Was wären Personaler ohne Internet! Vor der Einstellung liefern Online-Recherchen wichtige Argumente für oder gegen das Engagement eines Bewerbers; nach der Einstellung kann man sie hervorragend nutzen, um in Ungnade gefallene Mitarbeiter wieder loszuwerden. Große Mühen sind dafür meist nicht erforderlich. Vielfach liefern die Betreffenden das belastende Material sogar selbst – per Post auf Facebook oder Twitter.
Laut jüngsten Zahlen des Hightech-Verbands Bitkom sind inzwischen vier von fünf Internetnutzern in Deutschland in einem sozialen Netzwerk angemeldet, zwei Drittel nutzen es aktiv – oft auch während der Arbeitszeit. Das kostet die Wirtschaft nicht nur horrende Summen: Es beschert Juristen auch viel Extra-Arbeit. „Die Gerichte müssen sich immer öfter mit Kündigungen wegen der Social-Media-Aktivitäten eines Arbeitnehmers beschäftigen“, sagt Markus Kappenhagen, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Jones Day in Düsseldorf.
Verboten ist, was nicht erlaubt ist
Kritische Äußerungen über den Arbeitgeber bei Facebook sind gefährlich.
Im Wesentlichen geht es um zwei große Problembereiche. Erstens: Wer im Job regelmäßig seine Timeline checkt, twittert und auf Facebook surft, versüßt sich so zwar die Stunden im Büro. „Aus juristischer Sicht begeht er aber einen Arbeitszeitbetrug – und zwar selbst dann, wenn die private Internetnutzung im Betrieb erlaubt ist“, warnt Christian Ley, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Keller Menz Rechtsanwälte in München. Hat der Chef privates Surfen untersagt, verstoßen Arbeitnehmer durch den Besuch von sozialen Netzwerken sogar noch gegen weitere arbeitsvertragliche Pflichten.
Die Rechtslage ist in beiden Fällen relativ klar: „Der Arbeitgeber kann solches Fehlverhalten mit einer Abmahnung oder, sollten sich die Verstöße häufen, mit einer Kündigung ahnden“, so Ley.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit
Schwieriger zu lösen sind Probleme im Themenkomplex zwei. Hier geht es um Inhalte. Vor allem eine Frage beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder: Wie viel Kritik müssen sich Arbeitgeber im Netz gefallen lassen? Eine einheitliche Linie der Gerichte sucht man hier vergebens. „Entscheidend ist zum einen, wie unflätig oder sachlich die kritischen Anmerkungen vorgebracht werden“, so Anwalt Ley. „Andererseits prüfen die Gerichte auch, inwieweit die Äußerung vertraulichen oder öffentlichen Charakter hat.“ Das erste höchstrichterliche Urteil zu diesem Thema belegt, wie schwierig diese Abwägung im Einzelfall sein kann.
Ein Arbeitnehmer war entlassen worden, weil er sich während eines Gewerkschaftstreffens in einem später auf Youtube veröffentlichten Video folgendermaßen geäußert hatte: „Wir haben Probleme mit den Arbeitszeiten, mit Urlaubszeiten, mit Pausenzeiten. (…) Viele Sicherheitsvorkehrungen fehlen an einzelnen Maschinen. (…) Das Problem ist, dass keine Fachkräfte vorhanden sind (…).“
Den Tatsachen entsprachen diese Aussagen nicht. Doch während die Vorinstanzen die Kündigung des Mannes wegen wahrheitswidriger geschäftsschädigender Äußerungen bestätigten, kassiert das Bundesarbeitsgericht den Rauswurf (Az.: 2 AZR 505/13). Argument: Die Erklärungen hätten nur verdeutlichen sollen, weshalb der Mann sich für die Bildung eines Betriebsrats stark machte. Er habe aber nicht behaupten wollen, das Unternehmen beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte. Noch liegt die schriftliche Urteilsbegründung nicht vor. Die Fachwelt staunt aber schon jetzt. Anwalt Kappenhagen: „Die Entscheidung überrascht, da die von dem Arbeitnehmer verbreiteten Informationen offenbar falsch waren und er das auch wissen musste.“
Zwei Juristen – drei Meinungen
Andernorts greifen Richter härter durch. Zum Beispiel im Fall eines 26-jährigen Auszubildenden. Der hatte seinen Chef im Netz einen „Menschenschinder & Ausbeuter“ genannt und die eigene Tätigkeit mit den Worten „dämliche Scheiße“ für „Mindestlohn minus 20 Prozent “ beschrieben. Das Landesarbeitsgericht Hamm billigte seine außerordentliche Kündigung – auch, weil der Arbeitgeber aufgrund des Eintrags eindeutig identifizierbar war (Az: 3 Sa 644/12).
