Wo nur wenige Fakten zu finden sind, wird in der politischen Debatte gern mit Gefühlen argumentiert. Das ist menschlich. Und so hat es in der Debatte um das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP bisher stark gemenschelt. Nun aber liegt ein Text vor, der endlich Sachlichkeit in die Debatte bringen könnte: Der Vertragsentwurf des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada ist so etwas wie die Blaupause für TTIP, für das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA; er drang aus den bisher streng geheimen Verhandlungen nach draußen.
Aufeinander angewiesen? Ein Symbolbild für das Handelsabkommen TTIP
Der Text räumt mit einigen Mythen auf, die in der aufgeregten TTIP-Debatte in den vergangenen Monaten für große Irritation gesorgt haben. Um nur einige zu nennen: Das Chlorhühnchen, das zum Symbol der Proteste geworden ist, kann getrost von den Plakaten verschwinden – denn Geflügel ist vom Vertrag ausgenommen. Die Kulturschaffenden, die um ihre europäischen Subventionen fürchteten, können aufatmen – der Kulturbereich ist ebenfalls zur Gänze ausgenommen. Auch gefälschter Parmesan wird nicht in europäischen Einkaufswagen landen, eine Vielzahl von regionalen Produkten und deren Namen sind geschützt.
Am umstrittensten im Vertrag zwischen der EU und Kanada ist – ähnlich wie bei TTIP – das Kapitel zu den Schiedsgerichten für Unternehmen. Es geht dabei darum, dass es ausländischen Investoren ermöglicht wird, bei privaten Schiedsgerichten Klagen gegen Staaten einzureichen, wenn sie sich diskriminiert fühlen. Auch hier zeigt der vorliegende Vertragstext, dass so manche Angst völlig überzogen war: Die Schiedsverfahren sind keineswegs „Geheimgerichte“, dem Text zufolge werden sie künftig sogar in mancher Hinsicht transparenter sein als jeder Wirtschaftsprozess in Deutschland. Denn nach den CETA-Regeln müssen beide Parteien alle eingereichten Dokumente veröffentlichen – in Deutschland bleiben diese stets unter Verschluss, lediglich die mündliche Verhandlung ist öffentlich.
Und dennoch sind die Investorenklauseln bei CETA in vielen Punkten kritikwürdig. Etwa beim Umweltschutz: Die Bedenken der Kritiker, dass Staaten verklagt werden können, wenn sie nachträglich ihre Umweltstandards erhöhen, wurden nicht ausgeräumt. Denn schon bisher haben Unternehmen mit Berufung auf bilaterale Investorenschutzklauseln Schadensersatz von Staaten verlangt, wenn sie aufgrund höherer Umweltstandards weniger Gewinn gemacht haben – allerdings sich nicht immer durchgesetzt.
Verpasst wurde auch die Chance, ein Schiedsgericht mit festem Sitz einzurichten, das überprüfbar und sichtbar nach außen auftritt. Stattdessen werden die Schiedsgerichte, die CETA ermöglicht, spontan zusammengerufen, was den Anwälten zwar hohe Honorare verspricht, aber der öffentlichen Vertrauensbildung nicht gerade förderlich ist.
Fragen muss man sich auch: Warum brauchen zwei Wirtschaftsräume, die funktionierende Rechtssysteme haben, überhaupt Investorenschutzklauseln? Unbestritten ist, dass die Regeln ihre Berechtigung dort haben, wo Rechtssysteme versagen. Unbestritten ist zudem, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft auch auf jene vielen Verträge zurückzuführen ist, die die Regierung in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Doch sowohl Kanada als auch die Länder der europäischen Union haben funktionierende Gerichte.
Die Argumentation der Befürworter: Schiedsgerichte könnten schneller handeln und seien unparteiischer. Genau dieses Argument weist auf eine bedeutende Schieflage im Abkommen hin: Wenn sich Investoren diskriminiert fühlen, können sie Klage vor Schiedsgerichten einreichen. Doch was, wenn sich die Bürger von einem ausländischen Investor schlecht behandelt fühlen? Sie können nicht klagen. Genauso wenig kann ein Staat klagen. Die Investorenklauseln gelten nur in eine Richtung. Selbst die Möglichkeit in Berufung zu gehen, ist unter ein Fragezeichen gestellt: Der Text sagt dazu nur, es solle eine „Kommission“ gebildet werden, die darüber beraten soll.
In einem fairen Freihandelsabkommen müssen Investoren, Staaten und Bürger gleiche Rechte bekommen. Es muss die Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidungen geben, es muss dezidiert erlaubt sein, Umweltstandards auch nachträglich zu verbessern. Und letztlich wäre es hilfreich, die Schiedsgerichte auch physisch aus der Welt des Unsichtbaren in eine echte Institution mit festen Ansprechpartnern zu verwandeln. Wenn die EU und Kanada ein Freihandelsabkommen vorlegen wollen, das die Wirtschaft nicht über die Bürger stellt, müssen sie es an entscheidenden Stellen verändern.
