Kieren Mayers hat sich wirklich bemüht. Er hat sich die neuesten verfügbaren Daten besorgt. Er hat alle erdenklichen Faktoren berücksichtigt: die Zeit, die Kunden im Online-Laden herumklicken, den Stromverbrauch der Internetverbindung, das mangelnde Recycling der Paletten, mit denen die bestellte Ware transportiert wird, den Füllgrad der Lastwagen auf der Rückfahrt zum Lager. Er hat gerechnet, abgewogen, aufgeschrieben.
Und er ist zu einem überraschenden Schluss gekommen. Mayers, Informatiker an der privaten Insead Business School im französischen Fontainebleau, ist überzeugt, dass es fürs Klima günstiger ist, wenn Besitzer von Spielekonsolen ihre neuen Programme nicht herunterladen, sondern ganz altmodisch im Geschäft kaufen – zumindest solange die Spiele nicht kleiner sind als 1,3 Gigabyte. Dann belasten der Download und der damit verbundene Stromverbrauch die Umwelt mit bis zu 27,5Kilogramm des Klimagases Kohlendioxid, während der Kauf im Laden lediglich 20,8 Kilogramm CO₂ verschlingt.
Das neue U2-Album: Herunterladen oder im Laden kaufen?
Kieren Mayers trifft mit seiner Studie, veröffentlicht im Fachblatt Journal of Industrial Ecology, einen Nerv. Private Daten liegen – wenn sie nicht von Hackern veröffentlicht werden – zunehmend in der „Cloud“, einem Speicher in fernen Datenzentren. Musik wird fast nur noch digital verbreitet; sie wird entweder online gekauft oder über eine Flatrate auf Computer und Smartphones übertragen. Auch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sind längst nicht mehr nur auf Papier zu haben.
Wie sich die Digitalisierung und die damit verbundenen Datenberge, auf Stromverbrauch, CO₂-Ausstoß und Klima auswirken, ist zu einem großen Problem der modernen Welt geworden. Mayers’ Studie ist hier ein weiteres Mosaiksteinchen. Seine Untersuchung, so sorgfältig sie ausgeführt wurde, zeigt aber auch, wie schwer es ist, die Folgen der Datenflut zu quantifizieren: Einschränkungen, Annahmen, Interpretationen nehmen fast die Hälfte der 14-seitigen Studie ein.
Das beginnt bei der zentralen Frage, wie viel Strom die Datenzentren brauchen, wenn sie Informationen speichern und im weltweiten Netz verteilen. Viel und immer mehr, wäre die einfache, unwissenschaftliche Antwort: Mehr als zehn Prozent des deutschen Stromverbrauchs fließen derzeit in den Informations- und Kommunikationssektor, ergeben Berechnungen von Fraunhofer-Forschern. Bis zum Jahr 2020 soll der Wert auf 20 Prozent steigen. Etwa 33Millionen Tonnen Kohlendioxid blasen Computer & Co. jährlich in die Luft, so das Umweltbundesamt – mehr als der Flugverkehr in Deutschland.
Streng wissenschaftlich ist die Frage nach dem Verbrauch der einzelnen Bits und Bytes viel schwerer zu beantworten. Die meisten Datenzentren werden von privaten Firmen betrieben. Informationen zu Datendurchsatz und Stromverbrauch bleiben unter Verschluss. Zwar behauptet Google, 100 Suchanfragen würden nur so viel Strom verbrauchen wie das Bügeln eines Hemdes – und von einmal Wäschewaschen könne man drei Wochen Videos bei Youtube anschauen. Welche Faktoren dabei berücksichtigt werden, bleibt aber das Geheimnis des Internetkonzerns.
Einfach nur den Stromverbrauch durch die verschickte Datenmenge zu teilen, hilft ohnehin nicht weiter: Viele Zentren schubsen nicht nur Informationen ins Internet, sie beschäftigen sich auch mit energieintensiven Berechnungen – zum Beispiel für die Finanzbranche. Jens Malmodin vom Ericsson-Forschungszentrum in Stockholm hat sich deshalb die Verbrauchswerte von sieben großen Rechenzentren, 15 Bürogebäuden und 58 Geschäften beschafft und mit Datenblättern von 100000 Komponenten in Computern, Netzwerken, Modems und Handys verglichen. Herausgekommen ist die bislang beste Abschätzung des Stromverbrauchs einer Datenübertragung von der Quelle bis zum Endgerät: etwa 1,5 Kilowattstunden pro Gigabyte.
Die Ergebnisse, vor wenigen Monaten im Journal of Industrial Ecology veröffentlicht, beruhen allerdings auf Messungen aus dem Jahr 2010. Neuere Daten sind kaum zu bekommen – ein gravierendes Problem der Computerforscher, schließlich entwickelt sich die IT-Welt rasant weiter: Alle 18,8 Monate halbiert sich der Energiebedarf, der für einen Rechenschritt benötigt wird, so ein empirisches Gesetz, das der Stanford-Informatiker Jonathan Koomey vor einigen Jahren aufgestellt hat.