Gnädiger wiederum: das Arbeitsgericht Duisburg im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Kollegen im Netz als „Klugscheißer“ bezeichnete und deren angebliches Fehlverhalten auf „schlechten Sex“ zurückführte (Az. 5 Ca 949/12). Die Aussagen seien zwar „despektierlich“, rechtfertigten aber keinen fristlosen Rauswurf, so das Gericht. Es betonte jedoch: Weil der Beitrag bei Facebook nicht nur Freunden, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich war, stellte er „eine Verkörperung der beleidigenden Äußerung dar“, die für andere immer wieder nachzulesen ist und somit nachhaltig in Rechte der Betroffenen eingreift.
Das Netz vergisst nichts
„Diese Verstetigungsfunktion führt dazu, dass überspitzte Kritik im Netz oft weit reichendere arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigt als vergleichbare mündliche Äußerungen“, erläutert Anwalt Kappenhagen. Auch die Tatsache, dass sich Informationen im Netz oft unkontrolliert verbreiten, werde häufig zulasten der Arbeitnehmer ausgelegt. Selbst wer nur im Kreis seiner Facebook-Freunde Dampf ablässt, ist nicht immer auf der sicheren Seite. „Zwar dürfen Arbeitnehmer – ähnlich wie bei privaten Gesprächen – auch im Netz darauf vertrauen, dass Aussagen im kleinen Kreis nicht gegen sie verwendet werden“, so der Jurist. Das gelte etwa, wenn die kritischen Äußerungen in einer kleinen, geschlossenen Gruppe gepostet oder nur engen Freunden zugänglich gemacht würden. „In einem größeren Verteiler oder öffentlich geäußerte Schmähkritik kann hingegen online wie im realen Leben eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen“, warnt Kappenhagen.
Entsprechend billigte das Arbeitsgericht Hagen die Kündigung eines Kaltwalzers, der seinen Chef auf seiner Pinnwand nicht nur als „Doofmann“ bezeichnet, sondern auch hatte verlauten lassen, dass das „faule Schwein noch nie gearbeitet hat in seinem Scheißleben". Der Post war für alle Freunde des Mannes – darunter 36 Kollegen – und deren Freunde einzusehen. Das Gericht sah die Äußerung deshalb als eine „quasi betriebsöffentliche“ Kritik an, die den Arbeitgeber „grob beleidigte“. Zumindest eine ordentliche Kündigung sei folglich gerechtfertigt (Az. 3 Ca 2597/11 ).
Wenn Gefallen Missfallen erregt
In Gefahr begibt sich überdies, wer zwar selbst nichts postet, aber per „Like“ oder „Favorisierung“ Zustimmung zu einem despektierlichen Beitrag signalisiert. Diese Erfahrung machte auch eine Mitarbeiterin der Sparkasse Wittenberg. Deren Mann hatte auf seiner Pinnwand kundgetan: „Habe mein Sparkassenschwein Thomas und Ralf getauft. Eines Tages stehen alle Schweine vor dem Metzger.“ Dazu lud der Gatte ein selbst kreiertes, zu einem Fisch umgearbeitetes Sparkassen-Logo hoch und kommentierte: „Der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an“.
Die Facebook-Seite Mannes war für 155 Freunde sichtbar, viele davon Mitarbeiter und Kunden der Bank. Als die Vorstände (mit Vornamen Thomas und Ralf) den Beitrag lasen, stellten sie fest, dass offenbar auch die besagte Mitarbeiterin den Beitrag mit einem „Gefällt mir“ geadelt hatte. Sie kündigten fristlos.
Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau kassierte den Rauswurf zwar (Az.: 1 Ca 148/11). Ihren Posten ist die Dame dennoch los. In der zweiten Instanz einigten sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag.
