Wir haben einen Ort gesucht, an dem die geforderte Frauenquote schon heute übererfüllt ist. Und wir haben ihn gefunden: Frauenzeitschriften.
Bei all den neuen Topfrisuren, 'süßen Schuhen' und '101 Tipps, wie Sie ihn ins Bett kriegen' ist es schwer zu glauben, aber: Die Gründerin der ersten Frauenzeitschrift war eine Feministin und Schriftstellerin. Die Engländerin Eliza Haywood, die im Jahre 1744 The Female Spectator ins Leben rief; Jane Austen war da noch nicht einmal geboren.
Das monatliche Journal schlug ein wie eine Bombe, denn Haywood gab den Frauen endlich eine Stimme: Im Spectator konnten sich die Leserinnen - anonymisiert - austauschen über Fragen der ehelichen Moral und der weiblichen Lebensführung. So wurde der Spectator ein Ratgeber zum Überleben im patriarchalischen System. In Deutschland setzte die Frauenrechtlerin Clara Zetkin noch einen drauf: 1891 rief sie Die Arbeiterin ins Leben, die sie alsbald in Die Gleichheit umtaufte, und in der sie sich für das Frauenwahlrecht und den Wert weiblicher Erwerbstätigkeit einsetzte. Es hat also kämpferisch angefangen mit den Frauenzeitschriften. Und heute?
Im Westen nichts neues: Frauenzeitschriften setzen bei ihren Inhalten gerne auf Klischees
Ein Blick in den nächsten Kiosk. Rund 120 Jahre nach der Arbeiterin ächzen die Regale unter der Masse an Frauenblättern. Brigitte, Petra, Grazia, rund 100 gibt es mittlerweile in Deutschland, immer neue werden in den Markt gedrückt, immer ein klein wenig anders, aber doch nach ähnlichem Strickmuster. Gekämpft wird immer noch, allerdings um Leserinnen, die wiederum hauptberuflich gegen Cellulitis und Tränensäcke zu kämpfen scheinen.
Kurze Zwischenfrage: Wo sind eigentlich die vielen Männerhefte? Kurze Verlagsmanagerantwort: 'Männer denken viel seltener über sich selbst nach als Frauen, hinterfragen weniger ihr Leben mit Familie, Beruf und Hobbys.'
Aha: Offensichtlich haben Frauen nach wie vor Sehnsucht nach einem 'Wir'-Gefühl. Und wollen sich regelmäßig austauschen über ihr Leben, über die Partnerschaft, über Kindererziehung, über Erfahrungen im Beruf - kurz: über weibliche Lebensumstände. Dafür ist in anderen Medien kein oder nur sehr wenig Platz.
Schließt man von Magazinen zurück auf die Leserinnen, wird"s etwas sonderbar, denn demnach lauten die Hoheitsgebiete der Frauen heute: Backen und Kochen. Mode und Styling. Pflegen und Cremen. Sex. Klatsch und Kultur. Berufliche Orientierung ('Karriere') und das Leben anderer Frauen ('Schicksal') machen im Verhältnis dazu den geringeren Anteil aus.
Ist doch komisch: Da kämpfen wir Frauen engagiert für eine Beteiligung in der Wirtschaft und in den Medien, da finden Unternehmensberater heraus, dass Frauen an der Firmenspitze die Bilanzen verbessern, und da machen Mädchen schon in Schulen bessere Abschlüsse als Männer - und da wollen wir Frauen am liebsten über Frisuren und Martinsgänse lesen?
Zumal: Eine typische Frauenzeitungsredaktion ist fast wie eine Art Feldstudie, wie ein Mikrokosmos, in dem die Frauenquote bereits eingeführt wurde, und zwar mit positivem, topeffizientem Ergebnis, denn die meisten Frauenmagazine werden von Frauen geleitet und von Frauen gemacht. Wie kann es sein, dass daraus Geschichten resultieren, deren Coverlines lauten: 'Die 40+ Diät' oder: 'Cameron Diaz. Heimlich verliebt in den Mann ihrer Freundin?' - und eben nicht viel mehr?
