Das Debüt des schottischen Produzenten und DJs Russell Whyte alias Rustie erschien 2011 und hieß „Glass Swords“. Und gläserne Schwerter waren da tatsächlich am Werk. Anders gesagt: Es gibt elektronische Musik, die skrupulös an kunstvoll gedämpften Beats und Bässen herumruckelt, Minimal House zum Beispiel, den man sich wie eine Art vergleichsweise sanft federnde Hirnhautmassage vorstellen kann. Unerbittlich repetitiv freilich, wir reden ja von elektronischer Musik, aber doch eher geruhsam. Und dann gibt es elektronische Musik, die ihre Wurzeln im britischen Dubstep hat und es darauf anlegt, einem das Trommelfell anzusägen. Womit wir wieder bei Rustie wären, seinem eben erschienen neuen Album „Green Language“ (Warp) – und den gläsernen Schwertern.
Rustie macht Beats, die auch um zwei Uhr nachts in der Disco fabelhaft funktionieren.
Die Tracks auf dem Debüt hießen „Crystal Echo“ oder „Ice Tunnels“ oder – ein sprechenderer Titel für diese Musik ist kaum denkbar – „Ultra Thizz“. Und man hörte sie sich auch nicht einfach so an. Man ließ sie sich eher in die Ohren stechen. Es knallte, peitschte und fiepte grell, und dann bellte auch noch eine Helium-Stimme herum.
Die Synthie-Flächen, die gerne wie das extrem verstärkte weiße Rauschen eines alten Fernsehers klangen, verleimten den Lärm nicht einfach breitwandig hinterrücks, sondern warfen sich eher gleißend davor. Wenn es für das Hören eine Entsprechung zu dem Gefühl gibt, das man hat, wenn man an einem helllichten Hochsommertag Mittags aus einer Höhle tritt – dann diese Musik. Ahhhrg. Zusammengekniffene Augen. Gläserne Schwerter. Klirr.
Einigen Ruhm gab’s dafür umgehend. Und das ging völlig in Ordnung. Weil: Das kommt vor im Pop, man hört in seine Zukunft hinein – und kann sie erst mal kaum ertragen. Wenn es richtig interessant wird, ist das sogar eher der Normalfall. Wobei bis hierhin der andere wesentliche und Aspekt dieser Musik womöglich etwas zu kurz gekommen ist: Ihre akustische Eskalation hängt nicht einfach so anstrengend in der Luft herum. Es geht hier nicht um seltene Avantgarde-Noise-Teppiche.
Das hier ist Pop. Und deswegen halten das alles recht unsubtile, mitunter brachial-breite Beats zusammen, die auch noch um zwei Uhr nachts in einer Großraumdisco einer britischen Kleinstadt fabelhaft funktionieren. Manchmal gibt es sogar süßlichen R’n’B-Gesang. Gar nicht unähnlich, nur noch viel brachialer, geht der amerikanische DJ-Superstar Skrillex vor, dessen Musik umgehend den schönen Namen Brostep bekommen hat. Also Dubstep für Bros, für dichte, feierwütige Typen, für Springbreak-Zombies.
Es gibt Menschen, die behaupten, nur so betäubt ließe sich diese Musik überhaupt ertragen – und völlig verkehrt ist das nicht. Aber es ist natürlich auch gerade der Witz: das Ineinander von Low und High, von Befriedigung und Zumutung, von Breitseite und Bricolage.
Und jetzt gibt es also „Green Language“. Aber ganz so mühelos wollen die Sound-Folter und die Beat-Massage diesmal irgendwie nicht zusammenfinden. Die ersten beiden Tracks „Workship“ und „A Glimpse“ sind nur jeweils zweiminütige Intros voller gleißender Synthie-Flächen. Das vierminütige „Raptor“ stampft dann weiter eng an der Schmerzgrenze schneidig voran, das große Finale, auf das der Song zuzusteuern scheint, fällt aber auch aus. „Paradise Stone“ versucht danach gar nicht erst so zu tun, als sei es mehr als eine sphärisch hingeklöppelte Sound-Notiz nach dem Motto: „Was in der Art hätte ich auch im Angebot“.
Erst der fünfte Track „Up Down“ mit dem Gastrapper DDouble Eist überhaupt so etwas wie ein ganzer Song. Und doch auch eher uninspiriert. Also vor allem wieder: gleißendes Synthie-Rauschen. Aber womöglich ist Rusties Ziel ja auch, die beliebteste Notlösung des Mainstream-Pop, den „Geigenleim“, abzuschaffen und mit „gleißendem Synthie-Leim“ zu ersetzen. Autsch. In der zweiten Hälfte wird das Album beatorientierter, bleibt aber zu skizzenhaft, um wirklich zu überzeugen. Wirklich gelungen ist eigentlich nur „Attack“ mit dem amerikanischen Rapper Danny Brown. Genau das kann diese Musik nämlich bestenfalls sein: ein hektisch-eklektisch stolpernder Angriff, fordernd, überfordernd, bisschen quälend auch – und doch mitreißend-eingängig, unwiderstehlich treibend.
Mit anderen Worten: „Green Language“ gewährt einen tiefen Blick in das Labor des zeitgenössischen Mainstream-Dance-Pop. Wenn man allerdings nicht gerade vor der Frage steht, wie ein frisches Soundgewand für einen etablierten Popstar oder eine vielversprechenden Newcomer klingen müsste, wird man damit nicht wirklich froh. Aber mal sehen, welche der fiesen Rustie-Schnipsel uns auf dem neuen KatyMileyTaylorBeyoncéGagaRihannAriana-Track wieder begegnen.
