Die Sache mit den Brillen ist natürlich Zufall. Als das ZDF vor dreieinhalb Jahren seinen Jugendkanal ZDFkultur auf Sendung schickte, war die schwarze Hornbrille ja noch nicht wie heute als Balken in jedes zweite Gesicht verbaut. Es fiel daher auf, dass beim neuen Kanal nicht nur der Chef Daniel Fiedler das Warnviereck für aufgesetzten Intellekt im Gesicht trug, sondern der um ein paar Jahre jüngere Moderator Rainer Maria Jilg ein ganz ähnliches Modell. In der Kombination sah das etwas nach Club aus und provozierte haltlose Witzeleien über Einstellungskriterien beim Jugendsender.
Inzwischen muss man sagen, dass der Stilwille nicht nur brillentechnisch festzumachen war. ZDFkultur hat ein erstaunliches Programm für die Generation Hängehosenboden und Smartphone hervorgebracht. Abgebildet wurde ungeordnetes Leben zwischen Pop- und Webkultur, Open- Air-Festivals und Clubkonzerten. Erfunden wurden Roche und Böhmermann oder das Magazin Kulturpalast. Auch beim etwas erwachseneren Schwestersender ZDFneo gab es eine Zeit des offensichtlich recht unbehelligten Experimentierens, es entstanden neo Paradise mit Joko und Klaas, Wild Germany mit Manuel Möglich.
Man muss festhalten, dass Menschen unter 40 im gebührenfinanzierten Fernsehen lange kein so gutes Programm mehr hatten wie zu der Zeit, als das ZDF unter dem Programmdirektor Thomas Bellut – dem heutigen Intendanten – zur beherzten Landnahme im Digitalen schritt und sich dort Experimentiermöglichkeiten wie neo und den Jugendsender kultur eröffnete.
Seit 2013 zahlt jeder Haushalt eine Pauschale von 17,98 pro Monat an die öffentlich-rechtlichen Sender.
Ein im Prinzip freundlicher Hierarch des Mainzer Senders hat ZDFkultur gelegentlich als „Programm für arbeitslose Akademikerkinder“ bezeichnet. Also müssen sie dort etwas ziemlich richtig gemacht haben. Nichts ist so tödlich für einen Jugendsender wie das Lob von den Alten.
Vielleicht ist ZDFkultur auch deshalb so berühmt, weil es schon wieder Vergangenheit ist, eine Ruine, ein Ort für die Untoten. An einem beliebigen Werktag läuft dort hintereinander das gute alte Königlich Bayerische Amtsgericht, Forsthaus Falkenau, die Hitparade mit Dieter Thomas Heck, Disco mit Ilja Richter, Schlosshotel Orth und zur Prime Time Richard Wagner: Der Ring 1-4. Der Sender ist, wie es so schön heißt, auf Schleife gesetzt, wird aus dem Archiv bespielt. Er seichtelt so seit vielen Monaten seiner angekündigten Abschaltung entgegen. Ausgerechnet das Ende seines Jugendprogramms war das Zugeständnis des ZDF an die Kritiker aus der Politik, denen die gebührenfinanzierten Digitalsender zu viel wurden. Außerdem soll alles noch viel besser werden – mit einem neuen trimedialen Jugendprogramm, das von ARD und ZDF zusammen betrieben werden soll.
Das könnte sogar schön sein, modern, und womöglich tatsächlich: jung – aber es kommt und kommt einfach nicht. Im Juni wurde das Thema wieder mal von der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz genommen, am 17. Oktober könnte nun die Entscheidung fallen. Was allerdings stark dagegen spricht: Gerade hat der Personalrat des ZDF ein wütendes Flugblatt (Geht‘s noch?) in Umlauf gebracht: Mit bestehenden Mitteln sei das Projekt nicht zu leisten. Der Personalrat des von ARD-Seite zuständigen SWR findet schon, dass es so geht. Dort findet man aber auch, dass ein Sendersitz im Kurort Baden-Baden der richtige Ort sei für die Jugend.
Die Gegenfrage zu Baden-Baden würde lauten: Darf es im gremienkontrollierten Anstaltsfernsehen Jugendprogramme geben, über die sich die Älteren aufregen? Natürlich nicht. Und dafür gibt es, wenn schon keinen guten, dann zumindest einen logischen Grund, der mit dem Zustand dieses Fernsehens zusammenhängt.