Aufeinander angewiesen? Ein Symbolbild für das Handelsabkommen TTIP
Der Text räumt mit einigen Mythen auf, die in der aufgeregten TTIP-Debatte in den vergangenen Monaten für große Irritation gesorgt haben. Um nur einige zu nennen: Das Chlorhühnchen, das zum Symbol der Proteste geworden ist, kann getrost von den Plakaten verschwinden – denn Geflügel ist vom Vertrag ausgenommen. Die Kulturschaffenden, die um ihre europäischen Subventionen fürchteten, können aufatmen – der Kulturbereich ist ebenfalls zur Gänze ausgenommen. Auch gefälschter Parmesan wird nicht in europäischen Einkaufswagen landen, eine Vielzahl von regionalen Produkten und deren Namen sind geschützt.
Am umstrittensten im Vertrag zwischen der EU und Kanada ist – ähnlich wie bei TTIP – das Kapitel zu den Schiedsgerichten für Unternehmen. Es geht dabei darum, dass es ausländischen Investoren ermöglicht wird, bei privaten Schiedsgerichten Klagen gegen Staaten einzureichen, wenn sie sich diskriminiert fühlen. Auch hier zeigt der vorliegende Vertragstext, dass so manche Angst völlig überzogen war: Die Schiedsverfahren sind keineswegs „Geheimgerichte“, dem Text zufolge werden sie künftig sogar in mancher Hinsicht transparenter sein als jeder Wirtschaftsprozess in Deutschland. Denn nach den CETA-Regeln müssen beide Parteien alle eingereichten Dokumente veröffentlichen – in Deutschland bleiben diese stets unter Verschluss, lediglich die mündliche Verhandlung ist öffentlich.
Und dennoch sind die Investorenklauseln bei CETA in vielen Punkten kritikwürdig. Etwa beim Umweltschutz: Die Bedenken der Kritiker, dass Staaten verklagt werden können, wenn sie nachträglich ihre Umweltstandards erhöhen, wurden nicht ausgeräumt. Denn schon bisher haben Unternehmen mit Berufung auf bilaterale Investorenschutzklauseln Schadensersatz von Staaten verlangt, wenn sie aufgrund höherer Umweltstandards weniger Gewinn gemacht haben – allerdings sich nicht immer durchgesetzt.
Verpasst wurde auch die Chance, ein Schiedsgericht mit festem Sitz einzurichten, das überprüfbar und sichtbar nach außen auftritt. Stattdessen werden die Schiedsgerichte, die CETA ermöglicht, spontan zusammengerufen, was den Anwälten zwar hohe Honorare verspricht, aber der öffentlichen Vertrauensbildung nicht gerade förderlich ist.
Fragen muss man sich auch: Warum brauchen zwei Wirtschaftsräume, die funktionierende Rechtssysteme haben, überhaupt Investorenschutzklauseln? Unbestritten ist, dass die Regeln ihre Berechtigung dort haben, wo Rechtssysteme versagen. Unbestritten ist zudem, dass die Stärke der deutschen Wirtschaft auch auf jene vielen Verträge zurückzuführen ist, die die Regierung in der Vergangenheit abgeschlossen hat. Doch sowohl Kanada als auch die Länder der europäischen Union haben funktionierende Gerichte.
Die Argumentation der Befürworter: Schiedsgerichte könnten schneller handeln und seien unparteiischer. Genau dieses Argument weist auf eine bedeutende Schieflage im Abkommen hin: Wenn sich Investoren diskriminiert fühlen, können sie Klage vor Schiedsgerichten einreichen. Doch was, wenn sich die Bürger von einem ausländischen Investor schlecht behandelt fühlen? Sie können nicht klagen. Genauso wenig kann ein Staat klagen. Die Investorenklauseln gelten nur in eine Richtung. Selbst die Möglichkeit in Berufung zu gehen, ist unter ein Fragezeichen gestellt: Der Text sagt dazu nur, es solle eine „Kommission“ gebildet werden, die darüber beraten soll.
In einem fairen Freihandelsabkommen müssen Investoren, Staaten und Bürger gleiche Rechte bekommen. Es muss die Möglichkeit zur Überprüfung der Entscheidungen geben, es muss dezidiert erlaubt sein, Umweltstandards auch nachträglich zu verbessern. Und letztlich wäre es hilfreich, die Schiedsgerichte auch physisch aus der Welt des Unsichtbaren in eine echte Institution mit festen Ansprechpartnern zu verwandeln. Wenn die EU und Kanada ein Freihandelsabkommen vorlegen wollen, das die Wirtschaft nicht über die Bürger stellt, müssen sie es an entscheidenden Stellen verändern.