Bevor Fotografen bei Pop-Konzerten Bilder machen dürfen, müssen sie Akkreditierungsbedingungen zustimmen. Die sind vertrackt formuliert und scheinen die Rechte der Bildjournalisten zu missachten. Verbände rufen zum Boykott auf.
Namentlich genannt werden möchte keiner, egal mit wie vielen man auch spricht. Auskunftsfreudig sind sie alle, das ja - die freien Fotografen von Pop-Konzerten. Sie sind, was ihre Rechte angeht, sozusagen die Letzten in der Nahrungskette des Pop-Journalismus, obwohl sie die Ersten am Geschehen sind und ganz nah dran.
Vergangene Woche hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Bildjournalisten dazu aufgerufen, nicht über die Konzerte der britischen Band Coldplay zu berichten. Das wurde damit begründet, dass die Fotografen sich auf 'Akkreditierungsbestimmungen' einlassen müssten, die mutmaßlich eine freie und ungehinderte Berichterstattung nicht mehr zuließen.
Chris Martin von der britischen Band Coldplay.
Akkreditierungsbestimmungen für Fotografen sind kein Novum und nicht allein Praxis des Managements dieser Band. Gemeint sind die Verträge, die an die Fotografen vor Konzertbeginn ausgegeben werden und die zwingend unterschrieben werden müssen, wollen die Bildjournalisten ihrer Arbeit nachgehen. Diese oft in Englisch gehaltenen Schriftsätze muten meist an wie blühende Juristenpoesie. Ein Kauderwelsch aus Forderungen und Verboten, das in sich widersprüchlich scheint, Rechte von den Fotografen einfordert, die so wirken, als könne man sie gar nicht einfordern - und Verfahren vorschreibt, die nicht realisierbar erscheinen. Das alles hinterlässt den Eindruck, dass eine Hoheit über Bilder behauptet wird, die dann auch nur das wäre: behauptet. Doch zugleich wird das, was angedroht, verboten und gefordert wird, anscheinend auch wieder relativiert. Mit anderen Worten: Diese Verträge sind so verklausuliert aufgesetzt, dass man sie kaum ohne juristischen Beistand verstehen kann. So wirken sie wie ein aufgesetztes Zähnefletschen.
Seit Jahren gibt es diese Verträge, der SZ liegen etliche vor. Und ja, man kann das Management und die Musiklabels von Pop-Bands auch verstehen, solche Vertragsbindung mit den Fotografen einzufordern. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass man den Bild-Journalisten nur ein kontrolliertes Recht einräumen möchte, Fotos von Bands zu publizieren. Man will also wissen, in welchen Medien sie erscheinen, und verwahrt sich dagegen, dass die Konzertfotos anderweitig verwandt werden - für Werbung etwa oder Merchandise-Artikel: Poster, Kalender, T-Shirts, Biografien, dezidierte Fan-Magazine etwa. So weit, so nachvollziehbar: Ein Management, das seinen Namen verdient, muss sogar verhindern, dass Dritte mit den Bildern und den immer guten Namen ihrer Künstler gutes Geld verdienen. In den Grundzügen identische Bedingungen gibt es folglich bei fast allen Groß-Konzerten.
Nach und nach aber wurden die abgefassten Vertragsbedingungen immer komplexer - umformuliert bis zur Undurchschaubarkeit, manchmal sogar bis zur Nicht-Praktizierbarkeit. In einer etwa von Aggro Berlin - damals noch ein Independent Label - ausgestellten Foto-Vereinbarung für ein Sido-Konzert im Jahr 2008 heißt es: 'Für den Fall, dass Partner (der Fotograf, Red.) andere als von Aggro Berlin zuvor schriftlich freigegebene Fotos bzw. freigegebene Fotos in anderen als den schriftlich genehmigten Publikationen (...) verwendet oder verwenden lässt, verpflichtet sich Partner unbedingt und unwiderruflich gegenüber Aggro Berlin für jeden Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer von Aggro Berlin angemessen festzusetzenden (...) Vertragsstrafe.' Abgesehen davon, dass man das Ansinnen, sich in die redaktionellen Belange von berichtenden Medien einzumischen - die Bildauswahl ist ein redaktioneller Belang -, für eine Anmaßung halten kann, muss man sich fragen: Wie sollen Konzertfotos, die abends gemacht wurden und am nächsten Morgen in den Redaktionen sein müssen, um für die Berichterstattung genutzt zu werden, in der Spanne einer Nacht noch ein schriftliches Genehmigungsverfahren durch das Label durchlaufen? Offenbar ist diese Frage selbst von Aggro Berlin nicht zeitnah zu beantworten. Bis zum Redaktionsschluss gab es dazu keine Antwort aus der Hauptstadt.
