Kenias Männer haben Angst vor starken Frauen.
Es ist nicht der erste Sex-Boykott in Kenia. Schon 2009 haben Frauenorganisationen zu diesem Mittel gegriffen, um ihre zerstrittene (männliche) politische Elite zur Räson zu bringen. Nun hat sich Männerrechtler Nderitu Njoka den Trick abgeschaut. Allerdings geht es ihm nicht um die Lösung von Regierungskrisen, sondern um die Stellung des Mannes in Kenias Gesellschaft. Männer würden in dem ostafrikanischen Land zunehmend „entthront“, erklärte Njoka, Vorsitzender der Organisation Maendeleo ya Wanaume (Entwicklung für Männer), kenianischen Medien. Ziel des Boykotts ist es, die angebliche Diskriminierung der Männer durch Frauen und die Regierung zu beenden. Außerdem wolle man auf die wachsende Zahl misshandelter Männer aufmerksam machen. Njoka belegt seine Kampagne mit Zahlen: 2011 hätten bei einer Umfrage in zwei kenianischen Provinzen 460 000 Männer von häuslicher Gewalt berichtet; 2014 seien bisher 300 Männer von Frauen attackiert worden – 100 von ihnen seien sogar die Geschlechtsteile abgeschnitten worden.
Doch die Angaben Njokas lassen sich nirgendwo bestätigen. Die Stiftung Gender Violence Recovery Center (GVRC) aus Nairobi, die sich um Opfer sexueller und häuslicher Gewalt kümmert, registriert nur sehr wenige männliche Fälle. Zwischen 2001 und 2012 seien drei Prozent der von ihnen betreuten Opfer Männer gewesen – und auch die berichten meist von männlichen Tätern. Insgesamt 90 Prozent der Gewalttaten würden von Männern verübt, meldet das GVRC. Auch sonst läuft an Kenias Geschlechterfront offenbar vieles falsch. Gewalt gehört zum Alltag kenianischer Frauen. Studien belegen außerdem, dass sie in den meisten Gesellschaftsbereichen stark benachteiligt sind. Armut trifft Frauen stärker als Männer, weniger Frauen als Männer können lesen und schreiben, nur ein Viertel der Frauen erhält eine höhere Schulbildung – bei Männern ist es ein Drittel. Frauen schultern den Großteil landwirtschaftlicher Arbeit, besitzen aber nur einen Bruchteil des Ackerlandes: Ein Prozent gehört weiblichen Landbesitzern allein, fünf Prozent gehört Frauen und Männern gemeinsam.
Hinter diesen Zahlen steckt eine Gesellschaft, die höchst patriarchal funktioniert. Was oft auf vermeintliche afrikanische Traditionen geschoben wird, ist in Wahrheit die Folge einer Allianz aus Kolonialzeiten: Nicht alle Gesellschaften Afrikas waren männerdominiert, doch die europäischen Fremdherrscher, selbst patriarchal geprägt, stärkten eben jene Kräfte, die ihnen am ehesten entsprachen. So verwoben sich europäische und afrikanische Vorstellungen zu einer ungleichen Ordnung, die sich hartnäckig hält.
In der Politik sind Frauen auch im Jahr 2014 unterrepräsentiert: Nur knapp 22 Prozent der Parlamentsabgeordneten sind weiblich. Und so gelingt es den männlichen Abgeordneten, Gesetze durchzuboxen, die ihre Kolleginnen wutentbrannt aus dem Saal stürmen lassen: das Gesetz zum gemeinsamen Besitz von Eheleuten zum Beispiel, das 2013 durch das Parlament ging und dazu führt, dass Ehefrauen im Falle von Scheidung oder Tod des Partners den Zugang zum Ackerland der Familie verlieren. Oder das Gesetz, das die Vielehe regelt: Polygamie ist in Kenia erlaubt und verbreitet. Doch die männlichen Abgeordneten strichen im Frühjahr das Vetorecht aus dem Gesetzentwurf, das die Erstfrauen bekommen sollten, wenn ihr Mann sich eine weitere Frau nehmen möchte.
In Interviews wird deutlich, was die Männerrechtler vor allem stört: dass ihre Position zunehmend bedroht wird. „Frauen denken plötzlich, sie könnten die Rolle des Familienvorstands einnehmen“, sagte Njoka einem TV-Sender. „Und das ist vollkommen falsch.“