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Hamburger Patient

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Der Aufsichtsrat von Gruner+Jahr beschließt das Schicksal der defizitären 'Financial Times Deutschland'. Gute Nachrichten erwarten nur noch wenige.

Die entscheidenden Stunden begannen an diesem Mittwoch um zwölf Uhr mittags, als in Hamburg der Aufsichtsrat des Verlagshauses Gruner+Jahr zusammentrat. Unter der Leitung von Thomas Rabe, Vorstandsvorsitzender beim Mehrheitseigner Bertelsmann, ging es um die Zukunft von 330 Mitarbeitern der Wirtschaftsmedien: Der Verlagsvorstand soll, so war es am Dienstagabend an die Medien gelangt, offenbar mit dem Willen in die Sitzung gegangen sein, die defizitäre Financial Times Deutschland (FTD) einzustellen - und die Magazine Börse Online und Impulse zu verkaufen. Capital könnte von Berlin aus weitergeführt werden, heißt es. Alles steht unter dem Vorbehalt, dass der Aufsichtsrat zustimmt. Bis zuletzt soll es aber auch noch Versuche gegeben habe, das scheinbar Unvermeidliche abzuwenden. Es geht um Abschied oder Bekenntnis, es geht um das publizistische Gewicht der Wirtschaftsmedien im Hansestadt-Verlag Gruner +Jahr. Es geht darum, was man sich noch leisten kann. Oder will.



Ungewisse Zukunft: Die Financial Times Deutschland

Ein Ergebnis der Sitzung war am Mittwochabend zunächst offen. Der Verlag hatte bereits am Vormittag mitgeteilt, mit einer offiziellen Erklärung am Mittwoch sei nicht zu rechnen. Julia Jäkel, die neue starke Frau am Verlagssitz hat sich für Donnerstagmorgen, zehn Uhr, in der gemeinsamen Redaktion der Wirtschaftsmedien angekündigt.

Wahr ist auch: Mit einer Einstellung der FTD ginge ein jahrelanges Gezerres zu Ende - die Geschichte eines Blattes, das als publizistisches Aushängeschild eines Verlags gegründet wurde, der sein Geld mit Titeln wie Brigitte, Stern, Neon und Schöner Wohnen und vor allem im Unterhaltungssegment verdient. Unterhaltam war die FTD für die Verlagsspitze nie. Seit die lachsfarbene Zeitung im Februar 2000 erstmals erschien, hat das nicht nur im eigenen Haus oft gelobte Wirtschaftsblatt niemals Gewinn abgeworfen. Es war praktisch seit seiner Gründung unternehmerische Verhandlungsmasse.

Der damalige Verlagschef Gerd Schulte-Hillen führte sie in seinem letzten Jahr als G+J-Lenker ein und er hat Zweifel an dem ehrgeizigen Projekt nie zugelassen. Auch seine Nachfolger Bernd Kundrun und Bernd Buchholz hielten an dem defizitären Blatt fest. Kundrun entließ dennoch im November 2008 viele Leute, als die Gemeinschaftsredaktion Wirtschaftsmedien gegründet wurde. Nachfolger Buchholz machte der Redaktion 2009 klar, dass es ohne wirtschaftliche Perspektive nicht ewig weitergehen würde. Zum Erfolg hat sie keiner der Herren geführt.

Ein Grund dafür ist auch, dass die Geschäfte der FTD nicht immer mit unternehmerischem Geschick betrieben wurden. Über die Einstellung wurde zum Beispiel schon diskutiert, seit Ende 2007 der Joint-Venture-Partner nicht mehr wollte, die britische Pearson-Gruppe (Financial Times). Schließlich übernahm im Januar 2008 Gruner + Jahr das Blatt vollständig. Angeblich zahlten die Hamburger dem Partner aus London knapp acht Millionen Euro in bar und noch mal das selbe für die Nutzung der Namensrechte über zehn Jahre.

Die schlechten Zahlen der FTD haben stark auf die Erfolgsbilanzen von Kundrun und Buchholz gedrückt - trotzdem wurden immer Durchhalte-Parolen ausgegeben: 'Das war ein Wunschkauf, kein Notkauf', behauptete im April 2008 Bernd Kundrun. Und: 'Die FTD wird 2009 schwarze Zahlen schreiben. Schon jetzt sind wir hauchdünn unter der Oberfläche, bald tauchen wir auf.'

Doch daraus wurde nichts, und es wurde schlimmer. Im November 2008 kam dann die Zusammenlegung der vier Redaktionen der Wirtschaftstitel FTD, Capital, Impulse und Börse Online. 'Synergien' hieß der Begriff für das, was in Wirklichkeit natürlich eine Sparrunde war. Rund 100 Stellen fielen weg - und die unterschiedlichen Redaktionen von Tageszeitung, Monats- und Anlegermagazin fanden nie wirklich zueinander. 'Unsere schlimmsten Vorstellungen sind übertroffen worden', hieß es vor vier Jahren in der Redaktion. Auch danach wurden immer weiter Stellen abgebaut, die Verluste wurde trotzdem nicht geringer. Nach innen wuchsen die Zweifel, der Mutterkonzern Bertelsmann in Gütersloh wurde langsam nervös.

Tatsächlich gab es noch in den vergangenen Tagen zahlreiche Überlegungen und Ideen im Haus, die Marke FTD zu retten - zum Beispiel indem man sie nur im Netz weiterzuführt, nur noch zweimal die Woche gedruckt erscheinen lässt oder den Umfang auf zwei Bücher zu reduziert. Hierzu liegen wohl fertige Konzepte vor. Doch es sah nicht so aus, als ob man Ideen für ausreichend erfolgsversprechend befunden hätte. Dabei würde es dem Verlag jedenfalls erlauben, den prestige-Titel beizubehalten. Ob eine digitale FTD rentabel wäre, ist eine andere Frage.

Vorgelegt wurden die am Mittwoch im Aufsichtsrat diskutierten Maßnahmen nun vom aktuellen Vorstand, zu dem neben Torsten-Jörn Klein (Ausland) und Achim Twardy (Finanzen, Recht und Personal), seit einigen Wochen Julia Jäkel, 40, für das Deutschlandgeschäft gehört. Ihre Karriere im Verlag begann bei Gala - und der Financial Times Deutschland.

Die Redaktion der FTD, die noch in dieser Woche mit einem Flugblatt des Betriebsrats gegen eine Einstellung ankämpfte, veröffentlichte an diesem Mittwoch auf ihrer Homepage eine Meldung in eigener Sache: Die Financial Times Deutschland steht vor der Einstellung steht vor der Einstellung, hieß es da - und dass man sich für die vielen Leserbriefe zum Thema bedanke. Man warte jetzt auf die Entscheidung der Verlagsführung.

Die wird Julia Jäkel bei ihrem Besuch am Donnerstag wohl präsentieren. Gute Nachrichten erwartet am Baumwall fast keiner mehr.

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