Die Besitzer von Rechenzentren unternehmen zudem große Anstrengungen, um den Betrieb ihrer Stromfresser sparsamer und umweltfreundlicher zu gestalten. Da heutzutage fast die Hälfte des Stroms zur Kühlung der Computer gebraucht wird, zieht es die Zentren in den eisigen Norden. Google und Microsoft lassen in Finnland rechnen, zum Teil gekühlt mit Wasser aus der Ostsee. Facebook betreibt ein Datenzentrum in Schweden. Und Island buhlt mit seinen kühlen Temperaturen und dem umweltfreundlichen Strom aus Erdwärme weltweit um Datenpakete.
Für Malmodin sind die Rechenzentren aber ohnehin nicht die größten Stromfresser. Das Hauptproblem steht zu Hause unterm Schreibtisch: „Die Komponenten in direkter Umgebung der Nutzer haben den größten Einfluss“, sagt der Informatiker. Ein klassischer PC, von denen Malmodin 400 Stück in schwedischen Haushalten untersucht hat, verbraucht demnach 220 Kilowattstunden pro Jahr. Berücksichtigt man den Energiebedarf bei Herstellung und Transport des Computers, ergibt sich ein Kohlendioxid-Ausstoß von mehr als 100 Kilogramm pro Gerät und Jahr. Damit ist der PC für mehr als die Hälfte des klimaschädlichen Fußabdrucks bei der Datenübertragung eines Downloads verantwortlich.
Doch auch hier ist Linderung in Sicht: PCs gelten – zumindest abseits vom Büro-Alltag – als Auslaufmodelle. Im Internet gesurft und bestellt wird zunehmend über Tablets und Smartphones. Hier sehen die Zahlen, die Malmodin ermittelt hat, deutlich besser aus: Ein typisches Handy verbraucht zum Beispiel nur 2,7 Kilowattstunden pro Jahr und belastet die Umwelt mit 24 Kilogramm Kohlendioxid.
Mindestens genauso wichtig wie die Technik ist allerdings das Verhalten der Menschen, so die Erkenntnis von Kieren Mayers: Fahren die Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Computerladen und kaufen unterwegs noch im Supermarkt ein, erhöht sich der Umweltvorteil von Programmen auf physischen Datenträgern um ein weiteres Drittel. Steigen die Fans dagegen allein wegen eines neuen Spiels ins Auto und fahren zum Geschäft, könnten sie die Programme auch herunterladen – ganz egal wie groß sie sind.
Dass sich an diesem Verhalten etwas ändern wird, daran hat Mayers große Zweifel: „Die Kohlendioxid-Emissionen bei Herstellung und Vertrieb werden nicht als wichtige Gründe angesehen, die Kunden beim Kauf von Elektronik oder digitalen Medien beeinflussen könnten“, sagt der Forscher. Allen Berechnungen, Abwägungen und Mühen zum Trotz.
Und er ist zu einem überraschenden Schluss gekommen. Mayers, Informatiker an der privaten Insead Business School im französischen Fontainebleau, ist überzeugt, dass es fürs Klima günstiger ist, wenn Besitzer von Spielekonsolen ihre neuen Programme nicht herunterladen, sondern ganz altmodisch im Geschäft kaufen – zumindest solange die Spiele nicht kleiner sind als 1,3 Gigabyte. Dann belasten der Download und der damit verbundene Stromverbrauch die Umwelt mit bis zu 27,5Kilogramm des Klimagases Kohlendioxid, während der Kauf im Laden lediglich 20,8 Kilogramm CO₂ verschlingt.
Das neue U2-Album: Herunterladen oder im Laden kaufen?
Kieren Mayers trifft mit seiner Studie, veröffentlicht im Fachblatt Journal of Industrial Ecology, einen Nerv. Private Daten liegen – wenn sie nicht von Hackern veröffentlicht werden – zunehmend in der „Cloud“, einem Speicher in fernen Datenzentren. Musik wird fast nur noch digital verbreitet; sie wird entweder online gekauft oder über eine Flatrate auf Computer und Smartphones übertragen. Auch Bücher, Zeitungen und Zeitschriften sind längst nicht mehr nur auf Papier zu haben.
Wie sich die Digitalisierung und die damit verbundenen Datenberge, auf Stromverbrauch, CO₂-Ausstoß und Klima auswirken, ist zu einem großen Problem der modernen Welt geworden. Mayers’ Studie ist hier ein weiteres Mosaiksteinchen. Seine Untersuchung, so sorgfältig sie ausgeführt wurde, zeigt aber auch, wie schwer es ist, die Folgen der Datenflut zu quantifizieren: Einschränkungen, Annahmen, Interpretationen nehmen fast die Hälfte der 14-seitigen Studie ein.
Das beginnt bei der zentralen Frage, wie viel Strom die Datenzentren brauchen, wenn sie Informationen speichern und im weltweiten Netz verteilen. Viel und immer mehr, wäre die einfache, unwissenschaftliche Antwort: Mehr als zehn Prozent des deutschen Stromverbrauchs fließen derzeit in den Informations- und Kommunikationssektor, ergeben Berechnungen von Fraunhofer-Forschern. Bis zum Jahr 2020 soll der Wert auf 20 Prozent steigen. Etwa 33Millionen Tonnen Kohlendioxid blasen Computer & Co. jährlich in die Luft, so das Umweltbundesamt – mehr als der Flugverkehr in Deutschland.
