Es gibt da dieses Bild, das heraus sticht aus den anderen. Statt Tod und Verwüstung sind lachende junge Menschen zu sehen, Männer und Frauen, die irgendwie verliebt wirken. Manche haben sich bewaffnet, tragen weiß-rote Armbinden, und ihre Wangen lässt die nachträgliche Kolorierung der alten Fotos noch ein wenig rosiger erscheinen, als sie es im richtigen Leben waren. Es wirkt fast poppig, dieses Bild. „Die Bewohner der Stadt reagierten enthusiastisch“, steht drunter. „Sie errichteten Barrikaden, halfen bei der Versorgung der Soldaten und pflegten die Verwundeten.“
Besucher gehen am 29.07.2014 in den Ruinen der geheimen Staatspolizei (GESTAPO) in Berlin durch die Ausstellung 'Der Warschauer Aufstand 1944'.
War er wirklich so, der Warschauer Aufstand von 1944? Gab es das, unschuldiges Heldentum in der Katastrophe?
Dienstag auf dem Gelände der Topographie des Terrors in Berlin, diesem mit Bahnschotter bedeckten Gelände, auf dem einst die Henker des Nationalsozialismus ihr bürokratisches Tagewerk verrichteten. Hier, in der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, wo bis 1945 das Hauptquartier der Gestapo, des Sicherheitsdienstes der SS und das Reichssicherheitshauptamt lagen, wird zwischen abgebrochenen Kellermauern eine Ausstellung zum Warschauer Aufstand von 1944 eröffnet.
Bundespräsident Joachim Gauck ist gekommen und der polnische Präsident Bronislaw Komorowski. Er ist ein Verwandter von Tadeusz „Bor“ Komorowski, der 1944 den verzweifelten Aufstadt Warschaus gegen die deutschen Besatzer anführte. Begleitet werden die beiden von einer Schar älterer Damen mit Armbinden und Männern mit Orden am Revers. Es sind Veteranen der polnischen Untergrundarmee, sie wollen dabei sein an diesem Tag, an dem eine Tragödie an den Ort zurückkehrt, an dem sie vor 70 Jahren ersonnen wurde.
„Es war dies eine der blutigsten Schlachten in der Geschichte Polens und einer der heroischsten Aufstände“, sagt der polnische Präsident zur Eröffnung der Ausstellung, und da ist es das erste Mal, dieses sonderbare Wort: „heroisch.“ Es wird den Besuchern öfters begegnen.
Was Heldenmut war und was eher ein Selbstmordkommando, wird hier aber gar nicht thematisiert. Die Ausstellung, die vom Museum des Warschauer Aufstands in Polen konzipiert ist, einem Haus mit durchaus nationaler Ausrichtung, will dem internationalen Publikum eine Geschichte erzählen, die für Polen identitätsstiftend ist, auch den Mythos der polnischen Heldennation nährt, in Deutschland aber vielen nur vage bekannt ist.
Der Warschauer Aufstand von 1944 wird gern mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 verwechselt. Wie viele Menschenleben diese Revolte kostete, steht selten in deutschen Schulbüchern und war bis 1989 auch im kommunistischen Polen ein schwieriges Thema. Schließlich spielte neben den deutschen Besatzern Polens im Zweiten Weltkrieg auch die Rote Armee eine tragende Rolle. Sie stand 1944 vor Warschau. Und sie sah zu, wie die Stadt vergeblich versuchte, sich von den Deutschen zu befreien – und auch aus der Umklammerung zweier totalitärer Großmächte.
Am 1. August 1944, nach der Landung der US-Truppen in der Normandie und nach fünf Kriegsjahren, in denen Polen gedemütigt, ausgeplündert und zum Ort der Judenvernichtung gemacht wurde, schien der Zeitpunkt zum Aufstand günstig zu sein. „Polen wollte sich und der Welt demonstrieren, dass es imstande war, sich aus eigener Initiative von der deutschen Besatzungsmacht zu befreien“, sagte Joachim Gauck bei der Eröffnung. Nach 63 Tagen „voller Hoffnung und Bitterkeit, aber vor allem voller Tapferkeit und Aufopferung“ sei schließlich nur eines geblieben: Kapitulation.