Diesen Zustand kann man so beschreiben: Das meiste, was im Fernsehen kommt, im öffentlich-rechtlichen vor allem, ist nicht richtig schlecht. Es ist mittelmäßig, anforderungsarm, im Gefühlsspektrum unauffällig. Das Mittelmaß als Prinzip der Mehrheit, wie es das Fernsehen vorführt, ist vor allem eines: beruhigend. Ungefähr so beruhigend wie ein Donna-Leon-Film, bei dem alle Venezianer von deutschen Schauspielern gegeben werden, weshalb im Beruhigungsfernsehen kein Ort jemals fremder ist als die Lindenstraße. Oder der Tatort, bei dem ja auch nichts anderes geschieht, als dass die bestehende Ordnung jeden Sonntag nicht am Hindukusch, sondern in Köln, München, Stuttgart oder Leipzig verteidigt wird. Mit Erfolg natürlich. Dieses Fernsehen ist wie gemacht für Zuschauer, die vom Lebensalter her in einer existenzstabilisierenden bürgerlichen Langeweile geankert haben. Also ungefähr in jenem Zustand, den man, wenn man noch nicht 25 ist, zum Heulen findet.
Zufälligerweise ist die hormonell ruhiger gewordene Altersgruppe demografisch betrachtet in der Mehrheit. Das Modell Mittelmaß ist, wenn man es von dieser Seite her betrachtet: Quotenfernsehen.
Deswegen ist diese Art Fernsehen auch so erfolgreich und unentbehrlich. Und deswegen stehen Intendanten und Programmstrategen mit der Jugend vor einem Dilemma. Sie haben von der Politik eine Rundfunkabgabe bekommen, der sich keiner entziehen kann. Der Preis dafür ist, dass sie auch Programm für alle machen müssen. Besonders schlecht klappt das mit den Jungen. Der Anteil der Zuschauer zwischen 14 und 29 – die das neue Jugendprogramm ansprechen soll – liegt im Ersten laut Sender bei 5,4 und im ZDF bei vier Prozent, im Schnitt sind die Zuschauer 60 (Das Erste) beziehungsweise 61 Jahre (ZDF) alt.
Würden die Hierarchen das nur einen Moment lang ernst nehmen, wäre es das Aus für ARD und ZDF, wie wir sie kennen. Sendungen im Hauptprogramm, bei denen 50-Jährige sich beunruhigt oder gar alt vorkämen? Wehe. Es wäre das Ende des Fernsehens Marke M, von Masse und Mehrheit.
Die Lösung für die Jugend soll deshalb ein Spartenprogramm sein. Früher gab es bei großen Gesellschaften Kindertischchen. Die Öffentlich-Rechtlichen decken jetzt eines für die Jugend. Gemeinsame Spartenprogramme haben ARD und ZDF schon für andere Versorgungsaufträge, wie den KiKa oder die Parlamentsberichterstattung bei Phoenix. Gemeinschaftssender sind bei ARD und ZDF so etwas wie die Hilfs- und Förderorganisationen für jene unintegrierbaren Zuschauergruppen, bei denen den Senderchefs das Modell Inklusion sinnlos vorkommt.
Der Plan vom Spezialkanal für die Jugend ist auf erschreckende Weise systemkonform. Das Versagen beim jungen Publikum wird zwar von Intendanten oft zum Anliegen erklärt. Doch das eigentliche Problem der Öffentlich-Rechtlichen löst ein Jugendkanal nicht im Geringsten. Denn dieses Problem ist nur dem Symptom nach der gern zitierte „Generationenabriss“, das Fernbleiben junger Zuschauer. In Wirklichkeit ist das Problem dasselbe, das auch die Verschiebung von Kultur in die Nachtstunden und die ARD-Dauertalks verursacht hat: Masse ist Masse, und die Minderheit kann schauen, wo sie bleibt.
Eine scheinbare Ordnung und Richtigkeit erhält die Gründung von immer neuen Spezialkanälen mit dem Schlagwort von der Verspartung der Welt. Gern wird darauf hingewiesen, dass sich die Gesellschaft insgesamt fragmentiere. Besonders im Netz werde dies vorgelebt – was im Übrigen erst zu beweisen wäre, denn das Netz ist ja zunächst ein Ort, an dem sich Leute zusammentun, die vorher viel vereinzelter waren.