Die Aufforderung zur Nennung der Publikation - es ist oft nur noch eine einzige gestattet - hat sich durchgesetzt. Manche Fotografen vermuten, dass das Tour-Management danach die Akkreditierung bestimme: Genehme Publikationen, PR-strategisch wichtige Blätter und Magazine, werden zugelassen, die anderen nicht. Die Verträge werden ja vor einem Konzert gesichtet. Die Konzertagentur, die etwa einen Coldplay-Auftritt an einer konkreten Spielstätte organisiert, ist übrigens nicht für den Inhalt der Verträge verantwortlich. Sie erhält die Vertrags-Formulare von der Agentur der Band und reicht sie durch.
Die Neuerungen des 2012-Coldplay-Vertrags für Deutschland sind nun diese, und es ist hilfreich, hier einen Justiziar zu konsultieren: Das Management der Band, in dem Fall eine Headlong Tours LLP mit Sitz in London, möchte zuerst die Namen der Medien wissen, in denen ein Fotograf seine Bilder publiziert. Dann folgt der Passus, der den DJV zum Boykott-Aufruf anregte: Man lässt die Fotografen unterschreiben, dass sie alle Rechte an ihren Bildern weltweit an das Management gegen die symbolische Zahlung von einem britischen Pfund abtreten. Aber, und das nimmt dieser Klausel wohl wieder den - wie DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken ihn nennt - 'krassen Urheberrechtsverstoß': im darauffolgenden Passus sichert das Management dem Fotografen auch wieder zu, dass es von den so eingehandelten Rechten keinen kommerziellen Gebrauch ohne Einwilligung des Fotografen mache.
Headlong Tours will durch diese anscheinend logisch-juristische Quadratur wohl nur verhindern, dass willkürlich Bandfotos genutzt und kommerziell ausgebeutet werden. Offenbar sind aber die eigenen Formulierungsfallstricke den Londoner Coldplay-Managern selbst so verknäuelt, dass auch sie sich auf Anfrage selbst nach langer Bedenkzeit nicht zu einer Stellungnahme durchringen konnten. Doch selbst dann, wenn man vielleicht nur verhindern wollte, dass Fotos von Coldplay unkontrolliert flottieren, sieht diese Vertragsabfassung aus wie eine juristische Pistole, die man den Fotografen auf die Brust setzt. Und ja, sie kann einschüchternd wirken.
'Das ist schon frech', meint Anke Schierholz, Justiziarin der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST, welche die Urheberrechte von Film- und Foto-Kreativen wahrnimmt, eine Art GEMA fürs Visuelle.
Auf die Frage, ob der neue Coldplay-Vertrag sittenwidrig sei, antwortet sie mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs. 2010 hatte das Gericht entschieden, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die ungenehmigte Herstellung und Verwertung von Fotos zu gewerblichen Zwecken untersagen darf, wenn diese auf ihrem Gelände angefertigt wurden. Ja sogar, dass die Stiftung Schadensersatzansprüche geltend machen kann, wenn Aufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter ohne ihre Genehmigung zu gewerblichen Zwecken angefertigt und vermarktet werden. Insofern sei das Management-Gebaren im Pop wohl nicht sittenwidrig zu nennen.
Und die Fotografen? Sie können - vor allem als Freie - einem Boykott der Konzerte nicht zustimmen, weil sie eben vom Verkauf ihrer Bilder leben. Außerdem habe noch nie ein Management die Bilder nachträglich gesichtet oder gar eingefordert - trotz der unterschriebenen Verträge.
