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Umworben und gefürchtet

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Auf dem Gelände der Technischen Universität München riecht es nach Bratwurst und Döner. Vor zwei Imbissbuden reihen sich Studenten auf, bestellen Fast Food und klagen über harte Klausuren. Li Ying, volle Backen, schwarze Haare, nimmt davon keine Notiz und steuert auf ein großes Gebäude zu. Der 24-Jährige studiert Informatik im dritten Mastersemester. Es ist ein hartes Studium mit viel Mathematik. Er muss sich deshalb ranhalten, muss noch etwas arbeiten. Ying hat seinen Bachelor an der Universität Wuhan in China abgelegt. Dort traf er einen deutschen Austauschstudenten. Dieser schwärmte von „German Engineering“, guten technischen Hochschulen wie der TU München. Ying bewarb sich für einen Master in Deutschland und ergatterte einen Platz. Ihm gefällt es an der TU München. Das Studium habe einen hohen Praxisanteil und sei kostenlos, sagt er. Und: „In meiner Heimat genießen deutsche Universitäten einen exzellenten Ruf.“



Vorurteil oder reale Bedrohung? Chinesische Studenten werden vom Verfassungsschutz misstrauisch beobachtet.

Li Ying ist einer von rund 25500 Chinesen, die in Deutschland studieren. Aus keinem anderen Land kommen mehr Menschen an die hiesigen Hochschulen. Laut dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) führen die Chinesen schon seit Jahren die Liste an. Häufig schreiben sie sich für Fächer wie Maschinenbau und Elektrotechnik ein. Aber auch die Wirtschaftswissenschaften haben guten Zulauf. „Zwei Drittel der chinesischen Studierenden kommen für ein Masterstudium“, sagt Thomas Schmidt-Dörr, Direktor des Pekinger DAAD-Büros. Funktioniert diese deutsch-chinesische Kooperation? Und: Schadet den Chinesen das weit verbreitete Image, Produkte zu kopieren und zur Konkurrenz heranzuwachsen?

Die Universitäten jedenfalls haben sich auf die vielen chinesischen Studenten eingestellt. Besonders die technischen Universitäten werben aktiv und unterhalten oft Partnerschaften mit Hochschulen in China. So kooperiert das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) seit 2012 mit dem Pekinger Institut of Technology. Gemeinsam wählen sie talentierte Studenten mit guten Deutschkenntnissen für das Studium in Deutschland aus. Nahezu jede international vernetzte Universität in Deutschland bietet spezielle Sprechstunden und Mentorenprogramme an. Die TU München richtete in diesem Jahr sogar das chinesische Mondfest im Audimax aus.

Trotz diverser Auswahlverfahren studieren an deutschen Universitäten nicht nur junge Genies aus China. Es gibt Überflieger. Und es gibt Problemfälle. Die Gruppe der chinesischen Studenten sei so heterogen wie die der deutschen, heißt es vom Verband der neun technischen Universitäten (TU9). Carsten Proppe kennt die Studienleistungen der Chinesen gut. Wenn der Studiendekan der Maschinenbaufakultät des KIT seine Vorlesung um acht Uhr morgens beginnt und er gegen 7.45 Uhr den Saal betritt, sind die Chinesen schon da. Erste Reihe, Mitte, Bücher links, Schreibblock rechts. „Die deutschen Studenten trudeln dann so gegen acht oder später ein“, sagt er. Und schmunzelt. Proppe erlebt die chinesischen Studenten als motiviert und fleißig, bessere Note schreiben sie aber nicht. Beim Punkt Kreativität beobachtet er Unterschiede, was ihm besonders bei Bachelor- und Masterarbeiten auffällt. Chinesen arbeiten zwar zielstrebig und strukturiert, „sie brauchen aber oft Anleitung“, sagt er. Deutsche und andere europäische Studenten sieht er hingegen mal ein paar Wochen nicht, „dann aber überraschen sie mit einer intelligenten Lösung“.

China und Deutschland, das sind manchmal zwei Welten, die nicht zusammenpassen wollen. Jianfen Chen hat das selbst erlebt. Nach einem Studium in China kam er vor 15 Jahren nach Heidelberg, um Wirtschaftswissenschaften zu studieren. In wenigen Wochen beendet er seine Promotion. „Die Deutschen sind direkt, sagen, was sie denken – daran habe ich mich gewöhnen müssen“, erinnert sich Chen. Mittlerweile schätzt er die deutsche Offenheit, die Gründlichkeit. „Alles funktioniert zuverlässig“, sagt er. Seit Kurzem engagiert sich Chen im GCC Heidelberg. Das ist ein von Studenten geführter Verein, der Kommilitonen beim Start in Deutschland hilft, „damit sie sich schnell in der fremden Kultur zurechtfinden“, sagt Chen.

Nicht nur Universitäten und Studentenvereine, auch viele Unternehmen heißen chinesische Nachwuchsakademiker willkommen. Für den deutschen Mittelstand und Großkonzerne ist das Asiengeschäft überlebenswichtig. Qualifizierte, internationale Absolventen seien gefragt, heißt es bei der Hochschulrektorenkonferenz. Einige Unternehmen sehen das ähnlich. „China ist ein aufstrebender Markt“, sagt Torsten Fiddelke, Pressesprecher beim Automobilzulieferer ZF-Friedrichshafen. „Eine vielfältige Belegschaft aus unterschiedlichen Kulturkreisen ist uns immens wichtig.“ Eine Gefahr für deutsche Ingenieure seien die Kollegen aus China nicht. Beide seien gefragt, sagt Fiddelke.

Die Verfassungsschutzbehörden blicken dagegen mit Sorge auf die Entwicklung. Es sei davon auszugehen, dass einige der Studenten für ihr Heimatland spionierten, heißt es beim Bundesamt für Verfassungsschutz. Laut dem Geheimdienst müssen sich chinesische Studenten bei der Einreise in der Botschaft oder einem Konsulat melden. Sie sind aufgefordert, regelmäßig an Botschaftstreffen teilzunehmen, was die meisten auch tun. Die Regierung weiß so genau, wo welcher Student studiert und ein Praktikum leistet – und könne ihn bei Bedarf anwerben, warnen die Verfassungsschutzbehörden. Auch einige Unternehmen wittern Gefahr. „Im persönlichen Gespräch äußern Firmen schon, dass sie bei chinesischen Praktikanten vorsichtig sind“, sagt Professor Proppe.

Li Ying, der Informatikstudent aus München, hat von der Sorge deutscher Unternehmen gehört. „Ich bin nicht zum Spionieren hier“, sagt er. Ying kann sich vorstellen, in Deutschland zu arbeiten. Das komme bei chinesischen Unternehmen gut an, glaubt er. Wäre da nur nicht die deutsche Küche. „Die schmeckt mir einfach nicht.“

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