In Wirklichkeit aber geht es bei den Spartensendern um die Logik eines quotenstarken Hauptprogramms. Die Jugend ist nur der Testfall für ein Modell, das sich zwar auf einen gesetzlichen Auftrag stützt, dessen Verantwortliche aber irgendwie keine Lust haben, etwas wichtiger zu nehmen als das Argument Masse. Lieber anderswo verheizt wird im Dienst der Quote inzwischen alles Mögliche. Der BR hat das gerade auf eine neue Spitze getrieben. Der Sender hat fünf UKW-Plätze und setzt einen Jugendsender, mit dem man auch bei der Politik gut dasteht, an die Stelle des bisherigen Klassikkanals. Die Plätze für Schlager und Pop standen selbstverständlich nicht infrage.
Falls sie denn kommt: Die neue Jugendplattform birgt kaum die Gefahr, dass sich Hierarchen oder Gremien aufregen müssen. Das Programm wurde vorab nach allen Regeln der Mainstream-Kultur zerpflückt. Zwischenzeitlich beschäftigten sich Rundfunkreferenten der Staatskanzleien im Ernst mit der Frage, ob der Jugendkanal etwa Serien einkaufen solle oder nicht.
Die ungeordneten Kräfte des kurzen Mainzer Frühlings aber verziehen sich: Joko und Klaas sind bei Pro Sieben und produzieren dort Aufreger: Eben wurden sie für Wodkatrinken und Lippenzunähen von der Kommission für Jugendmedienschutz gerügt, was ihrem Ruf eher förderlich sein dürfte. Rainer Maria Jilg hat Rising Star bei RTL moderiert. Der damalige Programmchef Daniel Fiedler ist beim öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag geblieben und arbeitet deshalb jetzt spät am Abend zur Aspekte-Zeit. Eine entfernte Anmutung von ZDFkultur findet sich, wenn überhaupt, beim vollkommerziellen Sender Joiz.
Beim Jugendkanal ist es jetzt, als ob Onkel und Tanten ein Zimmer für Pubertierende einrichten und sich fragen, ob es nicht doch die teure Wandfarbe sein muss. Die lauten Kinder sollen nur bitte nicht im Wohnzimmer spielen. Aber, liebes Fernsehen: So und nicht anders ist das Leben.
Inzwischen muss man sagen, dass der Stilwille nicht nur brillentechnisch festzumachen war. ZDFkultur hat ein erstaunliches Programm für die Generation Hängehosenboden und Smartphone hervorgebracht. Abgebildet wurde ungeordnetes Leben zwischen Pop- und Webkultur, Open- Air-Festivals und Clubkonzerten. Erfunden wurden Roche und Böhmermann oder das Magazin Kulturpalast. Auch beim etwas erwachseneren Schwestersender ZDFneo gab es eine Zeit des offensichtlich recht unbehelligten Experimentierens, es entstanden neo Paradise mit Joko und Klaas, Wild Germany mit Manuel Möglich.
Man muss festhalten, dass Menschen unter 40 im gebührenfinanzierten Fernsehen lange kein so gutes Programm mehr hatten wie zu der Zeit, als das ZDF unter dem Programmdirektor Thomas Bellut – dem heutigen Intendanten – zur beherzten Landnahme im Digitalen schritt und sich dort Experimentiermöglichkeiten wie neo und den Jugendsender kultur eröffnete.
Seit 2013 zahlt jeder Haushalt eine Pauschale von 17,98 pro Monat an die öffentlich-rechtlichen Sender.
Ein im Prinzip freundlicher Hierarch des Mainzer Senders hat ZDFkultur gelegentlich als „Programm für arbeitslose Akademikerkinder“ bezeichnet. Also müssen sie dort etwas ziemlich richtig gemacht haben. Nichts ist so tödlich für einen Jugendsender wie das Lob von den Alten.