Worte voll Pathos sind das für einen Kampf, der die Bevölkerung unfassbar teuer zu stehen kam. Im Warschauer Aufstand rannte die polnische Untergrundarmee mit Granaten und Benzinflaschen gegen die schwer bewaffnete SS an. Geschätzte 150000 Zivilisten kamen ums Leben und 18000 Soldaten. Die Deutschen erschossen Familien in Kellern, töteten Verwundete, sprengten Kirchen und Archive, vernichteten 80 Prozent der Häuser und Kulturgut jeder Art, um Polen intellektuell auszulöschen. „Jeder Bewohner ist zu töten. Es ist verboten, Gefangene zu machen“, befahl Heinrich Himmler. „Warschau soll dem Erdboden gleich gemacht werden.“
Es hätte dieser Ausstellung nicht geschadet, wenn sie neben dem offensichtlichen Unrecht auch das weniger offensichtliche thematisiert hätte. Das schwierige Verhältnis der Warschauer zu den Juden, denen die Untergrundorganisation Zegota zwar half, für die sich in der Bevölkerung aber kaum eine Hand rührte. Wichtiger noch wäre die Frage gewesen, die in Polen längst laut wurde: Hatte dieser Aufstand überhaupt Sinn? Junge Leute, von nationaler Euphorie angesteckt, wurden da in eine aussichtslose Schlacht geschickt. Und hinterher? Hat man ihnen die Wangen auf den Gedenkfotos koloriert.
Der Warschauer Aufstand ist Pop in Polen, er wird von Rappern besungen und in Comics gefeiert. Die Gewerkschaft Solidarnosz identifizierte sich mit dem Freiheitskampf von 1944, und für Polens konservative Elite ist er heute ein Instrument nationaler Selbstvergewisserung. „Durch die tragischen Verluste wurde meine Generation bereichert“, sagte der polnische Präsident in Berlin. Er meinte den Mut zum Aufstehen. Polens Kampf um Selbstbestimmung habe auch die Ostdeutschen angesteckt, sagte Gauck. Und „dass es eine Tugend ist, in einer solch existenziellen Lage selbst dann zu streiten und zu kämpfen, wenn der Erfolg höchst ungewiss ist“.
Am Ende der Ausstellung läuft ein Film, es ist ein computeranimierter Rundflug über Warschau im Jahr 1945. Man sieht Schutt, so weit das Auge reicht. Schwer vorstellbar, wie daraus wieder eine Stadt werden konnte.
Besucher gehen am 29.07.2014 in den Ruinen der geheimen Staatspolizei (GESTAPO) in Berlin durch die Ausstellung 'Der Warschauer Aufstand 1944'.
War er wirklich so, der Warschauer Aufstand von 1944? Gab es das, unschuldiges Heldentum in der Katastrophe?
Dienstag auf dem Gelände der Topographie des Terrors in Berlin, diesem mit Bahnschotter bedeckten Gelände, auf dem einst die Henker des Nationalsozialismus ihr bürokratisches Tagewerk verrichteten. Hier, in der ehemaligen Prinz-Albrecht-Straße, wo bis 1945 das Hauptquartier der Gestapo, des Sicherheitsdienstes der SS und das Reichssicherheitshauptamt lagen, wird zwischen abgebrochenen Kellermauern eine Ausstellung zum Warschauer Aufstand von 1944 eröffnet.
Bundespräsident Joachim Gauck ist gekommen und der polnische Präsident Bronislaw Komorowski. Er ist ein Verwandter von Tadeusz „Bor“ Komorowski, der 1944 den verzweifelten Aufstadt Warschaus gegen die deutschen Besatzer anführte. Begleitet werden die beiden von einer Schar älterer Damen mit Armbinden und Männern mit Orden am Revers. Es sind Veteranen der polnischen Untergrundarmee, sie wollen dabei sein an diesem Tag, an dem eine Tragödie an den Ort zurückkehrt, an dem sie vor 70 Jahren ersonnen wurde.
„Es war dies eine der blutigsten Schlachten in der Geschichte Polens und einer der heroischsten Aufstände“, sagt der polnische Präsident zur Eröffnung der Ausstellung, und da ist es das erste Mal, dieses sonderbare Wort: „heroisch.“ Es wird den Besuchern öfters begegnen.