Wechseln wir die Perspektive, von der Betrachterin zur Macherin. Die gerade eben zitierten Coverlines könnten nämlich auch von mir sein. Seit achtzehn Jahren arbeite ich für und an Frauenzeitschriften. Ich habe vier mitkonzipiert, auf den Markt gebracht und geleitet, ich finde meinen Job klasse - aber manchmal fühlt er sich widersprüchlich an. Ich mag Mode, weil sie etwas über den Zeitgeist verrät. Durch eine schön gestaltete Zeitschrift zu blättern, ist ein Genuss. Es ist interessant zu lesen, wie andere Frauen ihr Leben gestalten, wenn man selber seine Lebensgestaltung hin und wieder hinterfragt. Natürlich reiße auch ich manchmal Rezepte heraus und freue mich schon auf den Abend, an dem ich meine Freunde dazu einlade.
Dann wieder sind Frauenzeitschriften kalkulierte, kommerzielle Produkte. Ihre Themenabfolge und -mischung, Coverlines und das Model auf dem Titel, nichts wird dem Instinkt überlassen, und kein Verlag bringt heute mehr ein Heft aus Idealismus auf den Markt.
Die Themenmischung folgt einer ständig optimierten Erfolgsformel. Kaum ist ein Heft auf dem Markt, wird es schon analysiert. Noch krasser ist es in amerikanischen Zeitschriftenkonzernen: Da werden Hefte mithilfe der Marktforschung nach einem genau berechneten Baukastenprinzip zusammengesetzt. Jede einzelne Seite eines jeden Heftes wird bis hin zur Bildunterschrift mit den Verkaufzahlen korreliert, die Ergebnisse dann schnellstmöglich in der laufenden Heftproduktion umgesetzt.
Chefredakteurinnen stehen unter massivem Erfolgsdruck. In ihren Köpfen existiert eine Liste von Do"s & Dont"s, deren Basis Statistiken sein müssen. Meine Liste: Dunkelhaarige Models verkaufen sich schlechter als blonde (es sei denn, die Blonde sieht so aus, als nähme sie der Leserin den Mann weg, das löst Abwehrreflexe aus). Lockwörter sind erstens 'Schuhe', denn Frauen lieben Schuhe, weil ihre Füße keinen Gewichtsschwankungen unterliegen. Zweitens 'Frisuren', weil Frauen immer mit ihren Haaren unzufrieden sind, denn die verraten Laune und Alter. Und drittens 'Tipps und Tricks', weil das Herrschaftswissen signalisiert.
Ganz wichtig auf dem Cover: Alles, was einen geringen Zeitaufwand suggeriert, 'schnell', '3-Minuten-Menü' et cetera sowie überhaupt Zahlen, denn auch die suggerieren Extra-Information. Natürlich sollte das Covermodel ein positives Lebensgefühl ausstrahlen. Einerseits. Andererseits: Sie kann ruhig etwas 'entrückt' wirken, denn, so hat es mal ein Verleger formuliert: "Leserinnen wollen nicht in den Spiegel schauen. Sie möchten nicht auf ihre Probleme reduziert werden".
In einem Segment, in dem die Magazine aneinandergereiht verkauft werden (im Fachjargon 'Schuppung' genannt und der Grund, weshalb Coverlines vorwiegend links zu finden sind), ist der Konkurrenzdruck so stark, dass es riskant werden kann, besagte 'Do's & Don'ts' infrage zu stellen. Und inhaltlich prägend ist auch die Abhängigkeit von der Anzeigen-Industrie.