Vielleicht ist ZDFkultur auch deshalb so berühmt, weil es schon wieder Vergangenheit ist, eine Ruine, ein Ort für die Untoten. An einem beliebigen Werktag läuft dort hintereinander das gute alte Königlich Bayerische Amtsgericht, Forsthaus Falkenau, die Hitparade mit Dieter Thomas Heck, Disco mit Ilja Richter, Schlosshotel Orth und zur Prime Time Richard Wagner: Der Ring 1-4. Der Sender ist, wie es so schön heißt, auf Schleife gesetzt, wird aus dem Archiv bespielt. Er seichtelt so seit vielen Monaten seiner angekündigten Abschaltung entgegen. Ausgerechnet das Ende seines Jugendprogramms war das Zugeständnis des ZDF an die Kritiker aus der Politik, denen die gebührenfinanzierten Digitalsender zu viel wurden. Außerdem soll alles noch viel besser werden – mit einem neuen trimedialen Jugendprogramm, das von ARD und ZDF zusammen betrieben werden soll.
Das könnte sogar schön sein, modern, und womöglich tatsächlich: jung – aber es kommt und kommt einfach nicht. Im Juni wurde das Thema wieder mal von der Tagesordnung der Ministerpräsidentenkonferenz genommen, am 17. Oktober könnte nun die Entscheidung fallen. Was allerdings stark dagegen spricht: Gerade hat der Personalrat des ZDF ein wütendes Flugblatt (Geht‘s noch?) in Umlauf gebracht: Mit bestehenden Mitteln sei das Projekt nicht zu leisten. Der Personalrat des von ARD-Seite zuständigen SWR findet schon, dass es so geht. Dort findet man aber auch, dass ein Sendersitz im Kurort Baden-Baden der richtige Ort sei für die Jugend.
Die Gegenfrage zu Baden-Baden würde lauten: Darf es im gremienkontrollierten Anstaltsfernsehen Jugendprogramme geben, über die sich die Älteren aufregen? Natürlich nicht. Und dafür gibt es, wenn schon keinen guten, dann zumindest einen logischen Grund, der mit dem Zustand dieses Fernsehens zusammenhängt.
Diesen Zustand kann man so beschreiben: Das meiste, was im Fernsehen kommt, im öffentlich-rechtlichen vor allem, ist nicht richtig schlecht. Es ist mittelmäßig, anforderungsarm, im Gefühlsspektrum unauffällig. Das Mittelmaß als Prinzip der Mehrheit, wie es das Fernsehen vorführt, ist vor allem eines: beruhigend. Ungefähr so beruhigend wie ein Donna-Leon-Film, bei dem alle Venezianer von deutschen Schauspielern gegeben werden, weshalb im Beruhigungsfernsehen kein Ort jemals fremder ist als die Lindenstraße. Oder der Tatort, bei dem ja auch nichts anderes geschieht, als dass die bestehende Ordnung jeden Sonntag nicht am Hindukusch, sondern in Köln, München, Stuttgart oder Leipzig verteidigt wird. Mit Erfolg natürlich. Dieses Fernsehen ist wie gemacht für Zuschauer, die vom Lebensalter her in einer existenzstabilisierenden bürgerlichen Langeweile geankert haben. Also ungefähr in jenem Zustand, den man, wenn man noch nicht 25 ist, zum Heulen findet.
Zufälligerweise ist die hormonell ruhiger gewordene Altersgruppe demografisch betrachtet in der Mehrheit. Das Modell Mittelmaß ist, wenn man es von dieser Seite her betrachtet: Quotenfernsehen.
Deswegen ist diese Art Fernsehen auch so erfolgreich und unentbehrlich. Und deswegen stehen Intendanten und Programmstrategen mit der Jugend vor einem Dilemma. Sie haben von der Politik eine Rundfunkabgabe bekommen, der sich keiner entziehen kann. Der Preis dafür ist, dass sie auch Programm für alle machen müssen. Besonders schlecht klappt das mit den Jungen. Der Anteil der Zuschauer zwischen 14 und 29 – die das neue Jugendprogramm ansprechen soll – liegt im Ersten laut Sender bei 5,4 und im ZDF bei vier Prozent, im Schnitt sind die Zuschauer 60 (Das Erste) beziehungsweise 61 Jahre (ZDF) alt.
Würden die Hierarchen das nur einen Moment lang ernst nehmen, wäre es das Aus für ARD und ZDF, wie wir sie kennen. Sendungen im Hauptprogramm, bei denen 50-Jährige sich beunruhigt oder gar alt vorkämen? Wehe. Es wäre das Ende des Fernsehens Marke M, von Masse und Mehrheit.
