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Ebola außer Kontrolle

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Was in den Ebola-Gebieten Westafrikas vielerorts üblich geworden ist, soll nun hart bestraft werden: In Sierra Leone hat das Parlament am Samstag ein Gesetz beschlossen, dem zufolge sich strafbar macht, wer Ebola-Kranke vor Ärzten und Behörden versteckt. Unterschreibt Präsident Ernest Bai Koroma das Gesetz, drohen fortan bis zu zwei Jahre Haft. So will die Regierung eines der größten Probleme bei der Ausbreitung des Virus in den Griff bekommen: Weil viele Menschen den Helfern nicht trauen, verstecken sie ihre infizierten Angehörigen – und stecken so sich selbst und andere an.



Eine junge Frau in Liberia wird in ein nahegelegenes Krankenhaus gebracht, nachdem der Verdacht auf Ebola bei ihr diagnostiziert wurde

Ob die Strafandrohung die Menschen allerdings beeindrucken wird? Im benachbarten Liberia haben die Behörden gerade einen ganzen Stadtteil der Hauptstadt Monrovia, das Slum-Gebiet Westpoint, unter Quarantäne gestellt und über das gesamte Land eine Ausgangssperre für die Nacht verhängt. Trotzdem musste Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf einräumen, dass auch der teils massive Einsatz des Militärs die Lage nicht unter Kontrolle bringe: Viele Menschen hielten sich schlichtweg nicht an die Verbote und Warnungen.

Auch in der Demokratischen Republik Kongo breitet sich die Krankheit inzwischen aus – nach Guinea, Sierra Leone, Liberia und Nigeria ist es damit das fünfte betroffene Land in Afrika. Wie die Regierung in Kinshasa am Wochenende bestätigte, sind im Laufe des vergangenen Monats 13 Menschen in der nördlichen Provinz Equateur an Ebola gestorben. Das Gebiet liegt mehrere Tausend Kilometer von den hauptsächlich betroffenen Ländern Guinea, Sierra-Leone und Liberia entfernt; bislang gehen die Behörden davon aus, dass es sich um einen anderen Virus-Stamm handelt, dessen Ausbruch mit jenem in Westafrika nicht in direktem Zusammenhang steht. Die Demokratische Republik Kongo ist das Land, in dem der Ebola-Erreger im Jahr 1976 zum erstem Mal identifiziert wurde; die Ärzte benannten ihn nach einem Fluss in der betroffenen Region. In Westafrika dagegen ist der diesjährige Ausbruch der erste überhaupt. Dort hat das Virus die Bevölkerung und die Behörden völlig unvorbereitet getroffen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte vergangene Woche eingeräumt, dass man das Ausmaß der Epidemie bislang unterschätzt habe – die Geschwindigkeit, mit der sich das Virus ausbreite, sei „beispiellos“. Es werde noch mehrere Monate dauern werde, die Seuche unter Kontrolle zu bringen. Unter anderem werde es immer schwieriger, die Menschen in den betroffenen Ländern zu erreichen, weil viele Fluggesellschaften ihre Verbindungen dorthin eingestellt haben. Inzwischen hat Ebola auch einen Mitarbeiter der WHO selbst befallen: Am Sonntag flog ein Militärflugzeug einen 29-jährigen britischen Krankenpfleger aus Sierra Leone aus, der sich bei seiner Arbeit mit dem Virus infiziert hatte. Er wird auf einer Isolierstation des Royal Free Hospital in London behandelt; einer ersten Mitteilung des Gesundheitsministeriums zufolge geht es ihm „gegenwärtig nicht ernsthaft schlecht“, und die Gefährdung für die britische Bevölkerung sei „äußerst gering“.

Unterdessen haben Hoffnungen auf einen Durchbruch bei der Suche nach einem wirksamen Mittel gegen Ebola erneut einen Dämpfer erfahren. Abraham Borbor, einer von drei liberianischen Ärzten, die sich bei ihrer Arbeit mit Ebola infiziert hatten, verstarb in der Nacht zum Montag – er war mit dem noch wenig erforschten Medikament ZMapp behandelt worden, das die Behörden des Landes vorvergangene Woche aus den USA erhalten hatten. Zwei erkrankte Amerikaner und ein Spanier hatten das Serum zuvor verabreicht bekommen – die beiden amerikanischen Patienten überlebten, der Spanier dagegen starb am 12. August. Das Medikament war zuvor nie an Menschen getestet worden, ein WHO-Komitee hatte jedoch angesichts der Notlage seine Verwendung für ethisch vertretbar erklärt.

Japans Regierung erklärte sich am Montag bereit, ein in ihrem Land hergestelltes experimentelles Medikament zu liefern, sofern die WHO es anfordere. Es handelt sich dabei um ein Mittel, das in Japan bereits für die Behandlung von Grippe zugelassen ist; der Hersteller verfüge über Reserven für mehr als 20000 Menschen.

Inzwischen setzt die Seuche den betroffenen Ländern auch wirtschaftlich zu: Die Weltbank schätzt, dass das Wirtschaftswachstum in Guinea um einen Prozentpunkt fallen werde; im noch stärker betroffenen Sierra Leone ist die Wirtschaftsleistung aufgrund der Epidemie bereits um 30 Prozent zurückgegangen, schätzt die Regierung. Die zahlreichen Straßensperren von Polizei und Militär blockierten den Handel mit Lebensmitteln. Zudem hätten viele Bauern in Angst vor dem Virus ihre Felder zurückgelassen.

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