Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Noch Fragen?

$
0
0
In der Philosophie gilt die Regel: Eine gute Frage ist mehr wert als alle Antworten der Welt. Das sieht man bei Nietzsche oder bei Kant, und der Schriftsteller Erich Kästner hat diese Weisheit einmal so auf den Punkt gebracht: 'Die Fragen sind es, aus denen das, was bleibt, entsteht.'

Es darf also nicht verwundern, dass sich auch die Werbewirtschaft bisweilen des Stilmittels der Frage bedient. Das ging schon vor vielen Jahren los, nämlich beim HB-Männchen: 'Wer wird denn gleich in die Luft gehen?'

Seitdem fragt man uns in TV-Spots und auf Werbeplakaten rund um die Uhr die absurdesten Dinge. Ob wir noch wohnen oder schon leben. Ob wir denn bereits, Achtung, GEZahlt haben. Ob wir nicht alle ein bisschen bluna sind. Ob es noch ein wenig mehr sein darf. Die Liste ist lang. Das jüngste Beispiel einer strategischen Werbe-Frage kommt vom südkoreanischen Konzern Samsung, und es lehrt uns eine wichtige Lektion: Man sollte nur dann eine Frage stellen, wenn man auch die Antwort erträgt.

Samsung hat seine Frage als 'Umfrage' deklariert und als Ort dafür das soziale Netzwerk Facebook ausgewählt. Eigentlich eine gute Idee: Dort gibt es bekanntlich sehr viele Menschen, und den meisten davon ist gerade sehr langweilig. Höchstens die Warteschlange vor dem Sprechzimmer eines Straßenverkehrsamtes wäre für eine anlasslose Umfrage noch besser geeignet. Samsung fragte also: Welches elektronische Gerät würdet ihr auf eine einsame Insel am liebsten mitnehmen?



Die Firma Samsung startete eine Umfrage

Das würde bei Kant und Nietzsche vielleicht nicht als gute Frage durchgehen, aber immerhin hat Samsung seinen Facebook-'Freunden' einen kleinen Hinweis gegeben. Bebildert war die kleine Umfrage nämlich mit einem großen Foto des neuesten Samsung-Telefons, und zwar vor dem Hintergrund einer - richtig - einsamen Insel. Noch Fragen?

Bis Redaktionsschluss hat Samsung mehr als 18000 Antworten bekommen. Die meisten davon sind wenig schmeichelhaft. Es zeigt sich, dass die sogenannten Freunde von Samsung viel lieber das neue Smartphone des schärfsten Konkurrenten Apple mit auf die gedankliche Insel nehmen würden - und das wohl nicht gerade mit der Absicht, es dort im Meer zu versenken. Frage: Was macht man jetzt?

In Zeiten von Shitstorms und Watchblogs ist es nicht eben ratsam zu versuchen, eine derart versemmelte Werbe-Aktion unauffällig wieder aus dem Netz zu nehmen - so etwas spricht sich herum und macht meist alles noch viel schlimmer. Also steht die Frage nun immer noch auf der Facebook-Seite des Konzerns. Stunde für Stunde kommen neue Antworten dazu. Stunde für Stunde wird die Sache für Samsung noch ein bisschen unangenehmer. Das Unternehmen kann sich immerhin mit Erich Kästner trösten - schließlich geht es ja ohnehin um die Frage, nicht so sehr um die Antworten. Die nächste lustige Umfrage könnte dann sicherheitshalber trotzdem etwas rhetorischer formuliert sein. Sind wir nicht alle ein bisschen Samsung?


Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345