Die Lösung für die Jugend soll deshalb ein Spartenprogramm sein. Früher gab es bei großen Gesellschaften Kindertischchen. Die Öffentlich-Rechtlichen decken jetzt eines für die Jugend. Gemeinsame Spartenprogramme haben ARD und ZDF schon für andere Versorgungsaufträge, wie den KiKa oder die Parlamentsberichterstattung bei Phoenix. Gemeinschaftssender sind bei ARD und ZDF so etwas wie die Hilfs- und Förderorganisationen für jene unintegrierbaren Zuschauergruppen, bei denen den Senderchefs das Modell Inklusion sinnlos vorkommt.
Der Plan vom Spezialkanal für die Jugend ist auf erschreckende Weise systemkonform. Das Versagen beim jungen Publikum wird zwar von Intendanten oft zum Anliegen erklärt. Doch das eigentliche Problem der Öffentlich-Rechtlichen löst ein Jugendkanal nicht im Geringsten. Denn dieses Problem ist nur dem Symptom nach der gern zitierte „Generationenabriss“, das Fernbleiben junger Zuschauer. In Wirklichkeit ist das Problem dasselbe, das auch die Verschiebung von Kultur in die Nachtstunden und die ARD-Dauertalks verursacht hat: Masse ist Masse, und die Minderheit kann schauen, wo sie bleibt.
Eine scheinbare Ordnung und Richtigkeit erhält die Gründung von immer neuen Spezialkanälen mit dem Schlagwort von der Verspartung der Welt. Gern wird darauf hingewiesen, dass sich die Gesellschaft insgesamt fragmentiere. Besonders im Netz werde dies vorgelebt – was im Übrigen erst zu beweisen wäre, denn das Netz ist ja zunächst ein Ort, an dem sich Leute zusammentun, die vorher viel vereinzelter waren.
In Wirklichkeit aber geht es bei den Spartensendern um die Logik eines quotenstarken Hauptprogramms. Die Jugend ist nur der Testfall für ein Modell, das sich zwar auf einen gesetzlichen Auftrag stützt, dessen Verantwortliche aber irgendwie keine Lust haben, etwas wichtiger zu nehmen als das Argument Masse. Lieber anderswo verheizt wird im Dienst der Quote inzwischen alles Mögliche. Der BR hat das gerade auf eine neue Spitze getrieben. Der Sender hat fünf UKW-Plätze und setzt einen Jugendsender, mit dem man auch bei der Politik gut dasteht, an die Stelle des bisherigen Klassikkanals. Die Plätze für Schlager und Pop standen selbstverständlich nicht infrage.
Falls sie denn kommt: Die neue Jugendplattform birgt kaum die Gefahr, dass sich Hierarchen oder Gremien aufregen müssen. Das Programm wurde vorab nach allen Regeln der Mainstream-Kultur zerpflückt. Zwischenzeitlich beschäftigten sich Rundfunkreferenten der Staatskanzleien im Ernst mit der Frage, ob der Jugendkanal etwa Serien einkaufen solle oder nicht.
Die ungeordneten Kräfte des kurzen Mainzer Frühlings aber verziehen sich: Joko und Klaas sind bei Pro Sieben und produzieren dort Aufreger: Eben wurden sie für Wodkatrinken und Lippenzunähen von der Kommission für Jugendmedienschutz gerügt, was ihrem Ruf eher förderlich sein dürfte. Rainer Maria Jilg hat Rising Star bei RTL moderiert. Der damalige Programmchef Daniel Fiedler ist beim öffentlich-rechtlichen Kulturauftrag geblieben und arbeitet deshalb jetzt spät am Abend zur Aspekte-Zeit. Eine entfernte Anmutung von ZDFkultur findet sich, wenn überhaupt, beim vollkommerziellen Sender Joiz.
Beim Jugendkanal ist es jetzt, als ob Onkel und Tanten ein Zimmer für Pubertierende einrichten und sich fragen, ob es nicht doch die teure Wandfarbe sein muss. Die lauten Kinder sollen nur bitte nicht im Wohnzimmer spielen. Aber, liebes Fernsehen: So und nicht anders ist das Leben.