Es war das Finale für den Mann, den sie „Pitbull“ nennen. Sachlich im Ton, bissig im Inhalt, trug Gerrie Nel sein Schlussplädoyer vor: Der südafrikanische Sprintstar Oscar Pistorius, angeklagt wegen der Tötung seiner Freundin Reeva Steenkamp, sei ein „entsetzlicher Zeuge“ gewesen, dozierte der Staatsanwalt; der Angeklagte habe im Laufe des Verfahrens den „Staffelstab der Wahrheit“ fallen lassen – und sich selbst dem „Dominoeffekt der Lüge“ ausgeliefert.
Verlässt nach einem Verhandlungstag den Gerichtssal: Der ehemalige Paralympics-Star Oscar Pistorius
Pistorius, der als erster beinamputierter Sportler nicht nur bei den Paralympics, sondern auch an regulären Olympischen Spielen teilgenommen hatte, war im Februar 2013 verhaftet worden, nachdem er seine Freundin durch die geschlossene Badezimmertür seines eigenen Hauses erschossen hatte. Er selbst sagt, er habe irrtümlich angenommen, dass sich im Bad ein Einbrecher befände. Der Angeklagte, der an früheren Prozesstagen mitunter laut geschluchzt und sich in einen Eimer übergeben hatte, starrte den Staatsanwalt fast regungslos an, von seinem Platz auf der Anklagebank schräg hinten, nahm hin und wieder seine Brille ab und starrte zu Boden, während Nel ihm vorhielt: „Wenn ein Stein im Mosaik bewegt wird, müssen die restlichen Teile auch bewegt werden, um das Bild intakt zu halten.“
Das Mosaik von Pistorius’ Aussagen: Laut Nel durch und durch maßgeschneidert, immer wieder zurechtgebogen und relativiert. Wie etwa habe es sein können, dass Reeva Steenkamp ihr Handy mit auf die Toilette nahm? Warum war ihre Reisetasche gepackt? Warum antwortete sie nicht, als er sie angeblich rief? „Er hatte viel Zeit nachzudenken“, sagte Nel, „und er hat sich dann im Schlafzimmer dazu entschieden, sich zu bewaffnen.“ Zwischen Pistorius und Steenkamp, so Nels Darstellung, habe sich offenkundig im Laufe des Abends ein erbitterter Streit entwickelt. Und selbst wenn Pistorius, wie er selbst sagt, geglaubt habe, im Badezimmer befinde sich ein Einbrecher – habe er dann nicht trotzdem vorsätzlich auf die Tür geschossen? Selbst wenn er also wahrheitsgemäß ausgesagt habe, könne er einer Verurteilung wegen Mordes „nicht entkommen“.
Detailliert ging Nel auf Tatort-Foto Nummer 55 ein: Es zeigt einen vor der offenen Balkontür stehenden Ventilator, davor liegt zusätzlich eine Bettdecke auf dem Boden – was der Aussage von Pistorius widerspreche, er sei kurz vor der Tat auf den Balkon gegangen. Der Angeklagte selbst hatte dazu im Laufe des Verfahrens erklärt, die Polizei habe den Tatort manipuliert – auch dies wies Nel als unglaubwürdig zurück und stellte den Angeklagten immer wieder als berechnenden Lügner dar. Pistorius, der immer wieder seine Furcht vor einem bewaffneten Einbrecher beteuert hatte, verfüge über Ängstlichkeit „auf Abruf“, sagte Nel. Ein psychiatrisches Gutachten, für das sich Pistorius einen Monat lang einer kontinuierlichen Untersuchung unterzogen hatte, bescheinigte ihm, keineswegs unter einer Angststörung zu leiden, die seine Schuldfähigkeit mindern würde.
Den Verteidigern von Pistorius warf Staatsanwalt Nel vor, nicht stringent argumentiert zu haben: Mal habe es geheißen, Pistorius habe in dem irrigen Glauben gehandelt, sich und seine Freundin verteidigen zu müssen, mal habe die Verteidigung argumentiert, er habe in Panik aus Versehen geschossen. Diese beiden Verteidigungslinien seien „niemals miteinander vereinbar“.
Im Anschluss an die fast fünf Stunden langen Ausführungen von Staatsanwalt Nel begann Verteidiger Barry Roux überraschend noch am Donnerstagnachmittag sein eigenes Schlussplädoyer, dessen Hauptteil wohl an diesem Freitag folgen wird – dann, so Roux, werde er dem Gericht darlegen, warum die Variante der Anklage „keinen Sinn“ ergebe. Im Laufe seiner halbstündigen Rede verwies er abermals auf die Nachbarn des Angeklagten, bei denen es sich um „gute Zeugen“ handle – und die ausgesagt hatten, bei den Schreien, die in der Tatnacht zu hören waren, habe es sich nicht um die Stimme einer Frau gehandelt, sondern um die spitzen Schreie eines Mannes, dessen Stimme sich vor Aufregung überschlug. Pistorius selbst hatte zuvor ausgesagt, er sei in Panik ausgebrochen, nachdem ihm bewusst geworden sei, dass er anstelle eines Einbrechers seine Freundin erschossen hatte.
Richterin Thokozile Masipa, die sich während der Schlussplädoyers am Donnerstag nur hin und wieder selbst zu Wort meldete, wird sich zur Urteilsfindung zurückziehen – wie lang das dauern wird, ist noch unklar; als möglich gilt ein Zeitraum von etwa einer Woche bis zu einem Monat.