Es gab Versuche, Hefte unkonventionell zu gestalten. Vor siebzehn Jahren zum Beispiel wurde Amica mit dem Versprechen gelauncht, 'gewiss keinen Cremetopf-Journalismus' bringen zu wollen, sondern '75 Prozent Reportagen'. Es dauerte nicht lang, da wurde die Entwicklungschefredakteurin gefeuert und Topf & Tiegel zu festen Bestandteilen des Heftes. Die Gesichtscreme mit 'Kaviar-Extrakt' macht sich halt doof neben einer Sozialreportage über alleinerziehende Mütter kurz vor der Hartz-IV-Grenze.
Auch die Industrie steht in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession unter Druck. Mittlerweile geht es ihr nicht nur um entsprechende redaktionelle 'Umfelder'. Die Kosmetikfirmen - und da sitzt das Geld - möchten ihre Produkte entsprechend im Heft präsentiert sehen. Agenturen beschäftigen Assistentinnen, die mit einem Zentimetermaß ausmessen, wie groß die Besprechung ausfällt. Je hochwertiger und lebensfroher das Umfeld, desto größer die Buchungswahrscheinlichkeit.
Es werden darüberhinaus keine Kosten und Mühen gescheut, den Redaktionen Stoff für eine Geschichte zu bieten, ganz nach dem Motto: Live dabei sein, wenn ein einzigartiger Creme-Inhaltsstoff aus einer seltenen Pflanze destilliert wird. Dass die Pflanze auf einer exotischen Badeinsel gedeiht, zu der man gerne hingeflogen wird, sorgt zusätzlich für Wohlwollen.
Fazit: Es kann gar kein authentisches weibliches Lebensgefühl sein, welches bei den heutigen Produktions- und Erfolgsbedingungen in Frauenmagazinen abgebildet wird. Es wird im Gegenteil eine recht konstruierte Wirklichkeit vermittelt.
Die 5 Ks - Kleidung, Kosmetik, Küche, Komfort und Kinder - sind schon seit der Constanze, der ersten Frauenzeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg, gesetzte Themenfelder. Der Moderne trägt nur ein weiteres K Rechnung: die Karriere. Es ist unglaublich, aber wahr: Frauenzeitschriften sind bis heute im Muff der 50er-Jahre gefangen. Und gleichzeitig hat man das Gefühl, dass man - wie gesagt, der Job ist widersprüchlich - in der Vergangenheit schon einmal weiter war, was Mut, Ideenreichtum und Engagement der Macher angeht.
Natürlich leben und empfinden Frauen heute viel komplexer, als es irgendeine Formel aufgreifen könnte. Frauenzeitschriften sind demnach auch keine echten Seismografen des weiblichen Lebensgefühls mehr - sie können es gar nicht sein.
Wer einmal, so ähnlich wie beim 'Tatort', in einem Marktforschungsinstitut hinter der Glasscheibe gesessen und Leserinnen bei der Gruppendiskussion beobachtet hat, weiß: Es gibt Zwischentöne. Allerdings werden sie durch Gruppendynamik und Meinungsführung gerne mal weggebügelt. Diese Umfragen fördern auch zutage, dass Leserinnen Neuem gegenüber aufgeschlossen sind (deshalb werden ja auch neue Zeitschriften gegründet). Und dass sie bei den Standardthemen Gähnanfälle bekommen. Sie registrieren sehr wohl, dass es am Kiosk Themenüberschneidungen gibt: Die alljährliche Sonnenkosmetik im März zum Beispiel, die 'Blitz-Diät' im Frühjahr, das 'Hautschutz-Special' und 'das Zuhause als Wohlfühl-Oase' im Winter, die Parfüm-Neuerscheinungen kurz vor Weihnachten.
