Wenn es nur um Schmerzen ginge, unerträgliche freilich, aber eben doch einfach nur Schmerzen – dann hätte Gian Domenico Borasio sich die Reise nach München sparen können. Weil sich die ganze Diskussion erübrigen würde: „Schmerzen können wir lindern“, sagt Borasio, Palliativmediziner an der Uniklinik in Lausanne. Viel häufiger hätten Schwerkranke aber andere Gründe, ihr Leben beenden zu wollen: Kontrolle über das eigene Sterben wünschten sie sich, einen Tod in Würde. Und darum sitzt Borasio nun mit drei Kollegen in der Ludwig-Maximilians-Universität in München, wo er bis vor wenigen Jahren noch selbst gearbeitet hat, und stellt seinen Gesetzesvorschlag zum „assistierten Suizid“ vor.
Ein neuer Entwurf soll ein Sterben in Würde möglich machen.
Im Herbst soll der Bundestag entscheiden, wie Sterbehilfe künftig geregelt wird. Die Vorschläge gehen weit auseinander: CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte ein völliges Verbot gefordert, Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat einen restriktiven Gesetzentwurf angekündigt. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und andere fordern eine Liberalisierung. Wie es ausgeht, ist völlig offen – Fraktionszwang besteht nicht, die Abgeordneten sollen nur ihr Gewissen befragen.
Nun schalten sich auch die Wissenschaftler in die Diskussion ein. Neben Borasio waren an dem Vorschlag und seiner knapp 100-seitigen Begründung die Medizinethiker Ralf Jox und Urban Wiesing und der Heidelberger Medizinrechtler Jochen Taupitz beteiligt. „Wir wollen Rechtssicherheit, das ist für Juristen nun einmal wichtig“, sagt dieser. Die aber kann man auf vielerlei Weise schaffen, per Verbot oder per Liberalisierung. Taupitz und seine Kollegen haben sich für eine eher restriktive Lösung entschieden: Die Beihilfe zum Suizid soll grundsätzlich unter Strafe gestellt werden, nur Angehörige und Nahestehende sollen davon ausgenommen sein. Und Ärzte – aber nur, wenn der Patient an einer Krankheit leidet, die unheilbar ist und in absehbarer Zeit zum Tode führt.
Damit würde das Gesetz in mancher Hinsicht sogar strenger: Bislang ist es nicht verboten, beim Suizid zu helfen. Allerdings könnten Angehörige oder Ärzte theoretisch wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. Fraglich ist auch, ob das Betäubungsmittelgesetz Ärzten erlaubt, eine tödliche Dosis Gift zu verschreiben. Und die Berufsordnung schließt Sterbehilfe aus. Allerdings haben nicht alle Landesärztekammern diese Regelung übernommen.
Mit ihrem Vorschlag wollen die Wissenschaftler Klarheit schaffen und Ärzte unterstützen, die sich für Suizidbeihilfe entscheiden. Für sie soll es Vorgaben geben: Sie müssen den Patienten über seine Aussichten ebenso aufklären wie über mögliche Behandlungen, etwa mit Schmerzmitteln. Ein zweiter Arzt muss den Patienten untersuchen und in einem Gutachten bestätigen, dass dieser sich freiwillig und überlegt für den Tod entscheidet und tatsächlich tödlich krank ist. Und nach dem Aufklärungsgespräch soll der Patient noch einmal zehn Tage Bedenkzeit haben.
Mit alldem wollen die Forscher möglichst viele der aus ihrer Sicht tragischen Suizide verhindern: die aus einer Depression heraus, die man hätte behandeln können. Die, an denen eine schlechte Schmerztherapie schuld ist. Die unüberlegten, die ein Leben zu früh beenden. Die unter Druck von anderen. Unnötige Suizide also, wie die Wissenschaftler sie etwa in den Niederlanden vermuten, wo Tötung auf Verlangen erlaubt ist. Oder vereinzelt selbst in der Schweiz, wo die Sterbehilfe-Organisationen Exit und Dignitas auch gesunde Menschen begleiten dürfen. In beiden Ländern haben die Fälle zugenommen, in denen Menschen auf eigenen Wunsch in den Tod geholfen wurde. Stattdessen haben sich die Wissenschaftler den US-Bundesstaat Oregon zum Vorbild genommen, wo seit 17 Jahren eine ähnliche Regelung gilt wie ihr Vorschlag. Dort seien die Zahlen relativ konstant geblieben. „Wir sollten uns nicht in die Tasche lügen“, sagt Co-Autor Ralf Jox, Medizinethiker in München. „Es gibt mehr assistierten Suizid als wir meinen, aber im Geheimen. Ein Verbot würde das Problem nur verschärfen.“
Auf Kritik können sich die vier Wissenschaftler dennoch gefasst machen – und zwar aus beiden Richtungen. Schließlich wollen sie nur sterbenskranken Menschen ärztliche Hilfe in den Tod gewähren. Wer aus anderen Gründen nicht weiterleben will, sei es aus Lebensmüdigkeit im Alter oder weil er die schwere Behinderung nach einem Unfall nicht erträgt, dem bliebe sie verwehrt.
Aber auch aus der anderen Richtung kommt Protest: „Nach der Berufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte die Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten“, teilt Frank Ulrich Montgomery kühl mit, Präsident der Bundesärztekammer. „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist hingegen keine ärztliche Aufgabe.“ Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, ist wenig begeistert: „Wenn der Gesetzentwurf Realität würde, dann wird die Suizidbeihilfe zum Regelangebot des Arztes. Das kann nicht die Vision der Ärzte in Deutschland sein.“ Stattdessen sollte lieber die Palliativmedizin ausgebaut werden, um Sterbende besser zu versorgen.