Was Heldenmut war und was eher ein Selbstmordkommando, wird hier aber gar nicht thematisiert. Die Ausstellung, die vom Museum des Warschauer Aufstands in Polen konzipiert ist, einem Haus mit durchaus nationaler Ausrichtung, will dem internationalen Publikum eine Geschichte erzählen, die für Polen identitätsstiftend ist, auch den Mythos der polnischen Heldennation nährt, in Deutschland aber vielen nur vage bekannt ist.
Der Warschauer Aufstand von 1944 wird gern mit dem Aufstand im Warschauer Ghetto 1943 verwechselt. Wie viele Menschenleben diese Revolte kostete, steht selten in deutschen Schulbüchern und war bis 1989 auch im kommunistischen Polen ein schwieriges Thema. Schließlich spielte neben den deutschen Besatzern Polens im Zweiten Weltkrieg auch die Rote Armee eine tragende Rolle. Sie stand 1944 vor Warschau. Und sie sah zu, wie die Stadt vergeblich versuchte, sich von den Deutschen zu befreien – und auch aus der Umklammerung zweier totalitärer Großmächte.
Am 1. August 1944, nach der Landung der US-Truppen in der Normandie und nach fünf Kriegsjahren, in denen Polen gedemütigt, ausgeplündert und zum Ort der Judenvernichtung gemacht wurde, schien der Zeitpunkt zum Aufstand günstig zu sein. „Polen wollte sich und der Welt demonstrieren, dass es imstande war, sich aus eigener Initiative von der deutschen Besatzungsmacht zu befreien“, sagte Joachim Gauck bei der Eröffnung. Nach 63 Tagen „voller Hoffnung und Bitterkeit, aber vor allem voller Tapferkeit und Aufopferung“ sei schließlich nur eines geblieben: Kapitulation.
Worte voll Pathos sind das für einen Kampf, der die Bevölkerung unfassbar teuer zu stehen kam. Im Warschauer Aufstand rannte die polnische Untergrundarmee mit Granaten und Benzinflaschen gegen die schwer bewaffnete SS an. Geschätzte 150000 Zivilisten kamen ums Leben und 18000 Soldaten. Die Deutschen erschossen Familien in Kellern, töteten Verwundete, sprengten Kirchen und Archive, vernichteten 80 Prozent der Häuser und Kulturgut jeder Art, um Polen intellektuell auszulöschen. „Jeder Bewohner ist zu töten. Es ist verboten, Gefangene zu machen“, befahl Heinrich Himmler. „Warschau soll dem Erdboden gleich gemacht werden.“
Es hätte dieser Ausstellung nicht geschadet, wenn sie neben dem offensichtlichen Unrecht auch das weniger offensichtliche thematisiert hätte. Das schwierige Verhältnis der Warschauer zu den Juden, denen die Untergrundorganisation Zegota zwar half, für die sich in der Bevölkerung aber kaum eine Hand rührte. Wichtiger noch wäre die Frage gewesen, die in Polen längst laut wurde: Hatte dieser Aufstand überhaupt Sinn? Junge Leute, von nationaler Euphorie angesteckt, wurden da in eine aussichtslose Schlacht geschickt. Und hinterher? Hat man ihnen die Wangen auf den Gedenkfotos koloriert.
Der Warschauer Aufstand ist Pop in Polen, er wird von Rappern besungen und in Comics gefeiert. Die Gewerkschaft Solidarnosz identifizierte sich mit dem Freiheitskampf von 1944, und für Polens konservative Elite ist er heute ein Instrument nationaler Selbstvergewisserung. „Durch die tragischen Verluste wurde meine Generation bereichert“, sagte der polnische Präsident in Berlin. Er meinte den Mut zum Aufstehen. Polens Kampf um Selbstbestimmung habe auch die Ostdeutschen angesteckt, sagte Gauck. Und „dass es eine Tugend ist, in einer solch existenziellen Lage selbst dann zu streiten und zu kämpfen, wenn der Erfolg höchst ungewiss ist“.
Am Ende der Ausstellung läuft ein Film, es ist ein computeranimierter Rundflug über Warschau im Jahr 1945. Man sieht Schutt, so weit das Auge reicht. Schwer vorstellbar, wie daraus wieder eine Stadt werden konnte.