Sollte sie Pistorius wegen Mordes schuldig sprechen, droht ihm lebenslange Haft – doch auch bei einem Urteil wegen Totschlags könnte er für bis zu 15 Jahre ins Gefängnis kommen. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass er mit einer Bewährungsstrafe davonkommt: Sein Status als Identifikationsfigur für die Nation Südafrika dürfte ein für alle Mal dahin sein.
Verlässt nach einem Verhandlungstag den Gerichtssal: Der ehemalige Paralympics-Star Oscar Pistorius
Pistorius, der als erster beinamputierter Sportler nicht nur bei den Paralympics, sondern auch an regulären Olympischen Spielen teilgenommen hatte, war im Februar 2013 verhaftet worden, nachdem er seine Freundin durch die geschlossene Badezimmertür seines eigenen Hauses erschossen hatte. Er selbst sagt, er habe irrtümlich angenommen, dass sich im Bad ein Einbrecher befände. Der Angeklagte, der an früheren Prozesstagen mitunter laut geschluchzt und sich in einen Eimer übergeben hatte, starrte den Staatsanwalt fast regungslos an, von seinem Platz auf der Anklagebank schräg hinten, nahm hin und wieder seine Brille ab und starrte zu Boden, während Nel ihm vorhielt: „Wenn ein Stein im Mosaik bewegt wird, müssen die restlichen Teile auch bewegt werden, um das Bild intakt zu halten.“
Das Mosaik von Pistorius’ Aussagen: Laut Nel durch und durch maßgeschneidert, immer wieder zurechtgebogen und relativiert. Wie etwa habe es sein können, dass Reeva Steenkamp ihr Handy mit auf die Toilette nahm? Warum war ihre Reisetasche gepackt? Warum antwortete sie nicht, als er sie angeblich rief? „Er hatte viel Zeit nachzudenken“, sagte Nel, „und er hat sich dann im Schlafzimmer dazu entschieden, sich zu bewaffnen.“ Zwischen Pistorius und Steenkamp, so Nels Darstellung, habe sich offenkundig im Laufe des Abends ein erbitterter Streit entwickelt. Und selbst wenn Pistorius, wie er selbst sagt, geglaubt habe, im Badezimmer befinde sich ein Einbrecher – habe er dann nicht trotzdem vorsätzlich auf die Tür geschossen? Selbst wenn er also wahrheitsgemäß ausgesagt habe, könne er einer Verurteilung wegen Mordes „nicht entkommen“.
Detailliert ging Nel auf Tatort-Foto Nummer 55 ein: Es zeigt einen vor der offenen Balkontür stehenden Ventilator, davor liegt zusätzlich eine Bettdecke auf dem Boden – was der Aussage von Pistorius widerspreche, er sei kurz vor der Tat auf den Balkon gegangen. Der Angeklagte selbst hatte dazu im Laufe des Verfahrens erklärt, die Polizei habe den Tatort manipuliert – auch dies wies Nel als unglaubwürdig zurück und stellte den Angeklagten immer wieder als berechnenden Lügner dar. Pistorius, der immer wieder seine Furcht vor einem bewaffneten Einbrecher beteuert hatte, verfüge über Ängstlichkeit „auf Abruf“, sagte Nel. Ein psychiatrisches Gutachten, für das sich Pistorius einen Monat lang einer kontinuierlichen Untersuchung unterzogen hatte, bescheinigte ihm, keineswegs unter einer Angststörung zu leiden, die seine Schuldfähigkeit mindern würde.
Den Verteidigern von Pistorius warf Staatsanwalt Nel vor, nicht stringent argumentiert zu haben: Mal habe es geheißen, Pistorius habe in dem irrigen Glauben gehandelt, sich und seine Freundin verteidigen zu müssen, mal habe die Verteidigung argumentiert, er habe in Panik aus Versehen geschossen. Diese beiden Verteidigungslinien seien „niemals miteinander vereinbar“.
Im Anschluss an die fast fünf Stunden langen Ausführungen von Staatsanwalt Nel begann Verteidiger Barry Roux überraschend noch am Donnerstagnachmittag sein eigenes Schlussplädoyer, dessen Hauptteil wohl an diesem Freitag folgen wird – dann, so Roux, werde er dem Gericht darlegen, warum die Variante der Anklage „keinen Sinn“ ergebe. Im Laufe seiner halbstündigen Rede verwies er abermals auf die Nachbarn des Angeklagten, bei denen es sich um „gute Zeugen“ handle – und die ausgesagt hatten, bei den Schreien, die in der Tatnacht zu hören waren, habe es sich nicht um die Stimme einer Frau gehandelt, sondern um die spitzen Schreie eines Mannes, dessen Stimme sich vor Aufregung überschlug. Pistorius selbst hatte zuvor ausgesagt, er sei in Panik ausgebrochen, nachdem ihm bewusst geworden sei, dass er anstelle eines Einbrechers seine Freundin erschossen hatte.
Richterin Thokozile Masipa, die sich während der Schlussplädoyers am Donnerstag nur hin und wieder selbst zu Wort meldete, wird sich zur Urteilsfindung zurückziehen – wie lang das dauern wird, ist noch unklar; als möglich gilt ein Zeitraum von etwa einer Woche bis zu einem Monat.
Sollte sie Pistorius wegen Mordes schuldig sprechen, droht ihm lebenslange Haft – doch auch bei einem Urteil wegen Totschlags könnte er für bis zu 15 Jahre ins Gefängnis kommen. Und selbst im unwahrscheinlichen Fall, dass er mit einer Bewährungsstrafe davonkommt: Sein Status als Identifikationsfigur für die Nation Südafrika dürfte ein für alle Mal dahin sein.