Und parallel beginnt die alte Erfolgsformel zu schwächeln. Die Auflage von Frauenzeitschriften sinkt schon seit Jahren, ein paar Klassiker befinden sich sogar im Sinkflug. Leserinnen, im Fachjargon mittlerweile 'Wechselleserinnen' genannt, binden sich nicht mehr an nur ein Medium - schon weil sich die meisten zum Verwechseln ähnlich sehen. Zudem gibt es immer mehr Frauen, die Mode interessant finden, sich aber nichts aus 'Shopping' oder 'Beauty' machen, die das An- und Ausgeziehe in Umkleidekabinen nervt, denen die neuen It- Bags wurscht sind, weil sie sich eine Handtasche für 800 Euro vielleicht leisten könnten, aber gar nicht leisten wollen. Sie interessieren sich für ihr Aussehen, aber wüssten nicht, weshalb sie Minuten vor dem Spiegel damit verbringen sollten, an ihre Augenbrauen ein Lineal anzulegen, um den vermeintlich 'perfekten Schwung' nachzeichnen zu können.
Diese Frauen wollen keine Extrawurst. Sie lesen eher geschlechtsneutrale Zeitschriften, klassische Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen, vielleicht das Elternmagazin Nido. Und auch da waren wir in der Vergangenheit schon mal radikaler, eine der bemerkenswertesten dieser Unisex-Zeitschriften war Twen aus dem Jahr 1959. Die ersten Ausgaben waren noch verkappte Sex-Zeitschriften, später fragte Twen auf dem Cover: 'Heiraten - warum denn?' oder postulierte: 'Der Kochtopf macht die Frauen dumm!' Das ist vielleicht nicht richtig. Aber mutig. Twen stand für geistige Befreiung, Provokation und Ausbruch aus dem Mief der Ära Adenauer.
Oder erinnern wir uns an die Brigitte Ende der Achtziger. Ein Medium, das die Welt gestalten wollte. Ein aktives Heft. Legendär die Aktion 1976, die die verschwindend geringe Anzahl von knapp vierzig Frauen gegenüber knapp 500 Männern im Bundestag kritisierte. Oder die große Aktion 1988: 'Kind? Beruf? Oder beides!' Das war politisch, machte Meinung, beschrieb und bewegte die Gesellschaft.
Wie auch immer das 'authentische Lebensgefühl' der Frau von heute ist: Es wäre verschenkt, es einfach nur abzubilden. Eine Nabelschau, Gefühlsjournalismus, überflüssig. Dringlicher wäre zu überlegen, was dieses Leben bestimmt, erzeugt und katalysiert. Wir mögen das Design und die Mode in 'Mad Men' beschreiben und bejubeln - aber die Figuren des Schürzenjägers Don und seiner depressiven Ehefrau Betty Draper faszinieren uns auch deshalb so dunkel, weil sie noch nicht wissen, dass sie schon bald die Protagonisten einer sich komplett verändernden Gesellschaft sind. Wie werden wir in 50 Jahren auf unsere Gegenwart und unsere Rolle darin schauen? Ungläubig? Grinsend? Welche politischen, gesellschaftlichen Veränderungen - Betreuungsgeld, Frauenquote, demoskopischer Wandel - sind so übergreifend, können unser Leben und das der kommenden Generationen so drastisch und positiv verändern, dass es sich lohnt, jetzt und hier dafür zu kämpfen?
Manchmal erweitert auch ein Blick über den Gartenzaun den Horizont. Beim Schweizer Frauenmagazin Annabelle nämlich kann man sich abgucken, wie man mit relevanten Themen umgeht: Eben ganz simpel, indem man sie wie relevante Themen behandelt. Im vergangenen Oktober zierte ein altes Schwarz-Weiß-Foto das Cover (mehr Don"t geht nicht!). Es zeigte die sehr hochgeschlossene, übrigens brünette Gründerin des Magazins, das es bereits seit 1938 gibt. Die Titelzeile bestand aus zwei Titelzeilen (Don"t! Don"t!), und die lauteten: 'Manchmal braucht es nur eine Frau, um die Schweiz zu verändern. Manchmal 30 Prozent.' Geht es moderner?
Auf in den Kampf.
Bettina Wündrich war stellvertretende Chefredakteurin von 'ELLE', Gründerin und Chefredakteurin von 'Glamour', 'Vogue Business' oder 'Emotion'. Sie ist Beraterin für Entwicklungsprojekte bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen.