Streng wissenschaftlich ist die Frage nach dem Verbrauch der einzelnen Bits und Bytes viel schwerer zu beantworten. Die meisten Datenzentren werden von privaten Firmen betrieben. Informationen zu Datendurchsatz und Stromverbrauch bleiben unter Verschluss. Zwar behauptet Google, 100 Suchanfragen würden nur so viel Strom verbrauchen wie das Bügeln eines Hemdes – und von einmal Wäschewaschen könne man drei Wochen Videos bei Youtube anschauen. Welche Faktoren dabei berücksichtigt werden, bleibt aber das Geheimnis des Internetkonzerns.
Einfach nur den Stromverbrauch durch die verschickte Datenmenge zu teilen, hilft ohnehin nicht weiter: Viele Zentren schubsen nicht nur Informationen ins Internet, sie beschäftigen sich auch mit energieintensiven Berechnungen – zum Beispiel für die Finanzbranche. Jens Malmodin vom Ericsson-Forschungszentrum in Stockholm hat sich deshalb die Verbrauchswerte von sieben großen Rechenzentren, 15 Bürogebäuden und 58 Geschäften beschafft und mit Datenblättern von 100000 Komponenten in Computern, Netzwerken, Modems und Handys verglichen. Herausgekommen ist die bislang beste Abschätzung des Stromverbrauchs einer Datenübertragung von der Quelle bis zum Endgerät: etwa 1,5 Kilowattstunden pro Gigabyte.
Die Ergebnisse, vor wenigen Monaten im Journal of Industrial Ecology veröffentlicht, beruhen allerdings auf Messungen aus dem Jahr 2010. Neuere Daten sind kaum zu bekommen – ein gravierendes Problem der Computerforscher, schließlich entwickelt sich die IT-Welt rasant weiter: Alle 18,8 Monate halbiert sich der Energiebedarf, der für einen Rechenschritt benötigt wird, so ein empirisches Gesetz, das der Stanford-Informatiker Jonathan Koomey vor einigen Jahren aufgestellt hat.
Die Besitzer von Rechenzentren unternehmen zudem große Anstrengungen, um den Betrieb ihrer Stromfresser sparsamer und umweltfreundlicher zu gestalten. Da heutzutage fast die Hälfte des Stroms zur Kühlung der Computer gebraucht wird, zieht es die Zentren in den eisigen Norden. Google und Microsoft lassen in Finnland rechnen, zum Teil gekühlt mit Wasser aus der Ostsee. Facebook betreibt ein Datenzentrum in Schweden. Und Island buhlt mit seinen kühlen Temperaturen und dem umweltfreundlichen Strom aus Erdwärme weltweit um Datenpakete.
Für Malmodin sind die Rechenzentren aber ohnehin nicht die größten Stromfresser. Das Hauptproblem steht zu Hause unterm Schreibtisch: „Die Komponenten in direkter Umgebung der Nutzer haben den größten Einfluss“, sagt der Informatiker. Ein klassischer PC, von denen Malmodin 400 Stück in schwedischen Haushalten untersucht hat, verbraucht demnach 220 Kilowattstunden pro Jahr. Berücksichtigt man den Energiebedarf bei Herstellung und Transport des Computers, ergibt sich ein Kohlendioxid-Ausstoß von mehr als 100 Kilogramm pro Gerät und Jahr. Damit ist der PC für mehr als die Hälfte des klimaschädlichen Fußabdrucks bei der Datenübertragung eines Downloads verantwortlich.
Doch auch hier ist Linderung in Sicht: PCs gelten – zumindest abseits vom Büro-Alltag – als Auslaufmodelle. Im Internet gesurft und bestellt wird zunehmend über Tablets und Smartphones. Hier sehen die Zahlen, die Malmodin ermittelt hat, deutlich besser aus: Ein typisches Handy verbraucht zum Beispiel nur 2,7 Kilowattstunden pro Jahr und belastet die Umwelt mit 24 Kilogramm Kohlendioxid.
Mindestens genauso wichtig wie die Technik ist allerdings das Verhalten der Menschen, so die Erkenntnis von Kieren Mayers: Fahren die Kunden mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Computerladen und kaufen unterwegs noch im Supermarkt ein, erhöht sich der Umweltvorteil von Programmen auf physischen Datenträgern um ein weiteres Drittel. Steigen die Fans dagegen allein wegen eines neuen Spiels ins Auto und fahren zum Geschäft, könnten sie die Programme auch herunterladen – ganz egal wie groß sie sind.
Dass sich an diesem Verhalten etwas ändern wird, daran hat Mayers große Zweifel: „Die Kohlendioxid-Emissionen bei Herstellung und Vertrieb werden nicht als wichtige Gründe angesehen, die Kunden beim Kauf von Elektronik oder digitalen Medien beeinflussen könnten“, sagt der Forscher. Allen Berechnungen, Abwägungen und Mühen zum Trotz.