Namentlich genannt werden möchte keiner, egal mit wie vielen man auch spricht. Auskunftsfreudig sind sie alle, das ja - die freien Fotografen von Pop-Konzerten. Sie sind, was ihre Rechte angeht, sozusagen die Letzten in der Nahrungskette des Pop-Journalismus, obwohl sie die Ersten am Geschehen sind und ganz nah dran.
Vergangene Woche hat der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Bildjournalisten dazu aufgerufen, nicht über die Konzerte der britischen Band Coldplay zu berichten. Das wurde damit begründet, dass die Fotografen sich auf 'Akkreditierungsbestimmungen' einlassen müssten, die mutmaßlich eine freie und ungehinderte Berichterstattung nicht mehr zuließen.
Chris Martin von der britischen Band Coldplay.
Akkreditierungsbestimmungen für Fotografen sind kein Novum und nicht allein Praxis des Managements dieser Band. Gemeint sind die Verträge, die an die Fotografen vor Konzertbeginn ausgegeben werden und die zwingend unterschrieben werden müssen, wollen die Bildjournalisten ihrer Arbeit nachgehen. Diese oft in Englisch gehaltenen Schriftsätze muten meist an wie blühende Juristenpoesie. Ein Kauderwelsch aus Forderungen und Verboten, das in sich widersprüchlich scheint, Rechte von den Fotografen einfordert, die so wirken, als könne man sie gar nicht einfordern - und Verfahren vorschreibt, die nicht realisierbar erscheinen. Das alles hinterlässt den Eindruck, dass eine Hoheit über Bilder behauptet wird, die dann auch nur das wäre: behauptet. Doch zugleich wird das, was angedroht, verboten und gefordert wird, anscheinend auch wieder relativiert. Mit anderen Worten: Diese Verträge sind so verklausuliert aufgesetzt, dass man sie kaum ohne juristischen Beistand verstehen kann. So wirken sie wie ein aufgesetztes Zähnefletschen.
Seit Jahren gibt es diese Verträge, der SZ liegen etliche vor. Und ja, man kann das Management und die Musiklabels von Pop-Bands auch verstehen, solche Vertragsbindung mit den Fotografen einzufordern. Im Großen und Ganzen geht es darum, dass man den Bild-Journalisten nur ein kontrolliertes Recht einräumen möchte, Fotos von Bands zu publizieren. Man will also wissen, in welchen Medien sie erscheinen, und verwahrt sich dagegen, dass die Konzertfotos anderweitig verwandt werden - für Werbung etwa oder Merchandise-Artikel: Poster, Kalender, T-Shirts, Biografien, dezidierte Fan-Magazine etwa. So weit, so nachvollziehbar: Ein Management, das seinen Namen verdient, muss sogar verhindern, dass Dritte mit den Bildern und den immer guten Namen ihrer Künstler gutes Geld verdienen. In den Grundzügen identische Bedingungen gibt es folglich bei fast allen Groß-Konzerten.
Nach und nach aber wurden die abgefassten Vertragsbedingungen immer komplexer - umformuliert bis zur Undurchschaubarkeit, manchmal sogar bis zur Nicht-Praktizierbarkeit. In einer etwa von Aggro Berlin - damals noch ein Independent Label - ausgestellten Foto-Vereinbarung für ein Sido-Konzert im Jahr 2008 heißt es: 'Für den Fall, dass Partner (der Fotograf, Red.) andere als von Aggro Berlin zuvor schriftlich freigegebene Fotos bzw. freigegebene Fotos in anderen als den schriftlich genehmigten Publikationen (...) verwendet oder verwenden lässt, verpflichtet sich Partner unbedingt und unwiderruflich gegenüber Aggro Berlin für jeden Fall der Zuwiderhandlung zur Zahlung einer von Aggro Berlin angemessen festzusetzenden (...) Vertragsstrafe.' Abgesehen davon, dass man das Ansinnen, sich in die redaktionellen Belange von berichtenden Medien einzumischen - die Bildauswahl ist ein redaktioneller Belang -, für eine Anmaßung halten kann, muss man sich fragen: Wie sollen Konzertfotos, die abends gemacht wurden und am nächsten Morgen in den Redaktionen sein müssen, um für die Berichterstattung genutzt zu werden, in der Spanne einer Nacht noch ein schriftliches Genehmigungsverfahren durch das Label durchlaufen? Offenbar ist diese Frage selbst von Aggro Berlin nicht zeitnah zu beantworten. Bis zum Redaktionsschluss gab es dazu keine Antwort aus der Hauptstadt.