Bei all den neuen Topfrisuren, 'süßen Schuhen' und '101 Tipps, wie Sie ihn ins Bett kriegen' ist es schwer zu glauben, aber: Die Gründerin der ersten Frauenzeitschrift war eine Feministin und Schriftstellerin. Die Engländerin Eliza Haywood, die im Jahre 1744 The Female Spectator ins Leben rief; Jane Austen war da noch nicht einmal geboren.
Das monatliche Journal schlug ein wie eine Bombe, denn Haywood gab den Frauen endlich eine Stimme: Im Spectator konnten sich die Leserinnen - anonymisiert - austauschen über Fragen der ehelichen Moral und der weiblichen Lebensführung. So wurde der Spectator ein Ratgeber zum Überleben im patriarchalischen System. In Deutschland setzte die Frauenrechtlerin Clara Zetkin noch einen drauf: 1891 rief sie Die Arbeiterin ins Leben, die sie alsbald in Die Gleichheit umtaufte, und in der sie sich für das Frauenwahlrecht und den Wert weiblicher Erwerbstätigkeit einsetzte. Es hat also kämpferisch angefangen mit den Frauenzeitschriften. Und heute?
Im Westen nichts neues: Frauenzeitschriften setzen bei ihren Inhalten gerne auf Klischees
Ein Blick in den nächsten Kiosk. Rund 120 Jahre nach der Arbeiterin ächzen die Regale unter der Masse an Frauenblättern. Brigitte, Petra, Grazia, rund 100 gibt es mittlerweile in Deutschland, immer neue werden in den Markt gedrückt, immer ein klein wenig anders, aber doch nach ähnlichem Strickmuster. Gekämpft wird immer noch, allerdings um Leserinnen, die wiederum hauptberuflich gegen Cellulitis und Tränensäcke zu kämpfen scheinen.
Kurze Zwischenfrage: Wo sind eigentlich die vielen Männerhefte? Kurze Verlagsmanagerantwort: 'Männer denken viel seltener über sich selbst nach als Frauen, hinterfragen weniger ihr Leben mit Familie, Beruf und Hobbys.'
Aha: Offensichtlich haben Frauen nach wie vor Sehnsucht nach einem 'Wir'-Gefühl. Und wollen sich regelmäßig austauschen über ihr Leben, über die Partnerschaft, über Kindererziehung, über Erfahrungen im Beruf - kurz: über weibliche Lebensumstände. Dafür ist in anderen Medien kein oder nur sehr wenig Platz.
Schließt man von Magazinen zurück auf die Leserinnen, wird"s etwas sonderbar, denn demnach lauten die Hoheitsgebiete der Frauen heute: Backen und Kochen. Mode und Styling. Pflegen und Cremen. Sex. Klatsch und Kultur. Berufliche Orientierung ('Karriere') und das Leben anderer Frauen ('Schicksal') machen im Verhältnis dazu den geringeren Anteil aus.
Ist doch komisch: Da kämpfen wir Frauen engagiert für eine Beteiligung in der Wirtschaft und in den Medien, da finden Unternehmensberater heraus, dass Frauen an der Firmenspitze die Bilanzen verbessern, und da machen Mädchen schon in Schulen bessere Abschlüsse als Männer - und da wollen wir Frauen am liebsten über Frisuren und Martinsgänse lesen?
Zumal: Eine typische Frauenzeitungsredaktion ist fast wie eine Art Feldstudie, wie ein Mikrokosmos, in dem die Frauenquote bereits eingeführt wurde, und zwar mit positivem, topeffizientem Ergebnis, denn die meisten Frauenmagazine werden von Frauen geleitet und von Frauen gemacht. Wie kann es sein, dass daraus Geschichten resultieren, deren Coverlines lauten: 'Die 40+ Diät' oder: 'Cameron Diaz. Heimlich verliebt in den Mann ihrer Freundin?' - und eben nicht viel mehr?