Laut jüngsten Zahlen des Hightech-Verbands Bitkom sind inzwischen vier von fünf Internetnutzern in Deutschland in einem sozialen Netzwerk angemeldet, zwei Drittel nutzen es aktiv – oft auch während der Arbeitszeit. Das kostet die Wirtschaft nicht nur horrende Summen: Es beschert Juristen auch viel Extra-Arbeit. „Die Gerichte müssen sich immer öfter mit Kündigungen wegen der Social-Media-Aktivitäten eines Arbeitnehmers beschäftigen“, sagt Markus Kappenhagen, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Jones Day in Düsseldorf.
Verboten ist, was nicht erlaubt ist
Kritische Äußerungen über den Arbeitgeber bei Facebook sind gefährlich.
Im Wesentlichen geht es um zwei große Problembereiche. Erstens: Wer im Job regelmäßig seine Timeline checkt, twittert und auf Facebook surft, versüßt sich so zwar die Stunden im Büro. „Aus juristischer Sicht begeht er aber einen Arbeitszeitbetrug – und zwar selbst dann, wenn die private Internetnutzung im Betrieb erlaubt ist“, warnt Christian Ley, Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Keller Menz Rechtsanwälte in München. Hat der Chef privates Surfen untersagt, verstoßen Arbeitnehmer durch den Besuch von sozialen Netzwerken sogar noch gegen weitere arbeitsvertragliche Pflichten.
Die Rechtslage ist in beiden Fällen relativ klar: „Der Arbeitgeber kann solches Fehlverhalten mit einer Abmahnung oder, sollten sich die Verstöße häufen, mit einer Kündigung ahnden“, so Ley.
Die Grenzen der Meinungsfreiheit
Schwieriger zu lösen sind Probleme im Themenkomplex zwei. Hier geht es um Inhalte. Vor allem eine Frage beschäftigt die Rechtsprechung immer wieder: Wie viel Kritik müssen sich Arbeitgeber im Netz gefallen lassen? Eine einheitliche Linie der Gerichte sucht man hier vergebens. „Entscheidend ist zum einen, wie unflätig oder sachlich die kritischen Anmerkungen vorgebracht werden“, so Anwalt Ley. „Andererseits prüfen die Gerichte auch, inwieweit die Äußerung vertraulichen oder öffentlichen Charakter hat.“ Das erste höchstrichterliche Urteil zu diesem Thema belegt, wie schwierig diese Abwägung im Einzelfall sein kann.
Ein Arbeitnehmer war entlassen worden, weil er sich während eines Gewerkschaftstreffens in einem später auf Youtube veröffentlichten Video folgendermaßen geäußert hatte: „Wir haben Probleme mit den Arbeitszeiten, mit Urlaubszeiten, mit Pausenzeiten. (…) Viele Sicherheitsvorkehrungen fehlen an einzelnen Maschinen. (…) Das Problem ist, dass keine Fachkräfte vorhanden sind (…).“
Den Tatsachen entsprachen diese Aussagen nicht. Doch während die Vorinstanzen die Kündigung des Mannes wegen wahrheitswidriger geschäftsschädigender Äußerungen bestätigten, kassiert das Bundesarbeitsgericht den Rauswurf (Az.: 2 AZR 505/13). Argument: Die Erklärungen hätten nur verdeutlichen sollen, weshalb der Mann sich für die Bildung eines Betriebsrats stark machte. Er habe aber nicht behaupten wollen, das Unternehmen beschäftige überwiegend ungelernte Kräfte. Noch liegt die schriftliche Urteilsbegründung nicht vor. Die Fachwelt staunt aber schon jetzt. Anwalt Kappenhagen: „Die Entscheidung überrascht, da die von dem Arbeitnehmer verbreiteten Informationen offenbar falsch waren und er das auch wissen musste.“
Zwei Juristen – drei Meinungen
Andernorts greifen Richter härter durch. Zum Beispiel im Fall eines 26-jährigen Auszubildenden. Der hatte seinen Chef im Netz einen „Menschenschinder & Ausbeuter“ genannt und die eigene Tätigkeit mit den Worten „dämliche Scheiße“ für „Mindestlohn minus 20 Prozent “ beschrieben. Das Landesarbeitsgericht Hamm billigte seine außerordentliche Kündigung – auch, weil der Arbeitgeber aufgrund des Eintrags eindeutig identifizierbar war (Az: 3 Sa 644/12).
