Quantcast
Channel: jetzt.de - SZ
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345

Königsmacher gesucht

$
0
0
Es ist Mitternacht, als Stefan Löfven die Bühne auf der Wahlparty der Sozialdemokraten betritt. Seit etwa einer halben Stunde ist zu diesem Zeitpunkt klar: Der Sozialdemokrat soll neuer Ministerpräsident von Schweden werden. Zumindest soll er es versuchen.

Eine halbe Stunde zuvor hat der amtierende Regierungschef Fredrik Reinfeldt seinen Rücktritt angekündigt. Er hat die Wahl am Sonntag verloren, weil seine bürgerliche Allianz 39,3 Prozent der Wählerstimmen erhielt, Sozialdemokraten, Grüne und Linke gemeinsam jedoch 43,7 Prozent. Auch das ist keine Mehrheit. Und Sozialdemokraten, Grüne und Linke sind auch noch lange keine Koalition. Dennoch: Gemeinsam können sie Reinfeldt mit diesem Ergebnis überstimmen. Im Parlament gibt es dann nur noch eine weitere Partei, die ihm eine Mehrheit hätte sichern können – die Schwedendemokraten.

Von ihnen möchte Reinfeldt sich nicht unterstützen lassen. Alle Parteien schließen eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten aus. Doch sie zu umgehen wird schwieriger: Die Schwedendemokraten sind mit 12,9 Prozent der Stimmen zur drittstärksten Fraktion aufgestiegen. „Jetzt sind wir die absoluten Königsmacher“, hatte Parteichef Jimmie Åkesson gejubelt, als das Ergebnis feststand.



Stefan Löfven soll neuer schwedischer Ministerpräsident werden.

Auch Löfven möchte sich von Åkesson auf keinen Fall zum König machen lassen und steht damit vor einer ähnlichen Situation wie Reinfeldt. Löfvens Partei, die Sozialdemokraten, kommt auf 31,2 Prozent der Stimmen. Zählt man die der Grünen dazu, mit denen Löfven wohl koalieren wird, erreichen sie 38 Prozent. Ab da wird es auch schon schwierig. Die Linkspartei könnte eine rot-grüne Regierung unterstützen, eine Koalition mit ihnen gilt allerdings als unwahrscheinlich. Vor allem in einem Punkt sind die Forderungen der Linken Löfven zu radikal: Sie möchten es privaten Trägern von Schulen, Krankenhäuser, Pflegeheimen verbieten, Profit zu machen. Löfven befürchtet, dass viele Träger ihre Häuser dann schließen würden.

Selbst mit Unterstützung der Linken fehlen Löfven 6,3 Prozent für eine Mehrheit. Deswegen hofft er auf die Parteien der bürgerlichen Allianz, die mit Reinfeldt in den vergangenen acht Jahre regiert haben – als Löfvens politische Gegner. Die Allianz-Parteien haben vor der Wahl betont, sie würden ihr Bündnis nicht verlassen, wollten mit Löfven nicht zusammenarbeiten. Dieser kündigte an, außer mit den Rechtspopulisten mit allen Parteien Gespräche zu führen und appellierte an deren Verantwortungsbewusstsein. „Löfven wird Ministerpräsident werden, auf die eine oder andere Weise“, sagt der Journalist Pontus Mattsson. „Aber es wird eine sehr schwache Regierung werden, wie es jetzt aussieht.“

Als Nachteil wurde Löfven immer ausgelegt, dass er Politik-Neuling ist. Der 57-Jährige war Vorsitzender der IF Metall, einer der bedeutendsten Gewerkschaften Schwedens, gewesen, bevor er Anfang 2012 Chef der Sozialdemokraten wurde. Er sollte Ruhe in die Partei bringen, die zuvor unter Flügelkämpfen gelitten hatte. Zwar arbeiten die Sozialdemokraten mit den Gewerkschaften zusammen, doch noch nie wurde ein Funktionär zum Parteichef. Ansonsten passt das Profil: Löfven wuchs als Pflegekind einer Arbeiterfamilie in Nordschweden auf, machte eine Ausbildung zum Schweißer. Ein Mann des Volkes also.

„Ich habe das Parlamentsgebäude seit 20 Jahren nicht betreten, das ist wahr“, sagt Löfven, wenn man ihn auf die fehlende politische Erfahrung anspricht. „Aber ich war draußen in der Realität.“ Seine Erfahrung als Gewerkschafter möchte er nutzen, um mit schwedischen Unternehmen gemeinsam Arbeitsplätze zu schaffen. „Meine Erfahrung besteht darin, große Organisationen zu leiten und in der Fähigkeit, das ganze Bild zu sehen“, sagt Stefan Löfven. Auch wenn Gewerkschaftschef eine völlig andere Rolle sei als Regierungschef.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3345