Der schottische Musiker Russell Whyte alias Rustie ist in Glasgow aufgewachsen. Bekannt machte ihn sein im Oktober 2011 veröffentlichtes Debüt-Album „Glass Swords“.
Rustie macht Beats, die auch um zwei Uhr nachts in der Disco fabelhaft funktionieren.
Die Tracks auf dem Debüt hießen „Crystal Echo“ oder „Ice Tunnels“ oder – ein sprechenderer Titel für diese Musik ist kaum denkbar – „Ultra Thizz“. Und man hörte sie sich auch nicht einfach so an. Man ließ sie sich eher in die Ohren stechen. Es knallte, peitschte und fiepte grell, und dann bellte auch noch eine Helium-Stimme herum.
Die Synthie-Flächen, die gerne wie das extrem verstärkte weiße Rauschen eines alten Fernsehers klangen, verleimten den Lärm nicht einfach breitwandig hinterrücks, sondern warfen sich eher gleißend davor. Wenn es für das Hören eine Entsprechung zu dem Gefühl gibt, das man hat, wenn man an einem helllichten Hochsommertag Mittags aus einer Höhle tritt – dann diese Musik. Ahhhrg. Zusammengekniffene Augen. Gläserne Schwerter. Klirr.
Einigen Ruhm gab’s dafür umgehend. Und das ging völlig in Ordnung. Weil: Das kommt vor im Pop, man hört in seine Zukunft hinein – und kann sie erst mal kaum ertragen. Wenn es richtig interessant wird, ist das sogar eher der Normalfall. Wobei bis hierhin der andere wesentliche und Aspekt dieser Musik womöglich etwas zu kurz gekommen ist: Ihre akustische Eskalation hängt nicht einfach so anstrengend in der Luft herum. Es geht hier nicht um seltene Avantgarde-Noise-Teppiche.
Das hier ist Pop. Und deswegen halten das alles recht unsubtile, mitunter brachial-breite Beats zusammen, die auch noch um zwei Uhr nachts in einer Großraumdisco einer britischen Kleinstadt fabelhaft funktionieren. Manchmal gibt es sogar süßlichen R’n’B-Gesang. Gar nicht unähnlich, nur noch viel brachialer, geht der amerikanische DJ-Superstar Skrillex vor, dessen Musik umgehend den schönen Namen Brostep bekommen hat. Also Dubstep für Bros, für dichte, feierwütige Typen, für Springbreak-Zombies.
Es gibt Menschen, die behaupten, nur so betäubt ließe sich diese Musik überhaupt ertragen – und völlig verkehrt ist das nicht. Aber es ist natürlich auch gerade der Witz: das Ineinander von Low und High, von Befriedigung und Zumutung, von Breitseite und Bricolage.
Und jetzt gibt es also „Green Language“. Aber ganz so mühelos wollen die Sound-Folter und die Beat-Massage diesmal irgendwie nicht zusammenfinden. Die ersten beiden Tracks „Workship“ und „A Glimpse“ sind nur jeweils zweiminütige Intros voller gleißender Synthie-Flächen. Das vierminütige „Raptor“ stampft dann weiter eng an der Schmerzgrenze schneidig voran, das große Finale, auf das der Song zuzusteuern scheint, fällt aber auch aus. „Paradise Stone“ versucht danach gar nicht erst so zu tun, als sei es mehr als eine sphärisch hingeklöppelte Sound-Notiz nach dem Motto: „Was in der Art hätte ich auch im Angebot“.
Erst der fünfte Track „Up Down“ mit dem Gastrapper DDouble Eist überhaupt so etwas wie ein ganzer Song. Und doch auch eher uninspiriert. Also vor allem wieder: gleißendes Synthie-Rauschen. Aber womöglich ist Rusties Ziel ja auch, die beliebteste Notlösung des Mainstream-Pop, den „Geigenleim“, abzuschaffen und mit „gleißendem Synthie-Leim“ zu ersetzen. Autsch. In der zweiten Hälfte wird das Album beatorientierter, bleibt aber zu skizzenhaft, um wirklich zu überzeugen. Wirklich gelungen ist eigentlich nur „Attack“ mit dem amerikanischen Rapper Danny Brown. Genau das kann diese Musik nämlich bestenfalls sein: ein hektisch-eklektisch stolpernder Angriff, fordernd, überfordernd, bisschen quälend auch – und doch mitreißend-eingängig, unwiderstehlich treibend.
Mit anderen Worten: „Green Language“ gewährt einen tiefen Blick in das Labor des zeitgenössischen Mainstream-Dance-Pop. Wenn man allerdings nicht gerade vor der Frage steht, wie ein frisches Soundgewand für einen etablierten Popstar oder eine vielversprechenden Newcomer klingen müsste, wird man damit nicht wirklich froh. Aber mal sehen, welche der fiesen Rustie-Schnipsel uns auf dem neuen KatyMileyTaylorBeyoncéGagaRihannAriana-Track wieder begegnen.
Der schottische Musiker Russell Whyte alias Rustie ist in Glasgow aufgewachsen. Bekannt machte ihn sein im Oktober 2011 veröffentlichtes Debüt-Album „Glass Swords“.