Gnädiger wiederum: das Arbeitsgericht Duisburg im Fall eines Arbeitnehmers, der seine Kollegen im Netz als „Klugscheißer“ bezeichnete und deren angebliches Fehlverhalten auf „schlechten Sex“ zurückführte (Az. 5 Ca 949/12). Die Aussagen seien zwar „despektierlich“, rechtfertigten aber keinen fristlosen Rauswurf, so das Gericht. Es betonte jedoch: Weil der Beitrag bei Facebook nicht nur Freunden, sondern der gesamten Öffentlichkeit zugänglich war, stellte er „eine Verkörperung der beleidigenden Äußerung dar“, die für andere immer wieder nachzulesen ist und somit nachhaltig in Rechte der Betroffenen eingreift.
Das Netz vergisst nichts
„Diese Verstetigungsfunktion führt dazu, dass überspitzte Kritik im Netz oft weit reichendere arbeitsrechtliche Maßnahmen rechtfertigt als vergleichbare mündliche Äußerungen“, erläutert Anwalt Kappenhagen. Auch die Tatsache, dass sich Informationen im Netz oft unkontrolliert verbreiten, werde häufig zulasten der Arbeitnehmer ausgelegt. Selbst wer nur im Kreis seiner Facebook-Freunde Dampf ablässt, ist nicht immer auf der sicheren Seite. „Zwar dürfen Arbeitnehmer – ähnlich wie bei privaten Gesprächen – auch im Netz darauf vertrauen, dass Aussagen im kleinen Kreis nicht gegen sie verwendet werden“, so der Jurist. Das gelte etwa, wenn die kritischen Äußerungen in einer kleinen, geschlossenen Gruppe gepostet oder nur engen Freunden zugänglich gemacht würden. „In einem größeren Verteiler oder öffentlich geäußerte Schmähkritik kann hingegen online wie im realen Leben eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen“, warnt Kappenhagen.
Entsprechend billigte das Arbeitsgericht Hagen die Kündigung eines Kaltwalzers, der seinen Chef auf seiner Pinnwand nicht nur als „Doofmann“ bezeichnet, sondern auch hatte verlauten lassen, dass das „faule Schwein noch nie gearbeitet hat in seinem Scheißleben". Der Post war für alle Freunde des Mannes – darunter 36 Kollegen – und deren Freunde einzusehen. Das Gericht sah die Äußerung deshalb als eine „quasi betriebsöffentliche“ Kritik an, die den Arbeitgeber „grob beleidigte“. Zumindest eine ordentliche Kündigung sei folglich gerechtfertigt (Az. 3 Ca 2597/11 ).
Wenn Gefallen Missfallen erregt
In Gefahr begibt sich überdies, wer zwar selbst nichts postet, aber per „Like“ oder „Favorisierung“ Zustimmung zu einem despektierlichen Beitrag signalisiert. Diese Erfahrung machte auch eine Mitarbeiterin der Sparkasse Wittenberg. Deren Mann hatte auf seiner Pinnwand kundgetan: „Habe mein Sparkassenschwein Thomas und Ralf getauft. Eines Tages stehen alle Schweine vor dem Metzger.“ Dazu lud der Gatte ein selbst kreiertes, zu einem Fisch umgearbeitetes Sparkassen-Logo hoch und kommentierte: „Der Fisch fängt immer am Kopf zu stinken an“.
Die Facebook-Seite Mannes war für 155 Freunde sichtbar, viele davon Mitarbeiter und Kunden der Bank. Als die Vorstände (mit Vornamen Thomas und Ralf) den Beitrag lasen, stellten sie fest, dass offenbar auch die besagte Mitarbeiterin den Beitrag mit einem „Gefällt mir“ geadelt hatte. Sie kündigten fristlos.
Das Arbeitsgericht Dessau-Roßlau kassierte den Rauswurf zwar (Az.: 1 Ca 148/11). Ihren Posten ist die Dame dennoch los. In der zweiten Instanz einigten sich die Parteien auf einen Aufhebungsvertrag.