Wechseln wir die Perspektive, von der Betrachterin zur Macherin. Die gerade eben zitierten Coverlines könnten nämlich auch von mir sein. Seit achtzehn Jahren arbeite ich für und an Frauenzeitschriften. Ich habe vier mitkonzipiert, auf den Markt gebracht und geleitet, ich finde meinen Job klasse - aber manchmal fühlt er sich widersprüchlich an. Ich mag Mode, weil sie etwas über den Zeitgeist verrät. Durch eine schön gestaltete Zeitschrift zu blättern, ist ein Genuss. Es ist interessant zu lesen, wie andere Frauen ihr Leben gestalten, wenn man selber seine Lebensgestaltung hin und wieder hinterfragt. Natürlich reiße auch ich manchmal Rezepte heraus und freue mich schon auf den Abend, an dem ich meine Freunde dazu einlade.
Dann wieder sind Frauenzeitschriften kalkulierte, kommerzielle Produkte. Ihre Themenabfolge und -mischung, Coverlines und das Model auf dem Titel, nichts wird dem Instinkt überlassen, und kein Verlag bringt heute mehr ein Heft aus Idealismus auf den Markt.
Die Themenmischung folgt einer ständig optimierten Erfolgsformel. Kaum ist ein Heft auf dem Markt, wird es schon analysiert. Noch krasser ist es in amerikanischen Zeitschriftenkonzernen: Da werden Hefte mithilfe der Marktforschung nach einem genau berechneten Baukastenprinzip zusammengesetzt. Jede einzelne Seite eines jeden Heftes wird bis hin zur Bildunterschrift mit den Verkaufzahlen korreliert, die Ergebnisse dann schnellstmöglich in der laufenden Heftproduktion umgesetzt.
Chefredakteurinnen stehen unter massivem Erfolgsdruck. In ihren Köpfen existiert eine Liste von Do"s & Dont"s, deren Basis Statistiken sein müssen. Meine Liste: Dunkelhaarige Models verkaufen sich schlechter als blonde (es sei denn, die Blonde sieht so aus, als nähme sie der Leserin den Mann weg, das löst Abwehrreflexe aus). Lockwörter sind erstens 'Schuhe', denn Frauen lieben Schuhe, weil ihre Füße keinen Gewichtsschwankungen unterliegen. Zweitens 'Frisuren', weil Frauen immer mit ihren Haaren unzufrieden sind, denn die verraten Laune und Alter. Und drittens 'Tipps und Tricks', weil das Herrschaftswissen signalisiert.
Ganz wichtig auf dem Cover: Alles, was einen geringen Zeitaufwand suggeriert, 'schnell', '3-Minuten-Menü' et cetera sowie überhaupt Zahlen, denn auch die suggerieren Extra-Information. Natürlich sollte das Covermodel ein positives Lebensgefühl ausstrahlen. Einerseits. Andererseits: Sie kann ruhig etwas 'entrückt' wirken, denn, so hat es mal ein Verleger formuliert: "Leserinnen wollen nicht in den Spiegel schauen. Sie möchten nicht auf ihre Probleme reduziert werden".
In einem Segment, in dem die Magazine aneinandergereiht verkauft werden (im Fachjargon 'Schuppung' genannt und der Grund, weshalb Coverlines vorwiegend links zu finden sind), ist der Konkurrenzdruck so stark, dass es riskant werden kann, besagte 'Do's & Don'ts' infrage zu stellen. Und inhaltlich prägend ist auch die Abhängigkeit von der Anzeigen-Industrie.
Es gab Versuche, Hefte unkonventionell zu gestalten. Vor siebzehn Jahren zum Beispiel wurde Amica mit dem Versprechen gelauncht, 'gewiss keinen Cremetopf-Journalismus' bringen zu wollen, sondern '75 Prozent Reportagen'. Es dauerte nicht lang, da wurde die Entwicklungschefredakteurin gefeuert und Topf & Tiegel zu festen Bestandteilen des Heftes. Die Gesichtscreme mit 'Kaviar-Extrakt' macht sich halt doof neben einer Sozialreportage über alleinerziehende Mütter kurz vor der Hartz-IV-Grenze.