Das allerdings fordern auch die vier Wissenschaftler, nur meinen sie, dass es nicht reicht. Weil manche Patienten trotzdem sagen werden: Ich will nicht mehr.
Ein neuer Entwurf soll ein Sterben in Würde möglich machen.
Im Herbst soll der Bundestag entscheiden, wie Sterbehilfe künftig geregelt wird. Die Vorschläge gehen weit auseinander: CDU-Generalsekretär Peter Tauber hatte ein völliges Verbot gefordert, Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) hat einen restriktiven Gesetzentwurf angekündigt. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach und andere fordern eine Liberalisierung. Wie es ausgeht, ist völlig offen – Fraktionszwang besteht nicht, die Abgeordneten sollen nur ihr Gewissen befragen.
Nun schalten sich auch die Wissenschaftler in die Diskussion ein. Neben Borasio waren an dem Vorschlag und seiner knapp 100-seitigen Begründung die Medizinethiker Ralf Jox und Urban Wiesing und der Heidelberger Medizinrechtler Jochen Taupitz beteiligt. „Wir wollen Rechtssicherheit, das ist für Juristen nun einmal wichtig“, sagt dieser. Die aber kann man auf vielerlei Weise schaffen, per Verbot oder per Liberalisierung. Taupitz und seine Kollegen haben sich für eine eher restriktive Lösung entschieden: Die Beihilfe zum Suizid soll grundsätzlich unter Strafe gestellt werden, nur Angehörige und Nahestehende sollen davon ausgenommen sein. Und Ärzte – aber nur, wenn der Patient an einer Krankheit leidet, die unheilbar ist und in absehbarer Zeit zum Tode führt.
Damit würde das Gesetz in mancher Hinsicht sogar strenger: Bislang ist es nicht verboten, beim Suizid zu helfen. Allerdings könnten Angehörige oder Ärzte theoretisch wegen unterlassener Hilfeleistung belangt werden. Fraglich ist auch, ob das Betäubungsmittelgesetz Ärzten erlaubt, eine tödliche Dosis Gift zu verschreiben. Und die Berufsordnung schließt Sterbehilfe aus. Allerdings haben nicht alle Landesärztekammern diese Regelung übernommen.
Mit ihrem Vorschlag wollen die Wissenschaftler Klarheit schaffen und Ärzte unterstützen, die sich für Suizidbeihilfe entscheiden. Für sie soll es Vorgaben geben: Sie müssen den Patienten über seine Aussichten ebenso aufklären wie über mögliche Behandlungen, etwa mit Schmerzmitteln. Ein zweiter Arzt muss den Patienten untersuchen und in einem Gutachten bestätigen, dass dieser sich freiwillig und überlegt für den Tod entscheidet und tatsächlich tödlich krank ist. Und nach dem Aufklärungsgespräch soll der Patient noch einmal zehn Tage Bedenkzeit haben.
Mit alldem wollen die Forscher möglichst viele der aus ihrer Sicht tragischen Suizide verhindern: die aus einer Depression heraus, die man hätte behandeln können. Die, an denen eine schlechte Schmerztherapie schuld ist. Die unüberlegten, die ein Leben zu früh beenden. Die unter Druck von anderen. Unnötige Suizide also, wie die Wissenschaftler sie etwa in den Niederlanden vermuten, wo Tötung auf Verlangen erlaubt ist. Oder vereinzelt selbst in der Schweiz, wo die Sterbehilfe-Organisationen Exit und Dignitas auch gesunde Menschen begleiten dürfen. In beiden Ländern haben die Fälle zugenommen, in denen Menschen auf eigenen Wunsch in den Tod geholfen wurde. Stattdessen haben sich die Wissenschaftler den US-Bundesstaat Oregon zum Vorbild genommen, wo seit 17 Jahren eine ähnliche Regelung gilt wie ihr Vorschlag. Dort seien die Zahlen relativ konstant geblieben. „Wir sollten uns nicht in die Tasche lügen“, sagt Co-Autor Ralf Jox, Medizinethiker in München. „Es gibt mehr assistierten Suizid als wir meinen, aber im Geheimen. Ein Verbot würde das Problem nur verschärfen.“
Auf Kritik können sich die vier Wissenschaftler dennoch gefasst machen – und zwar aus beiden Richtungen. Schließlich wollen sie nur sterbenskranken Menschen ärztliche Hilfe in den Tod gewähren. Wer aus anderen Gründen nicht weiterleben will, sei es aus Lebensmüdigkeit im Alter oder weil er die schwere Behinderung nach einem Unfall nicht erträgt, dem bliebe sie verwehrt.
Aber auch aus der anderen Richtung kommt Protest: „Nach der Berufsordnung haben Ärztinnen und Ärzte die Aufgabe, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen, Leiden zu lindern sowie Sterbenden Beistand zu leisten“, teilt Frank Ulrich Montgomery kühl mit, Präsident der Bundesärztekammer. „Die Mitwirkung des Arztes bei der Selbsttötung ist hingegen keine ärztliche Aufgabe.“ Auch Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, ist wenig begeistert: „Wenn der Gesetzentwurf Realität würde, dann wird die Suizidbeihilfe zum Regelangebot des Arztes. Das kann nicht die Vision der Ärzte in Deutschland sein.“ Stattdessen sollte lieber die Palliativmedizin ausgebaut werden, um Sterbende besser zu versorgen.
Das allerdings fordern auch die vier Wissenschaftler, nur meinen sie, dass es nicht reicht. Weil manche Patienten trotzdem sagen werden: Ich will nicht mehr.