Die Aufforderung zur Nennung der Publikation - es ist oft nur noch eine einzige gestattet - hat sich durchgesetzt. Manche Fotografen vermuten, dass das Tour-Management danach die Akkreditierung bestimme: Genehme Publikationen, PR-strategisch wichtige Blätter und Magazine, werden zugelassen, die anderen nicht. Die Verträge werden ja vor einem Konzert gesichtet. Die Konzertagentur, die etwa einen Coldplay-Auftritt an einer konkreten Spielstätte organisiert, ist übrigens nicht für den Inhalt der Verträge verantwortlich. Sie erhält die Vertrags-Formulare von der Agentur der Band und reicht sie durch.
Die Neuerungen des 2012-Coldplay-Vertrags für Deutschland sind nun diese, und es ist hilfreich, hier einen Justiziar zu konsultieren: Das Management der Band, in dem Fall eine Headlong Tours LLP mit Sitz in London, möchte zuerst die Namen der Medien wissen, in denen ein Fotograf seine Bilder publiziert. Dann folgt der Passus, der den DJV zum Boykott-Aufruf anregte: Man lässt die Fotografen unterschreiben, dass sie alle Rechte an ihren Bildern weltweit an das Management gegen die symbolische Zahlung von einem britischen Pfund abtreten. Aber, und das nimmt dieser Klausel wohl wieder den - wie DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken ihn nennt - 'krassen Urheberrechtsverstoß': im darauffolgenden Passus sichert das Management dem Fotografen auch wieder zu, dass es von den so eingehandelten Rechten keinen kommerziellen Gebrauch ohne Einwilligung des Fotografen mache.
Headlong Tours will durch diese anscheinend logisch-juristische Quadratur wohl nur verhindern, dass willkürlich Bandfotos genutzt und kommerziell ausgebeutet werden. Offenbar sind aber die eigenen Formulierungsfallstricke den Londoner Coldplay-Managern selbst so verknäuelt, dass auch sie sich auf Anfrage selbst nach langer Bedenkzeit nicht zu einer Stellungnahme durchringen konnten. Doch selbst dann, wenn man vielleicht nur verhindern wollte, dass Fotos von Coldplay unkontrolliert flottieren, sieht diese Vertragsabfassung aus wie eine juristische Pistole, die man den Fotografen auf die Brust setzt. Und ja, sie kann einschüchternd wirken.
'Das ist schon frech', meint Anke Schierholz, Justiziarin der Verwertungsgesellschaft BILD-KUNST, welche die Urheberrechte von Film- und Foto-Kreativen wahrnimmt, eine Art GEMA fürs Visuelle.
Auf die Frage, ob der neue Coldplay-Vertrag sittenwidrig sei, antwortet sie mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs. 2010 hatte das Gericht entschieden, dass die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten die ungenehmigte Herstellung und Verwertung von Fotos zu gewerblichen Zwecken untersagen darf, wenn diese auf ihrem Gelände angefertigt wurden. Ja sogar, dass die Stiftung Schadensersatzansprüche geltend machen kann, wenn Aufnahmen der von ihr verwalteten Kulturgüter ohne ihre Genehmigung zu gewerblichen Zwecken angefertigt und vermarktet werden. Insofern sei das Management-Gebaren im Pop wohl nicht sittenwidrig zu nennen.
Und die Fotografen? Sie können - vor allem als Freie - einem Boykott der Konzerte nicht zustimmen, weil sie eben vom Verkauf ihrer Bilder leben. Außerdem habe noch nie ein Management die Bilder nachträglich gesichtet oder gar eingefordert - trotz der unterschriebenen Verträge.