufrieden gegeben als jetzt. Im Januar 2009 beendete Israel die blutigen Kämpfe nach Gutsherrenart mit einer einseitigen Waffenruhe. Der Hamas blieb nicht viel mehr als die Bilanzierung der Schäden und die möglichst schnelle Wiederbewaffnung. Im November 2012 dagegen gab es nach dem Ende der Kämpfe in Gaza-Stadt eine bizarre Siegesparade auf den Trümmern, bei der die heldenhaften Anführer aus einer Fajr-5-Raketenattrappe kletterten. Gefeiert wurde auf diese Art, dass erstmals die eigenen Waffen den Feind bis hinauf nach Tel Aviv in Schrecken versetzt hatten.
Doch unter dem Strich war im Waffenstillstandsabkommen nicht viel mehr gewonnen worden als eine Ausweitung der Fischereizone und der Zugang für ein paar palästinensische Bauern zu ihren Feldern im Grenzgebiet. Wenn es die Hamas darauf anlegen würde, dann hätte es auch in diesem Krieg ein paar mehr oder weniger Gelegenheiten gegeben, sich dem Volk als Sieger zu präsentieren. Schließlich haben die Raketen zur allgemeinen Überraschung Langstreckenrekorde bis fast nach Haifa hingelegt, und der Erfolg des israelischen Abwehrsystems Iron Dome stand mit einem Schlag in Frage, als plötzlich der Ben-Gurion-Airport von internationalen Airlines nicht mehr angeflogen wurde. Überdies schafften es immer wieder einzelne Terror-Trupps durch Tunnel auf die israelische Seite. In der Nacht zum Dienstag wurden dabei wieder fünf Soldaten getötet. Mit 53 Gefallenen sind Israels Verluste bereits jetzt um ein Vielfaches höher als in den beiden vorigen Kriegen zusammen.
Doch all das hat bislang nicht dazu geführt, dass die Hamas eine vielleicht letzte Ausfahrt vor dem Abgrund nimmt. Denn ihre Anführer wissen, dass in diesem Sommer die Nachkriegsbedingungen für sie ganz andere sein werden als 2009 und 2012. Erstens ist von Ägypten keine Unterstützung mehr zu erwarten, zweitens sind die Schmuggelrouten für den Waffennachschub versperrt, drittens wird sich die Bevölkerung im Gazastreifen nach dieser extremen Leidenszeit nur dann noch einmal hinter der Hamas scharen, wenn sie konkrete Aussichten auf eine Verbesserung der Lebensbedingungen bieten kann. Die Hamas muss also nicht nur ans eigene Überleben im Krieg denken, sondern auch ans Überleben in der Zeit danach – und dazu braucht sie zwingend eine Aufhebung oder zumindest spürbare Lockerung der Blockade.
Immerhin wird diese letzte Hoffnung auch von außen genährt: Vom UN-Generalsekretär über den amerikanischen bis zum deutschen Außenminister betonen alle, dass die 1,8 Millionen Bewohner des Küstenstreifens nach dem Krieg dringend Luft zum Atmen brauchen, also eine Öffnung der Grenzen. Selbst Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sprach am Sonntag in TV-Interviews mit amerikanischen Sendern von der Notwendigkeit „wirtschaftlicher und sozialer Erleichterungen“ in Gaza. Aber unisono nennen sie dafür auch den gleichen Preis: eine Demilitarisierung des Küstenstreifens. Und eine Zustimmung dafür vonseiten der Hamas ist kaum vorstellbar. Schließlich ist die 1987 gegründete Organisation per eigener Definition eine Widerstandsgruppe. Zwar ist sie auch eine politische Partei, die 2006 die palästinensischen Wahlen gewonnen hat. Obendrein zeigt sie sich als frommer Wohltätigkeitsverein. Aber ihr Sinn und Zweck liegt im Kampf gegen die israelischen Besatzer, und dazu braucht man Waffen.
Andererseits ist die Hamas längst nicht mehr jener monolithische Block aus früheren Zeiten. Drei Machtzentren sind entstanden, die bisweilen verschiedene Interessen verfolgen. Auf der politischen Ebene konkurrieren miteinander die Exil-Führung unter dem in Katar residierenden Khaled Meschal und die Gaza-Regierung von Ismail Hanija. Daneben stehen die von Mohammed Deif kommandierten Kämpfer der Kassam-Brigaden.
In den Zeiten des Kampfes haben die Milizen das Ruder übernommen. Wenn sich der politische Flügel am Ende dieses Krieges also auf eine Demilitarisierung einlassen würde, um damit wenigstens das eigene Überleben zu sichern, dann droht der Konflikt mit den Kämpfern. Dies scheint der Grund zu sein, dass die Hamas nicht herausfindet aus diesem Krieg, den sie niemals gewinnen kann.