Auch die Industrie steht in Zeiten der wirtschaftlichen Rezession unter Druck. Mittlerweile geht es ihr nicht nur um entsprechende redaktionelle 'Umfelder'. Die Kosmetikfirmen - und da sitzt das Geld - möchten ihre Produkte entsprechend im Heft präsentiert sehen. Agenturen beschäftigen Assistentinnen, die mit einem Zentimetermaß ausmessen, wie groß die Besprechung ausfällt. Je hochwertiger und lebensfroher das Umfeld, desto größer die Buchungswahrscheinlichkeit.
Es werden darüberhinaus keine Kosten und Mühen gescheut, den Redaktionen Stoff für eine Geschichte zu bieten, ganz nach dem Motto: Live dabei sein, wenn ein einzigartiger Creme-Inhaltsstoff aus einer seltenen Pflanze destilliert wird. Dass die Pflanze auf einer exotischen Badeinsel gedeiht, zu der man gerne hingeflogen wird, sorgt zusätzlich für Wohlwollen.
Fazit: Es kann gar kein authentisches weibliches Lebensgefühl sein, welches bei den heutigen Produktions- und Erfolgsbedingungen in Frauenmagazinen abgebildet wird. Es wird im Gegenteil eine recht konstruierte Wirklichkeit vermittelt.
Die 5 Ks - Kleidung, Kosmetik, Küche, Komfort und Kinder - sind schon seit der Constanze, der ersten Frauenzeitschrift nach dem Zweiten Weltkrieg, gesetzte Themenfelder. Der Moderne trägt nur ein weiteres K Rechnung: die Karriere. Es ist unglaublich, aber wahr: Frauenzeitschriften sind bis heute im Muff der 50er-Jahre gefangen. Und gleichzeitig hat man das Gefühl, dass man - wie gesagt, der Job ist widersprüchlich - in der Vergangenheit schon einmal weiter war, was Mut, Ideenreichtum und Engagement der Macher angeht.
Natürlich leben und empfinden Frauen heute viel komplexer, als es irgendeine Formel aufgreifen könnte. Frauenzeitschriften sind demnach auch keine echten Seismografen des weiblichen Lebensgefühls mehr - sie können es gar nicht sein.
Wer einmal, so ähnlich wie beim 'Tatort', in einem Marktforschungsinstitut hinter der Glasscheibe gesessen und Leserinnen bei der Gruppendiskussion beobachtet hat, weiß: Es gibt Zwischentöne. Allerdings werden sie durch Gruppendynamik und Meinungsführung gerne mal weggebügelt. Diese Umfragen fördern auch zutage, dass Leserinnen Neuem gegenüber aufgeschlossen sind (deshalb werden ja auch neue Zeitschriften gegründet). Und dass sie bei den Standardthemen Gähnanfälle bekommen. Sie registrieren sehr wohl, dass es am Kiosk Themenüberschneidungen gibt: Die alljährliche Sonnenkosmetik im März zum Beispiel, die 'Blitz-Diät' im Frühjahr, das 'Hautschutz-Special' und 'das Zuhause als Wohlfühl-Oase' im Winter, die Parfüm-Neuerscheinungen kurz vor Weihnachten.
Und parallel beginnt die alte Erfolgsformel zu schwächeln. Die Auflage von Frauenzeitschriften sinkt schon seit Jahren, ein paar Klassiker befinden sich sogar im Sinkflug. Leserinnen, im Fachjargon mittlerweile 'Wechselleserinnen' genannt, binden sich nicht mehr an nur ein Medium - schon weil sich die meisten zum Verwechseln ähnlich sehen. Zudem gibt es immer mehr Frauen, die Mode interessant finden, sich aber nichts aus 'Shopping' oder 'Beauty' machen, die das An- und Ausgeziehe in Umkleidekabinen nervt, denen die neuen It- Bags wurscht sind, weil sie sich eine Handtasche für 800 Euro vielleicht leisten könnten, aber gar nicht leisten wollen. Sie interessieren sich für ihr Aussehen, aber wüssten nicht, weshalb sie Minuten vor dem Spiegel damit verbringen sollten, an ihre Augenbrauen ein Lineal anzulegen, um den vermeintlich 'perfekten Schwung' nachzeichnen zu können.
Diese Frauen wollen keine Extrawurst. Sie lesen eher geschlechtsneutrale Zeitschriften, klassische Nachrichtenmagazine, Wochenzeitungen, vielleicht das Elternmagazin Nido. Und auch da waren wir in der Vergangenheit schon mal radikaler, eine der bemerkenswertesten dieser Unisex-Zeitschriften war Twen aus dem Jahr 1959. Die ersten Ausgaben waren noch verkappte Sex-Zeitschriften, später fragte Twen auf dem Cover: 'Heiraten - warum denn?' oder postulierte: 'Der Kochtopf macht die Frauen dumm!' Das ist vielleicht nicht richtig. Aber mutig. Twen stand für geistige Befreiung, Provokation und Ausbruch aus dem Mief der Ära Adenauer.
Oder erinnern wir uns an die Brigitte Ende der Achtziger. Ein Medium, das die Welt gestalten wollte. Ein aktives Heft. Legendär die Aktion 1976, die die verschwindend geringe Anzahl von knapp vierzig Frauen gegenüber knapp 500 Männern im Bundestag kritisierte. Oder die große Aktion 1988: 'Kind? Beruf? Oder beides!' Das war politisch, machte Meinung, beschrieb und bewegte die Gesellschaft.
Wie auch immer das 'authentische Lebensgefühl' der Frau von heute ist: Es wäre verschenkt, es einfach nur abzubilden. Eine Nabelschau, Gefühlsjournalismus, überflüssig. Dringlicher wäre zu überlegen, was dieses Leben bestimmt, erzeugt und katalysiert. Wir mögen das Design und die Mode in 'Mad Men' beschreiben und bejubeln - aber die Figuren des Schürzenjägers Don und seiner depressiven Ehefrau Betty Draper faszinieren uns auch deshalb so dunkel, weil sie noch nicht wissen, dass sie schon bald die Protagonisten einer sich komplett verändernden Gesellschaft sind. Wie werden wir in 50 Jahren auf unsere Gegenwart und unsere Rolle darin schauen? Ungläubig? Grinsend? Welche politischen, gesellschaftlichen Veränderungen - Betreuungsgeld, Frauenquote, demoskopischer Wandel - sind so übergreifend, können unser Leben und das der kommenden Generationen so drastisch und positiv verändern, dass es sich lohnt, jetzt und hier dafür zu kämpfen?
Manchmal erweitert auch ein Blick über den Gartenzaun den Horizont. Beim Schweizer Frauenmagazin Annabelle nämlich kann man sich abgucken, wie man mit relevanten Themen umgeht: Eben ganz simpel, indem man sie wie relevante Themen behandelt. Im vergangenen Oktober zierte ein altes Schwarz-Weiß-Foto das Cover (mehr Don"t geht nicht!). Es zeigte die sehr hochgeschlossene, übrigens brünette Gründerin des Magazins, das es bereits seit 1938 gibt. Die Titelzeile bestand aus zwei Titelzeilen (Don"t! Don"t!), und die lauteten: 'Manchmal braucht es nur eine Frau, um die Schweiz zu verändern. Manchmal 30 Prozent.' Geht es moderner?
Auf in den Kampf.
Bettina Wündrich war stellvertretende Chefredakteurin von 'ELLE', Gründerin und Chefredakteurin von 'Glamour', 'Vogue Business' oder 'Emotion'. Sie ist Beraterin für Entwicklungsprojekte bei Zeitungs- und Zeitschriftenverlagen.